Dienstag, 25. Juni 2019 · Nr. 144 100 Jahre MT Mindener Tageblatt 9
100 JAHRE GUTER JOURNALISMUS
Mit seiner objektiven, fairen
Berichterstattung ist das
Mindener Tageblatt ein sicherer
Wegweiser in der schnelllebigen
Nachrichtenlandschaft.
Seit einem Jahrhundert steht
es für lokale Verbundenheit
und Engagement in der Region.
Dafür möchten wir Danke sagen
und gratulieren herzlich zum
Jubiläum.
www.wago.com/de/karriere
Im Dialog
Telefon, E-Mail, WhatsApp: Leser melden sich jeden Tag. Zum Glück!
Von Monika Jäger
Irgendwann, das ist jetzt so
vier, fünf Jahre her, da hatten
wir in der Redaktion das Gefühl,
dass unsere Leser gar
nicht mehr zu uns kommen.
Das stimmt und ist doch
gleichzeitig völlig falsch. Ja, Leserinnen
und Leser tauchen
nicht mehr in der Ritterstraße
auf, einen Zettel in der Hand,
auf dem Berichte oder Termine
stehen. Statt dessen schreiben
sie E-Mails, schicken uns
Fotos und Nachrichten per
WhatsApp, geben Tipps, die wir
dann oft tagesaktuell nachrecherchieren.
Einige verfassen
leidenschaftliche Leserbriefe,
deutlich mehr Menschen
schreiben uns lange Anmerkungen
beispielsweise zu Themen
, über die wir berichtet haben,
oder zu unserer Arbeit. Die
meisten beantworten wir. Hier
ein paar Beispiele dazu.
Unsere Gespräche mit den Leserinnen und Lesern sind meist schriftlich oder am Telefon,
manchmal aber auch in kleinen Gruppen vor Ort oder in der Redaktion. MT-Foto: Jäger
Leser schreiben, wir antworten:
Umgang mit der Vergangenheit
Einen Leser irritiert, dass das
MT aus seiner Sicht „die NSVergangenheit,
d.h. die
,Deutsche Schuld‘ in einer auffälligen
Häufigkeit umfangreich
an exponierter Stelle der
Zeitung thematisiert“ und
nennt das „Schuldversessenheit“.
Das MT betreibe „eine
Memorialkultur, die unablässig
Schuldgefühle erzeugt
und somit zweifelsohne destruktiv
wirkt.“
Er kündigt sein Abonnement.
Sehr geehrter Leser,
Ihre Kündigung bedauere ich.
Da Sie diesen Schritt inhaltlich
begründen, möchte ich
die Gelegenheit nutzen, Ihnen
zu antworten. Vor allem auch,
weil ich Ihre Haltung zwar
selbstverständlich respektiere,
aber über die Sache ganz anders
denke.
Sie ärgern sich, dass wir über
neue Erkenntnisse über ein
NS-Massaker berichten, das
vor 70 Jahren im Sauerland
stattgefunden hat. Sie interpretieren,
es gehe uns darum,
die Schuld der Deutschen präsent
zu halten. Ich darf Ihnen
versichern, dass das nicht der
Fall ist. Unsere Aufgabe ist
nicht, irgendjemandem seine
Schuld vorzurechnen, sondern
über Dinge, die geschehen,
zu informieren.
Persönlich muss ich Ihnen sagen,
dass ich den Punkt nie
verstanden habe, wenn Menschen
meinten, die Erinnerung
an NS-Verbrechen belaste
die Deutschen, deshalb solle
man diesen Punkt zurückhaltender
behandeln. Ich frage
mich als Nachgeborener:
Warum sollte ein solcher sich
schuldig fühlen für etwas, das
er nicht zu verantworten hat?
Niemand, der nicht an einem
solchen Verbrechen persönlich
beteiligt war, muss sich
dafür schuldig fühlen.
Aber ganz abgesehen davon:
Erwarten Sie, dass wir neue
Forschungen zu einem solchen
Fall unter den Tisch fallen
lassen? Das fände ich
grundverkehrt. Mehr noch:
Wenn es solche Erkenntnisse
zu einem grausamen Verbrechen
gibt und das Ganze auch
noch unweit entfernt stattgefunden
hat, dann halte ich
das für ein sehr relevantes
Thema. Das wäre im Übrigen
auch der Fall, wenn ein Verbrechen
aufgedeckt worden
wäre, das zwar Jahrzehnte zurückliegt,
aber mit dem NS
nichts zu tun hat.
Eine Schuldfrage wirft der
Text übrigens in keiner Weise
auf, einmal abgesehen davon,
dass er die tatsächlich Schuldigen
benennt. Wir haben
sachlich und nüchtern formuliert,
was dort gefunden wurde
und was dort passiert ist.
Wenn Sie eine solche Schilderung
gleichsetzen mit einer
angeblichen Schuldversessenheit,
mit einem Manipulationsversuch
oder Destruktion,
dann kann ich Ihnen
versichern, wir sind höchstens
faktenversessen. Und als
solche haben wir den Titel des
von Ihnen empfohlenen Beitrages
erfüllt: eine grausame
Teilgeschichte des Nationalsozialismus
historisch rekonstruiert.
Einen angenehmen Abend,
Benjamin Piel, Chefredakteur
Leser schreiben, wir antworten: Ein Gedicht
Ein Leser schickt ein liebevoll
gereimtes Weihnachtsgedicht
ein.
Lieber Herr M.,
vielen Dank, dass Sie in so besonderer
Weise an uns gedacht
haben. Und dann noch
als – wie Sie sagen – „begeisterter“
Leser! Ganz ehrlich:
Lob zum Jahresende hören
wir besonders gern.
Ihr Gedicht werden wir jedoch
leider nicht für die
Weihnachtsausgabe verwenden.
Seit vielen Jahren befolgen
wir die selbst gesetzte Regel,
keine fiktionalen Geschichten
und Gedichte abzudrucken,
die uns Leser einreichen.
Dafür gibt es mehrere
Gründe – unter anderem den,
dass so eine Zeitung dafür
nicht das ganz passende Umfeld
ist.
Für mich ausschlaggebend ist
aber die Erfahrung, dass wir –
drucken wir ein Gedicht – viele
Menschen inspirieren, auch
ihre Gedanken in Reime zu
fassen. Und diese Werke tragen
dann nicht in jedem Fall
zur Erbauung oder auch zur
Klarheit bei. Wenn wir dann
entscheiden, manches zu drucken
und anderes nicht, nahmen
das die Verfasser in der
Vergangenheit nicht immer
mit Gleichmut.
Ehrlich gesagt – ob ein journalistischer
Text gut ist oder
nicht, das kann ich beurteilen.
Bei Gedichten maße ich mir
das nicht an.
Also: Keine Gedichte. Trotzdem
noch mal Danke für Ihre
lieben Grüße.
Drum wünsche ich aus
vollem Herzen
Weihnachtstage wunderbar –
mit Keksen, Punsch und
roten Kerzen,
und gutem Start ins neue
Jahr.
Herzlich
Monika Jäger
Ressortleitung Lokalredaktion