12 Mindener Tageblatt 100 Jahre MT Nr. 144 · Dienstag, 25. Juni 2019
Highlights aus 100 Jahren
Von der Mondlandung erfuhren die MT-Leser sofort, von Woodstock erst später. Bei einem Streifzug
durch das digitale Archiv findet sich alles, was die Menschen in einem Jahrhundert bewegte.
haften. Immerhin war dann einen
Monat später auch mal – im „mt-jugend
journal“ – der Name zu lesen,
der sich einbrennen sollte:
Woodstock. Und mit Janis Joplin
kam jemand zu Wort, der auf der
Bühne gestanden und der Jugend
eine Stimme gegeben hatte.
Und was war am 25. Juni 1919, also
heute vor 100 Jahren, los? In den
Tagen und Wochen wurde nichts so
heiß diskutiert wie die Bedingungen
des Versailler Friedensvertrages.
An diesem Tage nun stand auf
der ersten Seite zu lesen, dass der Politiker
Matthias Erzberger wohl schon
zum „Gang nach Canossa“ aufgebrochen
sei, um den Friedensvertrag zu
unterschreiben – und dazu fettgedruckt
ein Zitat des Reichspräsidenten
Friedrich Ebert aus der Reichstagssitzung
vom 12. Mai: „Die Hand,
die diesen Friedensvertrag unterschreibt,
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große Liebe!
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Von Jürgen Langenkämper
Minden (mt). Wissen Sie noch, was Sie
– sofern Sie zur Generation 50+ gehören
– am 21. Juli 1969 gemacht haben?
Wahrscheinlich haben Sie an
dem Tag Fernsehen geguckt und die
ersten Bilder der Mondlandung von
Apollo 11 gesehen. Aber was ist sonst
noch an dem Tag in Minden und der
Welt passiert? Die Russen teilten mit,
dass ihre Mondsonde Luna 15 ebenfalls
auf dem Erdtrabanten gelandet
war, und an der Weser war eine Gruppe
britischer Eisenbahner zu Besuch
und lobte die Deutsche Bahn in höchsten
Tönen. Aber wer erinnert sich 50
Jahre später noch daran? Das Mindener
Tageblatt und sein digitales Archiv
– und auch all die anderen 36.699 Tage
sind nicht vergessen, seit die Zeitung
am 2. Januar 1919 zum ersten
Mal unter diesem Titel erschien.
Die Mondlandung war nur Halbzeit
– ähnlich wie ein zweites unvergessliches
Ereignis des Jahres 1969:
Woodstock. Die Nachricht von dem
dreitägigen Festival vom 15. bis 17. August
des Jahres brauchte allerdings
etwas länger über den Großen Teich
als die vom ersten Mann auf dem
Mond. Erst am 20. August war nachzulesen,
dass es auf einem „Farmgebiet
um Behel sic (New York)“ ein
„Mummutfestival“ sic mit 400.000
Teilnehmern in einem Alter von
durchschnittlich 20 Jahren gegeben
hatte. Wer dort aufgetreten war, erfuhren
die Leser nicht, wohl aber dass
es zwei Geburten und drei Todesfälle
sowie jede Menge Drogen, aber nur
80 Fälle polizeilichen Einschreitens
gegeben hatte, „da es – wie ein Beamter
sagte – in dem ganzen Bezirk
nicht so viele Gefängniszellen gab,
wie hier Gesetzesbrecher“. Fazit: Bloß
nicht nachmachen! „Die vier Männer,
die für das Tag- und Nachtkonzert
auf einer Milchfarm verantwortlich
sind, wurden am Sonntag von
Gläubigern gejagt. Sie rechnen mit
einem Defizit von zwei Millionen
Dollar.“
Zum Glück blieb nicht dieser erste
Eindruck im Gedächtnis der Menschheit
und der Mindener Zeitungsleser
100 Jahre – Wir gratulieren!
möge verdorren!“ Kein Vorzeichen
für eine friedfertige Zukunft
in der noch jungen Republik und ein
Menetekel für Erzberger. Am 27. August
1921 war als Spitzenmeldung auf
der Titelseite zu lesen, dass der Reichstagsabgeordnete
am Vortag von zwei
jungen Männern – Rechtsterroristen,
wie sich noch herausstellen sollte, mit
zwölf Schüssen in Brust und Kopf niedergestreckt
Der Höhenflug:
Die Mondlandung
bewegte die
Menschheit.
und getötet worden war.
Und wie werden all diese interessanten
Daten zugänglich und wieder
auffindbar? Lange lagerten gewichtige
und immer dicker werdende Zeitungsbände
gebunden im Redaktionsarchiv
und waren auch für interessierte
Leser dort auf Anfrage oder
auf Mikrofilm im Kommunalarchiv
zu festen Öffnungszeiten griffbereit.
Doch Zeitungspapier ist selbst bei
sorgfältiger Lagerung vom Verfall bedroht.
Im Computer- und Internetzeitalter
entschloss sich der Verlag
J. C. C. Bruns, seine gesamten Zeitungsseiten
seit 1856 durch das auf digitales
Archivmanagement spezialisierte
Unternehmen PPS Pre-Press
Systeme in Oberursel einscannen und
in mehreren Schritten digital aufbereiten
zu lassen. Alle im Firmenarchiv
vorhandenen Zeitungsbände,
ergänzt durch einige Bände aus dem
Kommunalarchiv, wurden nach
Oberursel gebracht und dort Ende
2011 und Anfang 2012 Seite für Seite
eingescannt.
„Scannen ist das Einfachste“, erklärte
Firmeninhaber Siegfried Peis
seinerzeit. Viel wichtiger war aus der
Sicht der späteren Nutzer eine Aufbereitung
für die Textsuche. In mehreren
vollautomatischen Durchläufen
analysierte die von PPS eingesetzte
Software die eingescannten
Texte und ordnete Zeilen und Wörter
den jeweiligen Artikeln mit Dachzeile,
Titel, Untertitel und Vorspann
zu.
Bereits seit 2006 erfolgt die automatische
Digitalisierung der Zeitungsausgaben
bei der täglichen Herstellung
des E-Papers, das unter anderem
auf MT.de eingesehen werden
kann und zum Download zur Verfügung
steht. Einschließlich der älteren
Ausgaben, die nachträglich durch
PPS digitalisiert wurden, verfügt das
digitale MT-Archiv inzwischen über
mehr als 800.000 Seiten. Enthalten
sind nicht nur redaktionelle Seiten,
sondern auch Anzeigenseiten.
Das digitale Archiv ist seit 2015 öffentlich
zugänglich. Recherchieren
lassen sich mit etwas Geduld und Findigkeit
auch viele Details zu Personen,
Persönlichkeiten und zur eigenen
Familiengeschichte. Denn Familienanzeigen
geben im Wandel der
Zeit Auskunft über fast vergessene
Vorfahren und Verwandte.
Der Autor ist erreichbar unter
Telefon (05 71) 882 168 oder
Juergen.Langenkaemper@MT.de
Die Schmach:
Der Versailler Vertrag
erhitzte die Gemüter.
Das Mega-Konzert:
Woodstock tauchte
nicht wegen der
Musik auf.
Zur Halbzeit auf dem Mond
und beim „Mummutfestival“
Eingescannte Zeitungsseiten
für die Textsuche aufbereitet
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