28 Mindener Tageblatt 100 Jahre MT Nr. 144 · Dienstag, 25. Juni 2019
Druck, Gefängnis, Mord
Von Mexiko bis Myanmar – die Pressefreiheit ist weltweit in Gefahr.
In Europa sind die skandinavischen Länder leuchtende Vorbilder.
Von Lena Klimkeit und
Denis Düttmann, dpa
Berlin (dpa). Um die Pressefreiheit
steht es weltweit schlecht. Am finstersten
sieht es nach der aktuellen
Rangliste der Organisation Reporter
ohne Grenzen in Eritrea, Nordkorea
und Turkmenistan aus, am besten in
Norwegen, Finnland und Schweden.
Aber auch in Europa gibt es Entwicklungen,
die Besorgnis erregen. Und die
USA sind schon lange kein leuchtendes
Vorbild für die freie Presse mehr.
Eine Auswahl:
Malta
Die Mittelmeerinsel ist seit dem Attentat
auf Daphne Caruana Galizia
zum Symbol für die Bedrohung der
Pressefreiheit innerhalb der EU geworden.
Im Oktober 2017 wurde die
Journalistin in ihrem Auto in die Luft
gesprengt – auch eineinhalb Jahre später
ist der Mord noch nicht aufgeklärt.
In der Rangliste der Pressefreiheit
liegt Malta mittlerweile auf Platz
77, im Jahr 2017 stand das Land noch
auf Platz 47. Caruana Galizia deckte
Skandale auf, mit Recherchen über
Korruption und Geldwäsche brachte
sie auch maltesische Regierungsvertreter
in Bedrängnis. Damit machte
sie sich viele Feinde. Auf Malta geraten
Journalisten und Medien nach
Einschätzung von Reporter ohne
Grenzen immer wieder unter Druck
und werden teilweise zu hohen Schadenersatzzahlungen
wegen Verleumdung
verurteilt. Gegen Caruana Galizia
gab es zum Zeitpunkt ihrer Ermordung
42 Verleumdungsklagen.
Slowakei
Der Mord am Investigativjournalisten
Jan Kuciak und seiner Verlobten
am 21. Februar 2018 hat die gesamte
Politik und Gesellschaft des Landes erschüttert.
Die posthum veröffentlichte
letzte Reportage Kuciaks über mutmaßliche
Verbindungen italienischer
Mafia-Clans zu Regierungsmitarbeitern
löste Demonstrationen
Zehntausender gegen Korruption aus.
Anders als in Malta zeigte sich in der
Slowakei nach dem Mord, wie stark
und aktiv die Medienszene ist. Die
Presse nahm die Tat zum Anlass, noch
energischer Verfilzungen von Politik
und Geschäftemacherei zu enthüllen.
Damit wurden die Journalisten
zu Impulsgebern der Protestbewegung.
Die Slowakei liegt in der Rangliste
auf Platz 35.
Die jährliche Rangliste bewertet die Lage der Presse- und Informationsfreiheit in Ländern. Beurteilt
werden u. a. Medienvielfalt, Unabhängigkeit der Medien sowie gewaltsame Übergriffe auf Journalisten.
gute
Lage
zufriedenstellende
Lage
erkennbare
Probleme
schwierige
Lage
sehr ernste
Lage
USA
In den USA hat die Pressefreiheit noch
immer einen hohen Stellenwert –
auch wenn Präsident Donald Trump
mit einem Teil der Journalisten nicht
gerade wohlwollend umspringt. Journalisten
haben Zugang zu den Regierungsbehörden
und zum Präsidenten
selbst, Trump gibt mehrmals wöchentlich
persönlich Auskunft. Einzelne
Reporter, auch von ihm nicht gewogenen
Publikationen wie der „New
York Times“, ruft er auf dem Handy
an. Trumps Außenminister gibt in der
Regel mehrere Interviews pro Woche.
Dennoch nehmen die Klagen zu.
Dass Donald Trump bei seinen Wahlkampfveranstaltungen
Medien beschimpft
und Journalisten, die nicht
auf seiner Linie liegen, als „Feinde des
Volkes“ bezeichnet, verfängt in Teilen
der Bevölkerung. Berichterstatter,
die in Wahlkampfarenen verunglimpft
werden, fühlen sich nicht sicher.
Auch die Zahl der offiziellen Briefings
im Weißen Haus hat stark nachgelassen.
Reporter ohne Grenzen sieht
die USA nur noch auf Platz 48 der
Rangliste – knapp hinter Rumänien.
Russland
Die wenigen unabhängigen Medien
beklagen seit Jahren, dass der Druck
vor allem auf investigative Journalisten
weiter zunehme. Inhaftierungen,
Überfälle mit schweren Körperverletzungen,
Gerichtsprozesse und
schlimmstenfalls auch Mordanschläge
– die Gefahren für kritische Reporter
sind groß. Dagegen kontrollieren
oft dem Kreml gegenüber loyal
eingestellte Oligarchen einen Großteil
der Massenmedien. Vor allem das
Fernsehen ist oft gleichgeschaltet. Auf
Platz 149 von 180 sieht ROG das Land
unter Kremlchef Wladimir Putin, den
die Organisation zu den größten Feinden
der Pressefreiheit zählt.
Zunehmend Sorgen bereitet vielen
Menschen, dass der freie Zugang zu Informationen
im Internet weiter eingeschränkt
wird. Viele Seiten mit regierungskritischen
Nachrichten haben
die Behörden blockiert. Zuletzt
unterzeichnete Putin ein Gesetz, das
Informationen unter Strafe stellt, die
aus Sicht von Behörden falsch sind
oder staatliche Institutionen beleidigen.
China
Es gibt nur wenige Länder, in denen
es um die Pressefreiheit noch schlechter
bestellt ist als in China. Die chinesischen
Medien sind staatlich kontrolliert.
Bei vielen Themen darf nur
die Version der amtlichen Nachrichtenagentur
Xinhua verbreitet werden.
Täglich gibt es Anweisungen, wie
mit Ereignissen umgegangen werden
muss. Dutzende Journalisten,
Blogger oder „Bürgerjournalisten“
sind in Haft. Auch das Internet wird
streng überwacht und zensiert. Es gilt
praktisch als chinesisches Intranet.
Die „große Firewall“ blockt nicht nur
chinakritische Webseiten und viele
ausländische Zeitungen, sondern
auch soziale Netzwerke wie Twitter,
Facebook oder YouTube und selbst
Google.
Eigene soziale Medien wie WeChat
und Weibo werden streng zensiert.
Auch ausländische Journalisten in
China beklagen immer schlechtere
Arbeitsbedingungen. Überwachung,
Einschüchterung und Schikane gehören
zum Alltag. Auf der Rangliste
steht China auf Platz 177.
Australien
Das Land gehört zu den klassischen
Demokratien, in denen es um die Pressefreiheit
eigentlich gut bestellt ist.
In der neuen Rangliste von „Reporter
ohne Grenzen“ liegt es auf Platz 21.
Trotzdem drohen zwei Dutzend Journalisten
gerade hohe Geldstrafen und
sogar Gefängnis. Die Justiz wirft ihnen
vor, während des großen Missbrauchsprozesses
gegen Kardinal
George Pell, die ehemalige Nummer
drei im Vatikan, gegen eine gerichtlich
angeordnete Nachrichtensperre
verstoßen zu haben.
Myanmar
In Myanmar haben sich die Arbeitsbedingungen
von Journalisten nach
einer kurzen Phase der Öffnung wieder
verschlechtert. Reporter ohne
Grenzen spricht von einem „feindseligen
Klima“ und von „Drohungen seitens
Regierung bzw. Militär gegen Medien“.
In der Rangliste liegt Myanmar
auf Platz 138.
Mexiko
Mexiko ist das gefährlichste Land für
Journalisten in Lateinamerika. Obwohl
die Regierung ein Schutzprogramm
für bedrohte Reporter ins Leben
gerufen hat, wurden nach Angaben
von Reporter ohne Grenzen im
vergangenen Jahr mindestens zehn
Medienschaffende getötet. Vor allem
in den Provinzen arbeiten die mächtigen
Drogenkartelle mit korrupten
Beamten und Politikern zusammen,
um unbequeme Journalisten aus dem
Weg zu räumen. Die Verbrechen werden
selten aufgeklärt. Platz 144.
Kuba
Nirgendwo in Lateinamerika steht es
laut Reporter ohne Grenzen so
schlecht um die Pressefreiheit wie auf
der sozialistischen Karibikinsel. Alle
offiziellen Medien werden von der
Kommunistischen Partei kontrolliert.
Eine kritische Berichterstattung
über die autoritäre Regierung findet
in den Staatsmedien nicht statt. Regierungskritische
Journalisten veröffentlichen
ihre Beiträge zumeist in
Blogs im Internet. Zumindest haben
jetzt immer mehr Kubaner Zugang
zum Internet, nachdem die Regierung
Internetanschlüsse für Privatleute
erlaubt und den Aufbau eines
mobilen Internets angestoßen hat.
Rangliste: Platz 169.
Norwegen
Finnland
Schweden
Niederlande
Dänemark
Deutschland
…
Sudan
Vietnam
China
Eritrea
Nordkorea
Turkmenistan
…
Pressefreiheit
Quelle: Reporter ohne Grenzen
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