56 Mindener Tageblatt 100 Jahre MT Nr. 144 · Dienstag, 25. Juni 2019
Wir gratulieren dem
Mindener Tageblatt
zum runden Jubiläum.
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– seit über 80 Jahren
mit der Region verbunden.
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Thema ist Trumpf
„Lesewert“ analysiert Tageszeitungen und ihre Leser. Auf der Suche nach einem Rezept für eine gute Lokalausgabe
hat das Unternehmen viele Erkenntnisse gewonnen. Die fließen nun auch in die Arbeit der MT-Redaktion ein.
Von Thomas Lieske
Minden (mt). Seit vielen Jahren stellen
sich Redakteure immer wieder die
gleichen Fragen: Was genau will der
Leser eigentlich in seiner Tageszeitung
lesen? Wofür ist er bereit, Zeit
am Frühstückstisch zu investieren?
Was zieht ihn in einen Text? Und welches
Thema überblättert er lieber?
Weil die Leserforschung noch nicht
sehr weit vorangeschritten ist, haben
sich vor ein paar Jahren Journalisten
zu der Initiative „Lesewert“ zusammengeschlossen.
Die hat bereits
etliche Zeitungen in Deutschland analysiert.
Die Ergebnisse sind fast überall
die gleichen. Ob ein Leser bereit
ist, in den Text einzusteigen, hängt
in erster Linie vom Thema ab.
Das klingt jetzt nicht sonderlich
überraschend. Ist aber für Redakteure
ein wertvoller Hinweis darauf, wie
sie ihre Arbeit ausrichten können, um
ein möglichst breites Publikum einzufangen.
Nämlich mit Themen, die
möglichst viele im Alltag betreffen. Jeder
ist im Straßenverkehr unterwegs.
Wenn zum Beispiel die Nordbrücke
in Minden für einen längeren
Zeitraum zur Großbaustelle wird,
dann betrifft das mehrere Tausend
Pendler gleichzeitig. Wenn die Landespolitiker
Summen für Investitionen
in Schulen freigeben und die Lokalzeitung
an hiesigen Schulen nachhakt,
was das für die Schüler bedeutet,
dann betrifft das mal eben ein paar
Tausend von ihnen, ihre Eltern und
Lehrer. Und wenn die Lokalzeitung
eine Reportage über das Müllproblem
im Glacis bringt und die Stadt
darin fragt, wie sie dem Problem Herr
werden will, dann betrifft auch das
mindestens Hunderte, wenn nicht gar
Tausende Spaziergänger, Radfahrer
und Skater.
Das Rezept für ein gutes Thema ist
also relativ simpel: Es gibt ein Problem,
das viele betrifft, für das Redakteure
eine Lösung anfragen und
im besten Fall sogar präsentieren können.
Und so lässt sich jedes Thema
schnell abchecken, ob es eines ist, das
viele interessiert. Dann macht die Zeitung
das groß auf. Oder ob es ein sogenanntes
sublokales Thema ist – das
hat zwar auch seine Berechtigung in
einer Lokalzeitung, erscheint dann
aber eher kleiner und unten auf der
Seite. Das gibt dem Layout nicht nur
optische, sondern auch inhaltliche
Struktur, an der sich der Leser gut
orientieren kann. So kann er auf den
ersten Blick sehen, welches Thema
wichtig ist und welches eher unter der
Kategorie „gut zu wissen“ läuft. „Lesewert“
hat aber auch herausgefunden,
dass sich Leser eine Mischung aus
beidem wünschen. Ängste, dass demnächst
Vereine von den Seiten fliegen,
sind also unberechtigt.
„Lesewert“ analysiert also nicht nur
die Tageszeitungen in Deutschland –
übrigens auch das Mindener Tageblatt
–, sondern auch die Leser, ihre Bedürfnisse,
ihre Wünsche und vor allem
ihr Leseverhalten. Um zum Beispiel
die Attraktivität eines Textes zu
berechnen, schauen sich die Experten
an, wie viele Leser überhaupt beim
Durchblättern der Zeitung auf einem
Text hängen bleiben, wie viele dann
noch in den Text einsteigen und wo
sie wieder aussteigen. Rechnet man alledreiParameterzusammen,
stehtfest,
ob der Artikel lesenswert ist oder nicht.
Ziemlich schnell kristallisiert sich
bei diesen Untersuchungen heraus,
dass Leser vor allem erzählerische Stücke
mögen. Eine Reportage kommt also
im Durchschnitt deutlich besser an
als ein nüchterner Bericht über den
Haushalt der Stadt Petershagen, Porta,
Hille oder Minden. Ein spannendes
Porträt nimmt den Leser eher mit
als der nacherzählende Bericht über
das Fußballspiel in der Kreisliga.
Es ist also nicht nur das Thema, das
den Leser packen muss, sondern auch
die Form, in der das Thema präsentiert
wird. Gut so, denn seitdem hat
die Qualität in Tageszeitungen, die es
ernst meinen, deutlich zugenommen.
Die Erkenntnisse aus der „Lesewert“
Analyse fließen nun täglich in
die Arbeit der MT-Redaktion ein.
Der Autor ist erreichbar
unter Thomas.Lieske@MT.de
oder (0571) 882-267.
Welche Themen müssen, können und sollten nicht in die Zeitung? Worauf springen die Leserinnen und Leser sofort
an, und wo blättern sie weiter? Die MT-Redaktion beim „Lesewert“-Seminar. MT-Foto: Monika Jäger
Auch die Erzählform eines
Artikels ist entscheidend.
Die 100-jährige Volkshochschule gratuliert dem
Mindener Tageblatt zum 100-jährigen Jubiläum.
Herzlichen Glückwunsch!