Dienstag, 25. Juni 2019 · Nr. 144 100 Jahre MT Mindener Tageblatt 49
Verschobene Wahrnehmung
Straftaten und Unfälle sind nahezu täglich in den Top-Klicks auf MT.de zu finden. Das große Interesse
ist verständlich, führt aber auch zu Diskussionen, die mit Fakten wenig zu tun haben.
Von Nina Könemann
Minden (mt). Es gibt ein paar goldene
Regeln, die im Journalismus immer
gelten. Eine lautet: Eine einzige Quelle
reicht nicht für einen guten und ausgewogenen
Text. Eine andere: Blaulicht
und Tiere gehen immer. Klingt
sehr banal, lässt sich aber anhand der
Klickzahlen täglich wieder ablesen. In
den Top Klicks – ob nun von Freien
oder Plus-Inhalten – sind in der Regel
reichlich Polizeimeldungen, Hintergrundartikel
zu Übergriffen und Überfällen
oder Gerichtsberichte.
„Blut und Tränen“ nennen die Redakteure
das etwas sarkastisch. Und
auch wenn selbstverständlich jede
Nachricht zu Straftaten zunächst recherchiert,
bewertet und eingeordnet
wird, so sorgt das Nutzerverhalten
doch dafür, dass die meisten Nachrichtenwebsites
tagsüber von Blaulicht
Meldungen dominiert werden.
Und dass solche Texte von der Redaktion
möglichst zeitnah veröffentlicht
werden, bevor alle anderen
schneller waren.
Das führt einerseits zu einer großen
Transparenz, was Straftaten in
einer Stadt angeht, andererseits aber
auch zu einer zunehmend verschobenen
Wahrnehmung vieler Leser –
vor allem in den Sozialen Netzwerken.
„Es wird immer schlimmer“, „In
dieser Stadt kann man nicht mehr leben“
oder „Wohin soll das noch führen?“
sind nur einige der Kommentare,
die die Redaktion gleich mehrfach
täglich in den Sozialen Netzwerken
liest. User schaukeln sich dann
gegenseitig hoch, werfen der Politik
und der Polizei kollektives Versagen
vor und fordern immer wieder auch
zur Selbstjustiz auf.
Berichte über Straftaten sind bei Lesern besonders beliebt und werden deshalb auch von der Redaktion so schnell (15. März)
wie möglich nachrecherchiert. Symbolfotos (gestellt): Alex Lehn
Was sie nicht bedenken: Die Kriminalitätszahlen
der Länder und Kreise
sind seit Jahren rückläufig. Selten
war es so sicher in Deutschland wie
im Jahr 2019. Weil aber jede Polizeimeldung
gleich auf mehreren Nachrichtenportalen
erscheint, binnen Minuten
hundertfach geteilt und kommentiert
wird und die Artikel die Top-
Klicks der Websites dominieren, entsteht
das Bild einer Gesellschaft, in
der vieles im Argen ist. Das Internet,
das eine rasend schnelle Verbreitung
möglich macht, ist hier Fluch und Segen
zugleich.
Die Redaktion kann dem nur bedingt
entgegenwirken: Werden Blaulicht
Meldungen nicht mehr – oder
nur noch ausgewählt – veröffentlicht,
werden dem Leser Informationen vorenthalten.
Dies führt zu „Lügenpresse“
Vorwürfen und dem – zu Recht –
Als eines der führenden Unternehmen auf dem Gebiet der Fördertechnik und des Anlagenbaus
für die Wellpappen- und Holzindustrie, bieten wir unseren Kunden im In- und Ausland individuelle
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Die Top-Klicks 2019
1. Übersicht der Baustellen und
Blitzer im Kreis (täglich aktuell)
2. Fahrschülerin fährt Zapfsäule
in Lahde um (9. Mai)
3. Schülerin nach Angriff von
Bus überrollt (21. Januar)
4. Wisent erschossen: Schock für
Besucher im Bielefelder Tierpark
Olderdissen (1. Mai)
5. Loch in der Innenstadt verschluckt
6. Er wollte nur Schnee sehen:
Eltern zetteln Hetzjagd gegen
Flüchtling an (26. Januar)
7. Mühlenkreiskliniken entlassen
Prof. Dr. Johannes Zeichen
(30. März)
8. Patientin muss drei Stunden in
Notaufnahme warten, um dann
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Die stärkste Teamleistung!
entstehenden Eindruck, man wolle das
öffentliche Stimmungsbild beeinflussen.
Stattdessen versuchen die Redakteure,
die Diskussionen zu moderieren
und die Fakten in den richtigen
Kontext zu setzen. So werden schwere
Straftaten nach Möglichkeit eingeordnet:
Gab es in diesem Jahr tatsächlich
mehr Angriffe auf Frauen als
noch 2018? Ist die Zahl der Einbrüche
Auto (24. Mai)
nur gefühlt gestiegen oder auch
real? Und wie oft werden Menschen
auf offener Straße ausgeraubt?
Diese und andere Fragen greift das
MT regelmäßig auf, um dafür zu sorgen,
dass die Blaulichtmeldungen
zwar zu Recht ein hohes Interesse erzeugen,
dass der Austausch darüber
aber von der emotionalen immer wieder
auf die sachliche Ebene zurückkehrt.