2 Mindener Tageblatt 100 Jahre MT Nr. 144 · Dienstag, 25. Juni 2019
Seite 1 vom 2. Januar 1919
Das „Mindener Tageblatt“ erhält seinen Namen
Es war nicht die Geburtsstunde dieser Zeitung,
aber es war ihre Taufe: Vor 100 Jahren,
am 2. Januar 1919, erschien das „Mindener
Tagblatt“ erstmals unter diesem Namen.
Die neue Namensgebung im 63. Jahr
des Erscheinens war dem Verlag eine ausführliche
Erläuterung auf der Titelseite
wert. „Wir wählten den Titel, der sich für
ein in Minden täglich erscheinendes Blatt
von selbst ergibt: ,Mindener Tageblatt‘“,
hieß es. Der bisherige Titel „Minden-Lübbecker
Kreisblatt“, unter dem „unser Blatt
sich Vertrauen und Ansehen erworben
hat“, wurde als Untertitel weitergeführt.
Andererseits wurde das Festhalten an der
alten Bezeichnung als „törichte Selbstverkleinerung“
dargestellt. Denn die Auflage
der Zeitung sei „im Laufe der Kriegszeit
noch über alle Erwartungen hinaus“ um
Tausende Exemplare gestiegen, und zwar
über die Grenzen der Kreise Minden und
Lübbecke hinaus. Vom alten Untertitel
„Mindener General-Anzeiger für Stadt und
Land“ hatte das Tageblatt seinen Anspruch
zum „General-Anzeiger für das mittlere
Wesergebiet“ ausgedehnt.
Breiten Umfang räumte die Verlagsleitung
der Erläuterung der optischen Umgestaltung
des Titels ein. Die Unterzeile des Leitartikels
war noch in Klammern gesetzt:
„Warum wir den ,Kopf‘ – aber nicht Herz
und Gesinnung ändern“. Doch die Erläuterung
für den „symbolischen Adler“ versuchte
einen Spagat. Seiner Krone und
„der monarchischen Insignien in seinen
Klauen“ entäußert, wurde dennoch die
Stärke des nationalen Wappentieres betont:
„der einsam Horstende, mit scharfen
Klauen weislich bewehrt, getragen von
wuchtigen Schwingen, die Lichter unbeirrbar
und ungeblendet zur Sonne gekehrt“.
Trotz eines Bekenntnisses zu Parteien –
„von der Rechten bis zur sozialdemokratischen
Mehrheit“ – wurde kaum zwei Monate
nach Ausrufung der Republik das
„zersetzende politische Parteiwesen (...) bis
zu einem gewissen Grade doch nur als ein
notwendiges Uebel“ angesehen. (lkp)
„Historische Seite“
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auf MT.de
Editorial
Journalismus!
Warum wir lieben, was wir tun
V o n B e n j a m i n P i e l
Das Mindener Tageblatt gibt es seit einem Jahrhundert
unter diesem Titel. Das ist für uns ein Grund zum Feiern.
Was macht ein Verlag, wenn er ein Jubiläum begeht? Er gratuliert
sich selbst, vergewissert sich seiner Bedeutung und
prostet sich auf die nächsten 100 Jahre zu.
Wir finden das langweilig und möchten uns nicht in unserer
eigenen Vergangenheit suhlen. Wir möchten den Blick auf
die Gegenwart und die Zukunft richten, wollen Ihnen einen
Einblick geben in das, was wir tun. Wie wir es tun. Warum
wir es tun – und lieben. Warum wir Sie dafür brauchen –
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nicht nur als Kunden, sondern
als Mitgestalter, Informanten,
Kritiker. Deshalb haben
wir dieses „MT für alle“
auf die Beine gestellt.
Die Grafik auf der vorherigen
Seite skizziert den Weg. Die
spitze Feder ist ein Licht der
Orientierung in einer Umgebung,
die immer schwerer zu
verstehen ist. Die Welt ist
komplexer geworden. Das ist manchmal schwer auszuhalten.
Die Dinge liegen verzwickt – international und vor der
eigenen Haustür. Wir möchten Ihnen helfen, die Welt und
Ihre Umgebung besser zu verstehen. Das tun wir einerseits
auf dem klassischen Weg der gedruckten Zeitung. Aber auch
auf vielen Digitalkanälen – mit unserem ePaper, auf MT.de,
auf Facebook, Instagram, Twitter oder WhatsApp.
Insofern steht das Schwarz der Seite gleichzeitig für Druckerschwärze
und einen iPad- oder Smartphone-Bildschirm.
Wir schätzen beide Wege, unsere Inhalte zu veröffentlichen.
Die spitze Feder – das kritische Hinterfragen – bleibt so oder
so relevant. Ganz unabhängig vom Kanal, auf dem der Inhalt
die Leserinnen und Leser, die Nutzerinnen und Nutzer
erreicht. Wach und kritisch zu sein – das ist uns wichtig.
Und wir freuen uns, wenn Sie wache und kritische Leserinnen
und Leser sind!
Weil dieses „MT für alle“ am Ende vor lauter Ideen dick geworden
ist, möchte ich fünf Themen besonders empfehlen:
1.: Wir haben uns aufgemacht, 100 Menschen aus Minden-
Lübbecke zu treffen und sie nach ihren größten Wünschen
zu fragen. Es ist schön zu sehen, wie menschlich es zugeht,
wenn Sehnsüchte ins Spiel kommen. Dann verliert das Materielle
seine scheinbar übergroße Bedeutung und es
kommt zum Vorschein, was wirklich zählt: Geborgenheit,
Liebe, Beziehung, das Miteinander, die Familie. Es tut gut,
sich durch die vielen Wünsche neben den vielen Gesichtern
zu lesen! Das begegnet auch einem Vorwurf, der Journalisten
(oft zu Recht) gemacht wird: Sie konzentrieren sich
manchmal zu stark auf das Schlechte und lassen der Hoffnung
zu wenig Raum. Auf den Seiten 45 bis 48 sieht das
ganz anders aus.
2.: Journalisten haben oft ihre ganz eigene Sprache und
ihren eigenen Blick auf die Welt. Das gilt für die Kulturjournalistin
genauso wie für den Sportjournalisten. Aber was
passiert, wenn der Sportjournalist aus dem Theater berichtet,
als sei es ein Stadion – und die Kulturjournalistin aus
der Kampa-Halle, als sei es das Stadttheater? Wir haben es
ausprobiert (Seiten 22 und 23) und wünschen gute Unterhaltung.
3.: Was macht eigentlich ein Lokalredakteur? Wie arbeitet er?
Wie kommt er an seine Geschichten? Wir haben Thomas
Lieske einen Tag lang mit der Kamera begleitet und eine
Foto-Story daraus gemacht, die so verständlich daherkommt
wie ein Comic (Seite 24).
4.: Und wie läuft Lokaljournalismus anderswo? Das beschreiben
vier Redakteure aus vier Himmelsrichtungen –
aus Aachen, Aurich, Chemnitz und Mindelheim. Die Unterschiede
der Regionen sind gewaltig, aber die Sympathie der
Journalisten für die Regionen und ihre Menschen ist überall
gleich (Seiten 32-35).
5.: Unfallfotos, Fotos von Toten, Fotos von Kindern, Nennung
von Nationalitäten der Straftäter – in der Redaktion
gibt es jeden Tag schwierige Entscheidungen zu treffen. Wie
hätten Sie entschieden? Und warum haben wir es vielleicht
anders gemacht (Seiten 58 und 59)?
Und jetzt: Viel Freude beim Lesen und gute Entdeckungen!
Foto des Tages
Der Alltag
eines Reporters
Hand aufs Herz: Der Alltag
eines Lokalreporters bringt
ihn nie so nah an die Leser
wie in diesem Cartoon von
Mario Lars. „Welches Geschehen“
ist allerdings durchaus
eine Frage, die sich Berichterstatter
bei manchen Gelegenheiten
eher ratlos stellen.
Mehr von dem Zeichner gibt's
hier: www.farbfiguren.de.
Grafik: Mario Lars
Lesetipps
Gedichte, Nazis, Korrekturen: Leser schreiben, wir
antworten. Einblicke in unseren Alltag 9, 10
Könnte ein Reporter-Betrug wie der, der den „Spiegel“
erschüttert hat, auch lokal vorkommen? 11
Wer arbeitet, macht Fehler. Das ist manchmal zum
Haareraufen ärgerlich – und oft urkomisch 13
Nein, wir drucken nicht alles, was uns reingereicht
wird. Mit gutem Grund 15
Bloß nicht mit den Eliten kuscheln, mahnt im MT-Interview
Medienwissenschaftler Michael Haller 16
Ein Jahr, 200 Menschen: Der MT-Chefredakteur
und sein ambitioniertes Projekt 18, 19
„Aber das schreiben Sie jetzt nicht“: Wie Behörden
mit unangenehmen Fragen umgehen 20
„Über Kreuz“: Ob eine Kulturredakteurin Sport und
ein Sportredakteur Kultur kann? Wir haben's getestet 21,22
Zahlreiche bekannte Medienmacher sind in Minden
geboren und hier zur Schule gegangen. 30, 31
„Die Glocke“, „Der Patriot“: Wir haben uns auf
Namensforschung begeben 37
Zeitung ist nichts für Kinder? Von wegen.
Kinder-Uni und „MT Clever“ beweisen das Gegenteil 39
Print und Digital sind längst etablierte Kanäle für
aktuelle Nachrichten. Jetzt gibt's uns auch aufs Ohr 40
Jeder muss schon in der Schule lernen, wie Medien
funktionieren, fordert Bernhard Pörksen 41
Der eine ist Rentner und immer noch als Reporter
unterwegs. Der andere neu im Job. Zwei Gespräche. 42
Digitales und Print sind keine Gegensätze:
Christina d'Ilio über die Zukunft 46, 47
Gehören Kaninchenzüchter eigentlich noch in die
Zeitung? Dazu ein Pro und ein Contra 50
Termine, Ressorts, gute Fotos, Schreibtipps:
Was man so übers Artikelschreiben wissen sollte 50 bis 55
Was wollen Leser? Wenn die Antwort bloß so einfach
wäre. Allerdings gibt es dazu durchaus Erkenntnisse 56
Eine unserer lebhaftesten Rubriken ist das tägliche
Leserfoto. Eine kleine Auswahl eines großen Themas 57
Oft müssen Redaktionen schnell aktuelle Fotos
posten – oder auch nicht. Wie würden Sie entscheiden? 58, 59
Das MT verändert sich ständig. Ein neuer Aspekt
ist die Crowdrecherche. Ein Projektbeispiel 63