50 Mindener Tageblatt 100 Jahre MT Nr. 144 · Dienstag, 25. Juni 2019
Wie wichtig sind Schützen
und Kaninchenzüchter?
Die Debatte über Vereinsberichterstattung polarisiert Lokaljournalisten
seit Jahren wie kaum eine andere. Eine Patentlösung gibt es nicht.
Das Hobby der Kaninchenzucht hat eine lange Tradition – wie sollten Zeitungen
NeuwageN – gebrauchtwageN – Service
über dieses Thema berichten? Foto: Nestor Bachmann/dpa
WIR GRATULIEREN
UNSEREM PREMIUMPARTNER
PARTNER MINDENER
MINDENER
TAGEBLATT ZUM
100-JÄHRIGEN
JUBILÄUM!
Infos unter:
tickets oder telefonisch
unter 0571.30010
10 bis 13 Uhr 14 bis 17 TAGEBLATT ZUM
JÄHRIGEN
Infos
www.gwd-minden.de/
tickets oder telefonisch
unter 0571.30010
(Di., Do., Fr. 10 bis 13 Uhr |
Mi. 14 bis 17 Uhr)
EINMALIG. ECHT. VON HIER.
Minden (rad/lies). Der Vorsitzende
des Schützenvereins wurde auf der
Jahreshauptversammlung von den 30
anwesenden Mitgliedern im Amt bestätigt.
Auch sein Stellvertreter, die
beiden Kassierer und die Beisitzer. Im
Anschluss blickte die Versammlung
auf Höhepunkte aus dem Vorjahr zurück
und sprach über die Planung des
bevorstehenden Schützenfestes.
Gehören solche Texte in eine Tageszeitung?
Wie relevant sind die Informationen?
Die Debatte über Vereinsberichte
polarisiert Lokaljournalisten
seit Jahren. Komplett darauf
verzichten – das ist für kein Verlagshaus
eine Option. Die wichtigen Fragen
lauten: In welchem Umfang wird
berichtet? Wo beziehungsweise wann
erscheinen die Texte? Und auf welchen
Kanälen werden sie ausgespielt?
Eine Patentlösung gibt es nicht.
Die Medienzeitschrift „Drehscheibe“
greift das Thema immer wieder aus
unterschiedlichen Perspektiven auf.
Wanderungen, Seniorenausflüge
oder Sportfeste: Die Rhein-Zeitung
aus Koblenz veröffentlicht auf ihrer
Internetseite unter dem Titel „Wir von
hier“ von Vereinen eingereichte Texte
und Fotos. Während diese für die
Zeitung unter hohem Zeitaufwand
hätten gekürzt werden müssen und
anschließend oft für Vereinsvertreter
wichtige Passagen fehlten, erscheinen
sie nun online „weitgehend unangetastet“.
Die Folge: Der Verein sei
happy, ebenso die Redakteure. Denn
sie hätten mehr Zeit, sich den eigentlichen
journalistischen Themen zu
widmen, für die sie bezahlt würden.
Um Kapazitäten für gute Geschichten
zu haben, muss man Sachen weglassen
– diese Meinung vertritt die
Mindelheimer Zeitung in Bayern. Die
Redaktion schrieb 2016 mehrere Hundert
Vereine in ihrem Verbreitungsgebiet
an und fragte nach besonderen
Geschichten und Ansprechpartnern,
zum Beispiel die jüngste Kaninchenzüchterin.
Man wolle mit den
Vereinen stärker ins Gespräch kommen
und herausfinden, was ihnen
wichtig ist, äußerte sich Redaktionsleiter
Johann Stoll in der „Drehscheibe“.
Aus diesen Rückmeldungen sollen
spannende Geschichten entstehen,
die möglichst viele Leser interessieren.
Bei der Lüneburger Landeszeitung
finden typische Vereinsberichte komprimiert
auf einer Seite statt. Meist
einmal die Woche, man wolle das Format
aber noch stärker nutzen, erklärt
Chefredakteur Marc Rath. Dafür
habe man ein eigenes Layoutmodell
entwickelt, das die Berichte samt
Foto klein, aber attraktiv darstellt.
Die Westfälischen Nachrichten im
Münsterland besuchen laut „Drehscheibe“
nur noch wenige Versammlungen.
Stattdessen veranstaltet die
Lokalredaktion Workshops für Vereine
und tritt in engeren Kontakt. Die
Seminare sollen zeigen, wie aus ihren
Informationen lesenswerte Berichte
entstehen.
Contra
Klein und
extra, bitte
V o n T h o m a s L i e s k e
Eine Tageszeitung bildet das Leben
in ihrem Verbreitungsgebiet
ab. Keine Frage: Die Vereine
in den Orten gehören dazu und
prägen das Leben ungemein.
Unzählige Vereine gibt es sogar,
und jeder hat seine Berechtigung.
Auch in der Zeitung. Allerdings
klein, kompakt – ja am
besten sogar zusammengefasst
auf einer Seite.
Was der Schützenverein xy
macht, dürfte sicherlich die Mitglieder
interessieren, vielleicht
noch den einen oder anderen
aus dem selben Dorf. Dann ist
aber auch schon Schluss. Bei
Themen wie Verkehr, Schule,
Geld oder etwa Müll sieht das
schon ganz anders aus. Denn
diese Themen interessieren
auch Leserinnen und Leser fernab
von Vereinssatzungen,
Marschkommandos und Zuchtrichtlinien.
Sie betreffen jeden.
Das Vereinsleben nimmt für die
Mitglieder einen großen Stellenwert
ein. Die Zeitung bildet aber
mehr ab als dieses Leben. Deshalb
ist die Gewichtung im Sinne
aller Leser entscheidend.
Jede Woche eine gesonderte
Vereinsseite, das hat auch
etwas Charmantes. Die, die es
interessiert, finden alles auf
einen Blick. Die, die es nicht interessiert,
können die Seite lässig
überblättern und müssen
sich nicht auf jeder einzelnen
Lokalseite von Neuem darüber
ärgern.
Pro
Platz in der
Zeitung
V o n S e b a s t i a n
R a d e r m a c h e r
Vereine haben vor allem in ländlichen
Regionen einen hohen
Stellenwert. Sie sind Treffpunkte
für Menschen, fördern das Zusammenleben
– und sorgen einfach
dafür, dass man sich in seinem
Umfeld wohl und heimisch
fühlt. Deshalb müssen sie auch
in Tageszeitungen mit ihren Anliegen,
Projekten und Problemen
berücksichtigt werden.
Zeitungsleser haben feste Punkte
im Blatt, an denen sie wichtige
Informationen erwarten – etwa
auf den Seiten für Minden, Porta
Westfalica, Petershagen oder Hille.
Dazu gehören natürlich nicht
nur, aber auch Berichte über die
heimischen Vereine. Macht es
Sinn, sämtliche Texte über Versammlungen,
Ausflüge und
Spielfeste in einer Beilage zu
bündeln oder ins Internet auszulagern?
Beides ist schwierig.
Denn viele Vereinsanhänger sind
traditionsbewusst und ziehen
die gedruckte Zeitung dem Klicken
im Netz vor. In einer Beilage
geht der Ortsbezug verloren,
der Leser wird von der Masse der
für ihn uninteressanten Berichte
erschlagen und verliert das Interesse.
Vereinsberichte müssen also
einen Platz in der Zeitung haben:
auf den Seiten ihrer Stadt, in gebündelter
Form und klar gekennzeichnet.
Zum Beispiel auf
regelmäßig erscheinenden Sonderseiten.