Pausen, dem Miteinander im Kreis der Familie
und Freunden und viel Lachen. Sie sehen ihr Leben
in Gottes Händen geborgen. Gelassen wirken
sie, auch die Jungen. Stress ist nicht willkommen.
Man hat ja genug zu tun. Forscher
fanden heraus, dass bei den Leuten von Nicoya
die Enden der Chromosomen, sogenannte „Telomere“,
länger sind als bei den übrigen Costa
Ricanern. Telomere verkürzen sich im Laufe
des Lebens. Stress beschleunigt diesen Prozess
und erhöht das Krebsrisiko. Weniger Stress,
längere Telomere – und wahrscheinlich ein längeres
Leben.
Regen setzt ein, im Haus von Pachitos Sohn
Alexis, der die Geburtstagsfeier ausrichtet, singen
sie gegen prasselnde Tropfen an. Der Jubilar
schaut einen Moment lang ernst. „Der Mensch
nimmt heute von der Erde, aber gibt nichts zurück,
die Erde ist nicht mehr die gleiche. Die
Erde ist müde!“ Danach bittet er seine Enkelin
Melissa, 42, zum Tanz.
Eine Frage drängt sich auf: Wie sehr bestimmen
unsere Gene die Länge unseres Lebens?
Gene an sich hätten zwar einen Effekt auf
die Lebenserwartung, aber einen überschätzten,
die Wissenschaft vermute ihn zwischen 15
und 30 Prozent, fasst Graham Ruby von der Biotechfirma
Galico zusammen. Lebensbedingungen
haben großen Einfluss auf ihre Wirkung, in
Form von Stress, Bildung, Hygiene oder Medikamentenkonsum.
Es liegt also einiges an uns
selbst, vorbestimmt ist weniges. Der Mensch
kann, wie das Sprichwort sagt, sein Schicksal
in die eigene Hand nehmen und es formen.
Er hat Einfluss. „Man kann Mercedes-Gene haben“,
sagte Bradley Willcox vom Pacific Health
Research Institute in Honolulu dem Magazin
„Time“, „aber ohne Ölwechsel wird man nicht
länger leben als ein Ford Escort, der gut gepflegt
wird.“
DIE EWIGEN
Sardinien, Italien
Insgesamt 3000 Fälle von
über Hundertjährigen haben
Forscher hier dokumentiert.
„Wenn es ein Geheimnis gibt,
dann liegt es darin, in allem
das richtige Maß zu finden.“
Was den Ölwechsel angeht, war Giulio Podda
ein Experte. Als wir ihn vor vier Jahren das erste
Mal in San Sperate besuchten, einem 8000-Seelen
Dorf auf Sardinien, holte er erst einmal
selbst gemachten Zitronenlikör hervor. Davor
hatte er seine Schuhe geflickt und geputzt und
für einen Nachbarn einen Schilfzaun geflochten.
Grad war er 100 Jahre alt geworden und prostete
uns zu.
Er legte einen Scheit Eukalyptus in den Kamin.
Nach dem dritten Likör sinnierte er, was
ihn fit hält. „Vielleicht ist es die gute Luft?“ Aber
nein. „Es ist die Arbeit. Einfach immer arbeiten
und sich nicht dabei stressen.“ Mit zehn hatte
ihn der Vater als Schafhirten in die Berge geschickt.
Er pflückte Oliven, verkaufte Tabak und
später Früchte. Schließlich arbeitete er im Straßenbau,
„immer an der frischen Luft“.
Heute können wir ihn nicht erreichen. Er
liegt im Krankenhaus, nichts Dramatisches, nur
für ein paar Tage, aber das Fahrrad haben die
Söhne ihrem Vater weggenommen. „Noch hat
er Lebenswillen“, sagt sein Freund Ivo Pirisi am
Telefon. „Aber er redet weniger, baut ab, auch
kognitiv.“ Irgendwann sei es halt Zeit. Wir warten
ab, dann ein Anruf: Giulio Podda schaffte es
nicht mehr. Im Alter von 105 Jahren, nach einem
so aktiven Leben, ist er gestorben.
Ivo Pirisi, 44, ist Biologe und Fotograf und
begleitet seit Jahren mehrere „Superalte“ Sardiniens,
die man auch „Insel der Hundertjährigen“
nennt. Er spürt ihrem Lebenswandel nach, ihren
Ess- und Trinkgewohnheiten. „Wenn es ein Ge-
Auch die Olivenbäume
werden in Sardinien oft
sehr alt.
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