Abrechnungstöpfe für Behandlungen
im Spital und zuhause. Wir mussten
verschiedenste Zulassungen beantragen
und mit allen Gemeinden in unserem
Tätigkeitsgebiet Verträge aushandeln.
Was ist Ihre eigene Rolle bei
„Palliative Care“?
Manchmal fühle ich mich eher als
Netzwerker denn als Arzt. Ich verbinde
Patient, Hausarzt, ambulante Pflege
und Angehörige, gemeinsam knüpfen
wir ein Betreuungsnetz. Medikamente,
einkaufen, waschen, sitzwachen – gut
koordiniert.
Aber immer mehr Menschen
leben in Single-Haushalten, in vielen
Großstädten bereits die Hälfte.
Umso wichtiger sind diese Sicherheitsnetze.
Sie können auch aus Nachbarn
oder Freunden bestehen. Deren Bereitschaft
zu helfen ist hoch. Bei einer repräsentativen
Umfrage gaben 75 Prozent
der Schweizer an, einen halben Tag pro
Woche einen Menschen, der nahesteht,
im letzten Lebensmonat zu betreuen.
Gibt es Hürden, diese Unterstützung
auch wirklich zu erbitten?
Ja, das erleben wir häufig. Wenn ein
Patient sich davor scheut, braucht
es einen Initiator, der andere anspricht.
Oft bin ich das selbst. Eine schwerkranke
93-Jährige, die in einem Mietshaus
lebte, hatte zwar Sohn und Tochter, doch
die waren voll berufstätig. Sie fühlten
sich überfordert. Ich ging von Wohnung
zu Wohnung und fragte Nachbarn, ob
sie bereit wären zu helfen. Drei von
fünf erklärten sich sofort bereit, einzukaufen
oder mal am Bett der Kranken
zu wachen. Menschen sind grundsätzlich
hilfsbereiter, als man denkt.
Müssen auch Ihre Kollegen
umdenken?
Ärzte sind darauf eingeschworen, das
Leben zu verlängern. Sie glauben zu
wissen, dass jeder Patient darauf aus ist,
so lange wie möglich zu leben. Doch bei
vielen Schwerkranken ist das anders.
Wenn man sie fragt, überraschen sie oft
damit: Ich möchte lieber bald gehen.
Doch viele Ärzte stellen die Frage
nicht, sie sind für solche Gespräche
nicht geschult.
Sind Sterben und Tod immer noch
gesellschaftliche Tabus?
Nein. Das Interesse wächst. Doch meist
beschäftigen sich Menschen erst dann
damit, wenn sie persönlich oder als
Angehörige betroffen sind. Anders
als bei chronischen Krankheiten erlischt
das Interesse schnell wieder. Deshalb
gibt es auch keine starke Lobby für
die neuen Formen der Sterbebegleitung,
wie wir sie anbieten.
Sollten sich junge Menschen
schon mit ihrer Vergänglichkeit
auseinandersetzen?
Unbedingt. Einmal weil keiner von
uns weiß, wann ihm die Stunde schlägt.
Aber auch deshalb, weil wir das Leben
verpassen, wenn wir den Tod verdrängen.
Viele glauben, sie könnten
das Leben nur dann unbeschwert
genießen, wenn sie nicht ans
Ende denken …
FÖRDERT GEMEINNÜTZIGE PROJEKTE
IN DEN BEREICHEN
Soziales, Kultur und Wissenschaft
www.diewiedekingstiftung.de