EDITORIAL
Vor nicht langer Zeit sind
unsere beiden Töchter ausgezogen:
Abschiedsschmerz
auf Elternseite, Aufbruchsstimmung
bei den Mädchen.
Ich habe mich gefragt, ob
ich gern an ihrer Stelle wäre,
noch mal jung sein und von
vorne anfangen möchte.
Nein, lieber nicht.
Ich mag mein Alter.
Die Statistik verspricht mir,
noch rund 30 Jahre zu leben
und meine Glückskurve
verläuft nach oben. Ihr
Tiefpunkt liegt um die Mitte
Vierzig – über den bin ich
längst hinweg (Seite 6). Es
gibt noch mehr Erhebungen,
die Anlass für Gelassenheit
bieten: Eine Studie der
Harvard Universität besagt,
dass sich junge Männer überwiegend
Geld und Erfolg erhoffen.
Auch Ältere schätzen
Komfort, aber glücklich machen
sie vor allem Beziehungen.
Zum Partner, zu den
Kindern, Enkeln, Freunden
und Nachbarn. Die vielleicht
beste Investition ins Alter.
Jeder möchte älter werden,
doch keiner will es sein.
Der Gedanke an Demenz,
Einsamkeit und Armut
erzeugt Angst. Wir wollen
auch in der vierten Ausgabe
des MUT Magazins nicht nur
Probleme beschreiben, sondern
auch Antworten geben,
die Mut machen. Tatsächlich
können sich die meisten von
uns auf ein langes Leben
bei geistiger Gesundheit
freuen. Vor allem wenn man
in einer „Blauen Zone“ lebt,
wie Wissenschaftler die Orte
nennen, an denen ungewöhnlich
viele Menschen
Dieses Magazin
darf es eigentlich
nicht geben: Im
Zeitalter des
Internets setzen
wir auf gedrucktes
Papier, bei sinkenden
Auflagen
steigern wir unsere.
Das Interesse
an MUT zeigt ein
Bedürfnis nach
Orientierung: Was
läuft schief, wie
geht’s besser?
Wir sind freie
Autoren und Fotografen,
die bei
Recherchen
niemandem
verpflichtet sind,
außer unserer
Neugierde und
den Lesern
der neun Tageszeitungen,
die
MUT beilegen.
hundert Jahre und älter
werden. Okinawa in Japan,
San Sperate in Sardinien und
Nicoya in Costa Rica gehören
dazu (Seite 10). Dort gibt es
kaum Alterskrankheiten wie
Demenz oder Herzschwäche.
Unsere Reporterteams
besuchten die Orte und
erlebten, dass es einfache
Dinge sind, die das Leben
verlängern: beweglich
bleiben, in Maßen essen und
trinken – vor allem aber geborgen
sein.
Auch neue Wohngemeinschaften
unterstützen
Gemeinsamkeit: Häuser
und Siedlungen, in denen
mehrere Generationen unter
einem Dach leben. Die Vaubanaise
in Freiburg ist eine
davon (Seite 52). Ein Mehrgenerationenhaus
in mini
haben auch wir zu bieten:
Erdmann Wingert, der Textchef
dieses Magazins, wohnt
seit zehn Jahren bei uns,
freut sich, wenn Kindergetrappel
und Gitarrenklänge
im ersten Stock vom Leben
in der Bude zeugen, hat
unserem Sohn das Schachspielen
beigebracht und
unsere Töchter vorm Abi in
Zeitgeschichte abgefragt, die
er zum Teil selbst erlebt hat,
denn er ist 82 Jahre alt.
Die Menschen, denen
wir im Laufe der Recherchen
begegnet sind, stehen mitten
im Leben – egal in welchem
Alter sie sind.
Uschi Entenmann,
Chefredakteurin
Aktiv bleiben,
eingebettet in die
Familie und
abends ein Glas
Wein mit Freunden
– das verspricht
ein hohes
Alter, lernte Uschi
Entenmann.
Immer auf dem
Sprung: Unser
Titelheld und Reporter
Heiko Gebhardt,
77, schreibt
noch jeden Tag,
auch für MUT.
Lassen Sie
uns gemeinsam
älter werden.
Das MUTMagazin
„Afrika anders“
wird am 29.
Oktober 2019 von
der Universität
Bayreuth mit
einem „BIGSAS
Journalist Award“
für exzellente
AfrikaBerichterstattung
ausgezeichnet.
Fotos: Rainer Kwiotek, Michael Korte, Uli Reinhardt
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