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Journalismus und Öffentlichkeit miteinander ins Gespräch bringen

Veranstaltungsreihe „Mindener Mediengespräche“ erfolgreich gestartet

Diskutierten gemeinsam und mit dem Publikum im Kleinen Theater am Weingarten: MT-Lokalleiter Henning Wandel (von links), MT-Ombudsmann Matthias Kalle und VHS-Direktor Marco Düsterwald. MT-Foto: Alex Lehn

Diskutierten gemeinsam und mit dem Publikum im Kleinen Theater am Weingarten: MT-Lokalleiter Henning Wandel (von links), MT-Ombudsmann Matthias Kalle und VHS-Direktor Marco Düsterwald. MT-Foto: Alex Lehn

Passend zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai starteten die „Mindener Mediengespräche“. Als Beitrag zur Medienkompetenzförderung holen Mindener Tageblatt und Volkshochschule vier Mal im Jahr Persönlichkeiten aus dem Journalismus zum öffentlichen Gespräch in die Stadt.
Matthias Kalle, Medien-Ombudsmann des Mindener Tageblatts, zitierte zu Beginn des ersten „Mindener Mediengesprächs“ im Kleinen Theater am Weingarten den Schriftsteller George Saunders. Der hatte eine Reportage mit dem Satz begonnen „Donald Trump trägt eine rote Mütze oder auch nicht.“ Auf diese Weise zeige der Text, dass sich auch ein Reporter seiner Wahrnehmung nicht immer sicher sein dürfe. Das aber passiere im Journalismus zwar zunehmend, aber noch zu selten, ist Kalle überzeugt. Wirklichkeit abzubilden, die ja ohnehin jeder anders wahrnehme, sei „gar nicht so leicht“. Deshalb sollte es aus Sicht des früheren Zeit-Journalisten dazugehören, die Grenzen dessen, was Journalismus kann, transparent zu benennen.
Damit war ein handfester Konflikt beschrieben, der die Zuhörer zum Mitwirken und Mitdenken einlud. Und es brachten sich auf Einladung von Volkshochschule und Mindener Tageblatt dann auch tatsächlich viele der rund 60 Besucher ein. Einer merkte an, dass es so etwas wie Neutralität ja ohnehin nicht geben könne. Jemand anderes warf später ein, dass es aber schon wichtig sei, einen nüchternen Informationsstand und nicht nur die Weltsicht des Schreibenden geliefert zu bekommen.
Dieses Konfliktfeld kennt MT-Lokalleiter Henning Wandel aus seiner täglichen Arbeit gut. Das drücke sich auch dadurch aus, dass Leser versuchen, auf Basis von Texten die politische Präferenz des Autors zu ergründen. „Ich soll quasi schon in jeder Partei gewesen sein“, berichtete Wandel mit einem Augenzwinkern. Tatsächlich sei er natürlich in keiner, denn das würde sich mit dem überparteilichen Anspruch nicht decken. Er wolle und dürfe keine eigene Agenda haben. Das zeigte: Einerseits bemühen sich Journalisten vielleicht nicht immer ausreichend um eine möglichst nüchterne Beschreibung. Andererseits lesen Menschen in Texte aber auch Dinge hinein, die dort gar nicht stehen.
Es waren Spannungsfelder wie diese, um die die Auftaktveranstaltung der „Mindener Mediengespräche“ kreiste. Drei weitere werden in diesem Jahr noch folgen (siehe Infokasten). VHS-Direktor Marco Düsterwald und MT-Chefredakteur Benjamin Piel entwickelten das Format, um einen Beitrag zur Medienkompetenzförderung zu leisten. Sinkende Medienkompetenz, erläutert Piel, sei etwas, dass ihm Bauchschmerzen bereite. „Denn wir alle sind zu Journalisten geworden, aber wir verhalten uns nicht wie welche. Soll heißen: Fast alle Menschen veröffentlichen den ganzen Tag Inhalte, Thesen, Behauptungen. Aber oft wird nicht ausreichend geprüft, was man da so alles bei Whats-App, Facebook und Twitter weiterleitet und teilt.“ Desinformationen, führt der MT-Chefredakteur weiter aus, hätten so ein leichtes Spiel. Dieses Problem könne man zwar nicht von Minden aus lösen, jedoch einen Beitrag dazu leisten.
VHS-Direktor Marco Düsterwald hebt die wichtige Rolle der Volkshochschulen bei der Förderung von Medienkompetenz hervor. Er verstehe sie als Orte des Lernens, des Austausches, des Diskurses und der Demokratie – ideal also, um im gegenseitigen Miteinander auch kontroverse Themen anzugehen und Erkenntnisse zu gewinnen. Düsterwald unterstreicht zudem die Vielschichtigkeit des Schlagwortes „Medienkompetenz“. „Dahinter verbergen sich die Kategorien: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung“, erläutert er.

„Menschen für Medienkompetenz begeistern“

„Die Mediennutzung ist breit angelegt. Nahezu jede und jeder nutzt Medien zur Information und Unterhaltung. Wenn es aber darum geht, Medienkunde zu zeigen, etwa durch die Überprüfung von Quellen, wird es deutlich schwieriger. Bei der wachsenden Flut an Informationen braucht es ein erhöhtes Maß an Kompetenz, diese einordnen zu können. Hier sehe ich noch viel aufklärende Arbeit vor uns: Von den Schulen über die VHS bis hin zur Tageszeitung.“
Benjamin Piel sieht es als besondere Herausforderung, Menschen für das Thema Medienkompetenz zu begeistern. „Das klingt nach viel Theorie und nach etwas, das mit dem eigenen Leben nicht viel zu tun hat“, sagte er. „In Wirklichkeit ist es allerdings ganz anders. Denn wenn wir nicht sehr genau prüfen, welche Inhalte wir weiterverbreiten, machen wir uns zu Mittätern von Despoten und anderen Menschen, die schlechte Absichten haben. Das Thema hat also sehr viel mit uns und unserer Verantwortung zu tun“, unterstreicht der MT-Chefredakteur.
Um einen weniger theoretischen, sondern persönlichen Zugang zur Medienkompetenz zu eröffnen, wählen die „Mindener Mediengespräche“ den Weg über bekannte Gesichter und spannende Persönlichkeiten. „Auf diese Weise“, erläutert Piel, „können wir am besten vermitteln, wie Journalisten arbeiten, vor allem aber – so wie bei der Auftaktveranstaltung am 3. Mai – Öffentlichkeit und Journalismus miteinander ins Gespräch bringen.“

 

Fortsetzung folgt

Die Volkshochschule und das Mindener Tageblatt starteten die „Mindener Mediengespräche“. Vier Mal im Jahr holen sie journalistische Persönlichkeiten in die Stadt und bringen sie mit der Öffentlichkeit ins Gespräch. Die Veranstaltungen finden von 19 bis 22 Uhr im VHS-Gebäude „Kleines Theater am Weingarten“, 1. Etage, statt. Der Eintritt ist frei.

Die nächsten Termine:

  • 16. August: Tagesthemen-Chefredakteur und -Moderator Helge Fuhst berichtet, wie die Tagesthemen ihre Nachrichten auswählen und gewichten.
  • 19. Oktober: Aus seinem neuesten Buch „Afrika! Rückblicke in die Zukunft eines Kontinents“ liest Bartholomäus Grill, der frühere Afrika-Korrespondent von Spiegel und Zeit.
  • 22. November: Der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Michael Haller ist zu Gast in Minden. Er berichtet über seine Forschung, in der er die Arbeit von Journalisten immer wieder kritisch beleuchtet. Zuletzt hatte er mit einer Untersuchung zur Corona-Berichterstattung Aufsehen erregt.

Fotografieren von Kommunalpolitikern nur auf eigene Gefahr

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Der Mindener Stadtrat tagt. Darf man ihn dabei fotografieren? Foto: Manfred Otto

Mit einer Grundsatzerklärung eröffnete Bürgermeister Michael Buhre die Ratssitzung am Donnerstag: Fotografieren nur auf eigene Gefahr.

Die Ansage kam nicht aus heiterem Himmel. Ein Bürger hatte in Ausschusssitzungen zuvor Politiker und Präsentationen abgelichtet – und in der Art, wie das geschehen sei, so Buhre, punktuell das kontinuierliche Arbeiten des Gremiums gefährdet. “Im Hauptausschuss gab es Ereignisse, die geeignet waren, den Sitzungsverlauf zu unterbrechen.”

Und so gab es jetzt eine kurze Belehrung über das Recht am eigenen Bild. Wer Fotos aus dem Ratsrund veröffentliche, so Buhre, tue das auf die Gefahr hin, dass einer der Abgebildeten genau dieses Recht einklage. Denn nur Personen der Zeitgeschichte müssten erdulden, überall und zu jeder Zeit zum Zweck der Veröffentlichung fotografiert zu werden.

Buhre sagte wörtlich: “Wir freuen uns, wenn es Zuhörer in Sitzungen gibt und die kommunalpolitische Arbeit durch die Medien begleitet wird. Mehrfach hat es aber jetzt den Hinweis gegeben, dass Fotografieren grundsätzlich erlaubt ist, die Veröffentlichung aber nur mit Zustimmung derjenigen möglich ist, die abgebildet sind.” Fotografieren also auf eigene Gefahr: “Wer hier Bilder macht und veröffentlicht, begibt sich in das Risiko einer ungeklärten rechtlichen Situation und geht das Risiko einer Zivilklage ein: Jeder der Abgebildeten kann auf Unterlassung klagen.”

Die Medien hat Buhre damit übrigens nicht gemeint. Medien haben den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Berichterstattung und Pressefreiheit. Das bedeutet unter anderem, sie sollen Informationen und Meinungen unzensiert veröffentlichen und ihre Tätigkeit ungehindert ausüben.

Dennoch: Auch hier muss das Recht der auf Fotos abgebildeten Personen geschützt sein, beurteilen Anwälte die Sachlage. Also: Fotos aus kommunalpolitischen Gremien sollen keine Einzelpersonen in den Fokus rücken. Das Gesamtgremium bei der Arbeit zu zeigen, ist hingegen kein Problem – für Medien. Bürger hingegen können sich darauf nicht berufen.

Kommentar: Bitte recht unfreundlich

Fotos von Menschen, die stundenlang debattieren, braucht keiner. Aber die Chance, die Stadt-Politik bei der Ausübung ihres Amtes im Bild zu zeigen, muss da sein. Wozu, wenn nicht dazu, ist Presse da? Medien stellen Öffentlichkeit her und begleiten die demokratisch gewählten Gremien bei der Ausübung ihrer Ehrenämter kritisch. Wenn ein Ratsmitglied nicht aufs Foto will, ist das nicht nur seine Sache. Er sitzt dort auch als gewählter Vertreter seines Ortsteils: Transparenz ist da Pflicht.

Autorin: Monika Jäger