Durchgeblättert: Fehlentscheidungen

Eine Redaktion trifft täglich hunderte Entscheidungen. Was als attraktiven ersten Satz auswählen? Welche Überschrift lädt ein, ohne zu reißerisch zu sein? Welches Foto ist das beste? Oft finden wir darauf gute Antworten – manchmal aber auch nicht, wie wir anschließend feststellen. Beim Thema Foto habe ich am Freitagabend eine falsche Entscheidung getroffen. Wir wollten die Aufarbeitung des tödlichen Unfalls auf der Werftstraße im Zusammenhang mit einem mutmaßlich nicht ausreichend gesicherten Kabelschacht ankündigen. Auf dem Foto waren – klein zwar – Flecken auf dem Asphalt zu sehen. Kurz sprachen wir darüber, aber ich glaubte, es müsse Öl sein. Tatsächlich stellte sich heraus: Es war Blut des Verunglückten. Das hätten wir aus Rücksicht auf Angehörige und weil es nicht unserem Selbstverständnis entspricht, nicht zeigen wollen. Wir hätten das Foto beschneiden sollen. Eine Fehlentscheidung. Online lässt sich das ändern (was wir auch taten) – aber gedruckt ist gedruckt.

Einen Tag zuvor ist am Freitag ein Symbolfoto erschienen, das im Nachhinein betrachtet ebenfalls problematisch gewesen ist. Da stand ein Mann in einer Gefängniszelle. Es war Teil einer Reportage über jemanden, der nach langem Kampf aus den Wirren des Alkoholmissbrauchs gefunden hatte. Der Protagonist des Artikels ist weiß, der Mann auf dem Foto hat schwarze Haut (was erst auf den zweiten Blick zu sehen war, weil es auch Schatten hätte sein können). Eher selten schwarze Menschen zu zeigen, aber dann ausgerechnet im negativen Kontext – auch das war unglücklich. Fehlentscheidungen tun weh, aber sie helfen bestenfalls, es beim nächsten Mal besser zu machen. Und sie gehören nicht unter den Teppich, sondern auf den Tisch.