“So etwas will ich nicht lesen”: Fundamentalkritik am MT-Jahresrückblick

Auf wenig Gegenliebe stieß der MT-Jahresrückblick 2012 beim langjährigen Leser Wilhelm Krückemeier. Ausführlich teilte er der Redaktion seinen Unmut mit. Wegen des grundsätzlichen Charakters der Kritik veröffentlichen wir die Mail an dieser Stelle (selbstverständlich mit Einverständnis des Verfassers) und sind gespannt auf weitere Leser-Reaktionen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Jahrzehnten bin ich Leser des Mindener Tageblattes und freue mich alljährlich zu Weihnachten auf den Jahresrückblick, in welchem die weltpolitischen, aber auch die lokalen Ereignisse von Bedeutung noch einmal in Erinnerung gerufen werden.  Leider bin ich in diesem Jahr sehr enttäuscht über Auswahl und Gestaltung der Themen.

Die Titelseite des MT-Jahresrückblicks. Repro: MT

Zunächst fällt die sehr eigenartige Strukturierung des Aufbaus auf, die in Nachrichten, Lokales, Sport und Lokalsport gegliedert ist. Sind nicht alles Nachrichten? Wo ist die Kultur?

Ein chronologischer Aufbau, der sich in einem Jahresrückblick geradezu anbietet, wird nur in der schmalen linken Randspalte erkennbar. In den auf den Seiten verstreuten Nachrichten wird leider kein Sinnzusammenhang klar. Scheinbar wurden wahllos Meldungen von unbedarften Redaktionsmitarbeitern aufbereitet. In dieser Fülle der Ramschnachrichten finde ich meine Zeitung nicht wieder. So etwas will ich nicht lesen.

Da werden Nichtigkeiten zu Ereignissen von Bedeutung gemacht, aber dafür bleiben Meldungen, die für die Menschen im hiesigen Raum bedeutsam sind , völlig unerwähnt. Die Trennung von Heidi Klum ist für einen MT-Redakteur offenbar ebenso bedeutsam wie der Rücktritt des Ex-Bundespräsidenten. Die Staatsschuldenkrise wird kaum erwähnt, daffür ist der Tod von Dirk Bach scheinbar ein riesiger Kulturverlust. Dreimal wird eine Krebserkrankung eines Menschen vom persönlichen Schicksal zum Ereignis von öffentlichem Interesse gemacht.  Auch wenn der Bericht seinerzeit zu großer Bereitschaft zur Knochenmarkspende geführt hat, lässt die Erwähnung in einem Jahresrückblick Diskretion vermissen. (Dies sage ich bewusst als Betroffener, der selbst ein Kind durch diese Krankheit verloren hat.)

Ein Jahresrückblick sollte Hinweise auf die Bemühungen um die Innenstadtgestaltung enthalten, die für vielen  Mitbürgern ein Anliegen und daher Anlass zur Mitgestaltung ist. Die baulichen Veränderungen sind scheinbar unwichtig. Dafür wird gemeldet, dass Müllwerker eine Katze gerettet haben. Maßnahmen gegen Rechtsradikalismus und NSU-Morde haben im MT  offenbar nicht stattgefunden.  Dafür werden Lappalien erwähnt. Auf fast allen Seiten wird Seichtes aus der Regenbogenpresse präsentiert.  Der 60. Geburtstag eines Handballmanagers bekommt die gleiche Bedeutung wie das Thronjubiläum der Queen. Beim MT wird da kaum ein Unterschied gemacht. Die Welt ist ein Ponyhof.

Ein Ärgernis ist für mich die Überbewertung des Sports in der Berichterstattung. Ein Drittel des Heftumfangs wird dieser Nebensache gewidmet. Es ist unglaublich! So wichtig, wie im MT dargestellt, sind die Tore und Treffer der Ballwerfer und –treter nicht. Selbst wenn behauptet wird, dass von den hiesigen Handballbundesligisten eine Strahlkraft ausgeht, so behaupte ich, dass in erster Linie die Manager und Macher dieser Sportfirmen erleuchtet werden.

Warum macht sich die Presse zum Knecht der Sportkonzerne? Diese Art von Förderung des passiven Sports muss nicht noch medial in dieser bevorzugten Weise erfolgen.

Man wird mir nun erwidern, dass viele Leser an Nachrichten dieser Art interessiert seien und sich gern in den Meldungen wiederfinden möchten. Dem müsse die Redaktion Rechnung tragen. Das ist Unsinn. Der Sinkflug der Printmedien wird sich nicht durch Anbiederung an die Leser, sondern allenfalls durch Qualitätssteigerung aufhalten lassen. Der Leser möchte Neues erfahren, um Hintergründe wissen, intellektuell gefordert werden. Das Wochenblatt „Die Zeit“ ist dafür bestes Beispiel. Als einziges Printmedium konnte sie im letzten Jahr sogar die Auflage steigern, obwohl sie keinen Sportteil enthält.

Eine Lokalzeitung ist ein Wirtschaftsunternehmen, das dem Verbraucher Nachrichten verkauft. Aber im Gegensatz zum Obststand auf dem Wochenmarkt hat das MT als Monopolist auch die Pflicht und Verantwortung zu gewissenhafter Information der Leser und einen gesellschaftspolitischen Auftrag, den ich hiermit einfordere.

So besehen ist der Jahresrückblick kein Ruhmesblatt für Redaktion und Verlag.

Mein Exemplar ist bereits in der Papiertonne entsorgt. Schade.

 

Dennoch wünsche ich Ihnen für das kommende Jahr alles Gute und journalistische Weitsicht, damit ich wieder täglich eine gute Zeitung und hoffentlich einen besseren Jachresrückblick 2013 lesen kann.

 

Mit freundlichem Gruß

Wilhelm Krückemeier

Die Antwort von Chefredakteur Christoph Pepper finden Sie hier

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