Früherer MT-Volontär Hans-Georg Gottfried Dittmann 
bekommt den Theodor-Wolff-Preis

Großer Erfolg für die Redaktion des Mindener Tageblatts: Der frühere MT-Volontär Hans-Georg Gottfried Dittmann erhält in diesem Jahr den Theodor-Wolff-Preis. Damit zeichnet der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) seinen Kommentar „Rückruf“ aus, der am 16. Januar 2019 im MT und auf MT.de erschienen war. Die Jury würdigt in der Kategorie „Meinung lokal“ einen der „kürzesten Texte, die je für den Preis nominiert gewesen“ sind.

In dem Beitrag hatte Dittmann das Dilemma junger Menschen beschrieben, die einerseits beruflich möglichst flexibel und vielerorts einsetzbar sein sollen. Andererseits aber vielfach fehlen, wenn es um die Stärkung ländlicher Gebiete geht. Der Autor habe sich „als Intervention originell und auf den Punkt“ Gedanken gemacht über Dörfer und die Alten, die vereinsamt zurückbleiben, wenn die Jungen in die Stadt fortziehen. Der Wolff-Preis ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen für Journalisten in Deutschland. An der Ausschreibung hatten sich 401 Medienschaffende beteiligt. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert. Wegen der Corona-Krise findet die Preisverleihung in Berlin im September im kleinen Kreis statt.

Die weiteren Preisträger sind: Julia Schaaf (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in der Kategorie „Meinung überregional“), Katja Füchsel (Tagesspiegel/„Reportage lokal“), Tina Kaiser (Welt am Sonntag/„Reportage lokal“) und Katrin Langhans (Süddeutsche Zeitung).

Rückruf

Thema: Rettet das Dorf

Hans-Georg Gottfried Dittmann

Sie rufen uns zurück. Unsere Eltern, unsere Nachbarn wollen, dass wir nach Hause zurückkehren. Rettet das Dorf! Das klang in unserer Schulzeit und auch Jahre danach noch anders. Angefangen hat es mit dem Mantra, das die Elterngeneration fast wöchentlich in unsere Richtung feuerte: „Du musst flexibel sein. Wenn du einen Job angeboten bekommst, musst du dorthin ziehen.“ Sie meinten es nur gut.

In der zehnten Klasse hieß es dann, wir sollten doch ein Austauschjahr machen. Ab in die USA, ab nach Frankreich. Lasst eure Freunde, euren Handballverein zurück, lernt eine neue Sprache, ein neues Land kennen. Entwurzelt und mit einem wirren Gefühl von Heimat kam meine Generation nach Hause zurück und machte ihren Schulabschluss wie in Trance. Meistens nicht so gut.

Zum Studium zogen wir weg. Sternförmiges Ausschwärmen – deutschlandweit, europaweit oder noch weiter weg. Mindestens ein Auslandssemester sollte dabei sein, die dritte Fremdsprache fließend werden. Unsere Eltern staunten über unsere Verlobten aus Lissabon oder Saragossa, mit denen wir am heimischen Weihnachtstisch nur Englisch redeten. Sie verstanden zwar nichts, aber sie fanden es gut.

Jetzt sind unsere Eltern im Ruhestand, sie sehen die leeren Geschäfte, die leeren Häuser. Der Handballverein hat mit ehemaligen Erzrivalen aus dem Nachbarort fusioniert, das Derby gibt es nicht mehr. Wir haben uns dort niedergelassen, wo unsere Arbeit ist, wo wir die Landessprache sprechen, wo unsere Partner wohnen. Fernab vom Dorf. Uns geht es gut.
Natürlich vermissen wir unsere Eltern, die Derbys, unsere Mundart, manchmal auch die alten Freunde. Wir vermissen dieses wirre Gefühl, das wir nach dem dritten Glühwein auf dem heimischen Weihnachtsmarkt spüren. Und am nächsten Morgen geht es uns meist nicht so gut.

Jetzt sollen wir zurückkommen. Dorthin, wo wir keinen Job finden, kein schnelles Internet haben, unsere Ehepartner die Einheimischen nicht verstehen. Das feurige Mantra der Großeltern unserer Kinder lautet nun: „Rettet das Dorf!“ Sie meinen es nur gut.