BAUMFÄLLUNG – ODER: Freunde

Wahrlich, es ist ein Sägen! Überall – nicht nur in Minden – sind die städtischen Holzhackerbuam bei ihrer Winterarbeit, dem Fällen von Bäumen. Von kranken, angeblich kranken, in Schieflage stehenden und solchen, die vermuteterweise Menschen dadurch gefährlich werden könnten, wenn sie ohne Vorwarnung mit dicken Ästen auf Spaziergänger werfen.

Und schon erhebt sich ein Sturm der Bedrohten. Da wird aus dem Bauch und nach laienhafter Inaugenscheinnahme bezweifelt, was angebliche oder tatsächliche Baumgesundheitsexperten zum Morbiditätszustand der Eichen, Pappeln und Kastanien im menschlichen Lebensraumsagen. Mein Freund, der Baum.

Doch die Freundschaft endet an der Stadtgrenze.

Nicht nur am Dreiecksplatz oder im Glacis knattern die Motorsägen, auch in Wiehen- und Wesergebirge und im Heisterholzer Forst werden die langen Kerls einfach umgenietet, weggehauen, gespalten, amputiert und gelagert, um irgendwann von Kreissägen in handliche Stücke zerlegt zu werden. Kreischt da wirklich nur die Säge?

Und im Wald, wo der Mensch der Eindringling ist, werden am liebsten noch völlig gesunde, gerade gewachsene Musterexemplare zu Fall gebracht. Diese Bäume haben keine Freunde.

Wenn sie ins Blickgeld des Menschen treten, heißen sie nicht mehr Baum, sondern Holz und noch später Tisch, Stuhl oder Brett. So wie das niedliche Ferkel später im Tresen auch nicht mehr Schwein, sondern Wurst, Schinken oder Kotelett heißt und noch später Cordon bleu oder Stippgrütze.

Und was als früherer Baum nicht als Möbel oder Nutzholz überleben durfte, bis die Knochen total morsch sind, erfreut die Menschen mit seiner gespeicherten Energie im Kleinkrematorium für Holz, dem häuslichen Kaminofen, mit wohliger Wärme – auch manchen Freund, manche Freundin städtischer Bäume.

Hartmut Nolte (Lokalredaktion)

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