Zum Jazzen in den Keller (#200in365, No.27)

(© Benjamin Piel)

Jazz hören, ja, das lieben sie. Aber über Jazz reden? Das fällt Matthias Niemann, Thomas Weber und Hermann Schürmann gar nicht so leicht. Wie würden Sie jemandem, der keine Ahnung hat, Jazz erklären? Schweigen. Mit Dixieland und Freejazz jedenfalls nicht, das seien eher die Klischees, tasten sie sich die drei vom Jazz Club Minden langsam voran. „Gute-Laune-Musik“, antwortet Geschäftsführer Weber, „ein lockeres Publikum – offen und liberal, denn das ist die Seele des Jazz“. Der könne so viel sein, meint der stellvertretende Vorsitzende Schürmann, mal rockiger, mal bluesiger, mal souliger, vieles berühre selbst die Klassik. Die freie Improvisation führt der Vorsitzende Niemann ins Feld. Klar machen diese Antworten jedenfalls eines: Jazz ist nicht so leicht fassbar. Oder wie es die Jazzclubber sagen würden: unfassbar gut.

Freilich ziehen nicht alle Stilrichtungen gleich stark, aber mit den Besucherzahlen sind die Jazz-Club-Macher sehr zufrieden. 250 Besucher dürfen hinein, oft, aber nicht immer, ist der Saal am Königswall ausverkauft. Der Vorverkauf für das Konzert der Band „Shakatak“ Mitte September beispielsweise läuft sehr gut. Kein Wunder, hatte diese Band in den 80er-Jahren doch großen kommerziellen Erfolg.

Wie schafft es die ehrenamtliche Führung eines 350-Mitglieder-Vereins, solche Musikgrößen in eine Stadt wie Minden zu bekommen? Inzwischen ist es offenbar eher andersherum. Nicht das Finden von Musikern ist das Problem, sondern das Aussieben aus den vielen Anfragen von Musikern und deren Agenturen. „Wir gehören zu den sechs ersten Jazzclubs in Deutschlands“, meint Thomas Weber, „in der Szene haben wir inzwischen längst einen Namen.“

Der Vorsitzende Niemann, der für das Booking verantwortlich ist, spricht von 40 bis 50 Mails am Tag, die er nach interessanten Angeboten durchsucht: „Wir können uns fast aussuchen, wer kommt.“ Und so treten selbst Szenegrößen wie Fourplay, Wolfgang Haffner, Kamasi Washington oder Torsten Good im Jazz Club auf. Es sei dieses breite Spektrum an Stilen, das den Konzertplan für viele interessant mache und dafür sorge, dass auch Menschen aus dem Ruhrgebiet oder aus Holland zu Konzerten anreisen würden. „Das ist das größte Lob für uns, und in solchen Fällen geben wir erstmal ein Bier aus“, betont Weber, der im EDV-Bereich arbeitet.

Bei Konzerten kann es schonmal kuschlig werden unten im Keller des ehemaligen Stammgebäudes der Brennerei Strothmann. Das Publikum sitzt dort nur einen Meter entfernt von der ohnehin nur zehn Zentimeter hohen Bühne. Auf der sieht das Publikum viele Stilrichtungen gerne, nur mit dem experimentellen Jazz, haben die Macher festgestellt, tun sich die Zuhörer schwer, weshalb dieses Genre so gut wie keine Rolle im ältesten ehrenamtlich geführten Jazzclub Deutschlands spielt.

Im Gründungsjahr 1953 trafen sich die Jazzbegeisterten übrigens bloß zum Plattenhören in der Villa Volkmann in der Marienstraße. Das ist längst vorbei. Und so kommt – Maler Niemann, unter seinen Kollegen ein Exot, kann es selbst kaum fassen – im November der Starbassist Stanley Clarke nach Minden. Weber macht unmissverständlich klar, was ihm das bedeutet: „Das ist, als würde Michael Jackson hier auftreten.“ Wie war das noch – die Ostwestfalen gehen zum Lachen in den Keller? Unsinn, sie gehen zum Jazzen in den Keller.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

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