Nach dem EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: Journalisten und Verleger fordern endgültiges Aus für deutsche Regelung

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Seit Jahren gibt es Streit über die Vorratsdatenspeicherung in Europa. Nun haben die obersten europäischen Richter das dazugehörige EU-Gesetz verworfen – weil es gegen Grundrechte verstößt. Sowohl der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) als auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) begrüßten das Urteil und erklärten eine Neuvorlage des vom Bundesverfassungsgericht gekippten deutschen Gesetzes zur Umsetzung dieser Richtlinie für hinfällig.

2006 hatten die EU-Staaten die Datenspeicherung auf Vorrat beschlossen. Sie soll bei der Aufklärung schwerer Verbrechen, organisierter Kriminalität und Terrorismus helfen. Fahnder können auf die gesammelten Daten zugreifen und wissen etwa, wer wann mit wem telefoniert hat. Der Inhalt von Gesprächen wird nicht erfasst.

Die systematische Datenspeicherung ist in der EU seit Jahren umstritten. Der Europäische Gerichtshof schaltete sich ein, nachdem eine irische Bürgerrechtsorganisation, die Kärntner Landesregierung und mehrere Tausend Österreicher dagegen geklagt hatten.

Nach Ansicht der Luxemburger Richter ist die Speicherung ein «Eingriff von großem Ausmaß und von besonderer Schwere» in die Grundrechte der Bürger (Rechtssachen C-293/12 und C-594/12). Dies verletze den Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens. Der Bürger könne das Gefühl der ständigen Überwachung bekommen.

Das Speichern der Daten von bis zu zwei Jahren sei nicht auf das absolut notwendige Maß beschränkt, hieß es weiter. Die nationalen Behörden könnten zudem ohne Einschränkung auf Daten zugreifen. Diese seien nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt.

Allerdings stellten die obersten Richter Europas das Prinzip der Datenspeicherung im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität nicht in Frage, weil sie dem Gemeinwohl diene. Fast überall in Europa dürften somit vorerst weiter Daten gesammelt werden, auf die Terrorfahnder zugreifen können. Denn 26 der 28 EU-Staaten haben die nun gekippten Vorgaben bereits in ihr Recht übertragen, diese nationalen Gesetze zur Datenspeicherung bleiben gültig. Deutschland sammelt allerdings nicht – das wird wohl auch so bleiben.

In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Vorgaben 2010 gekippt. Die damalige schwarz-gelbe Regierung konnte sich danach nicht auf eine Neufassung einigen.

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Sie hatten damit gerechnet, dass der Gerichtshof lediglich Änderungen an der EU-Richtlinie einfordern würde – und wollten nach dem Urteil schnell einen eigenen Entwurf vorlegen. Das gilt nun nicht mehr.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs begrüßt. Damit werde der Quellenschutz garantiert und die Pressefreiheit geschützt, sagte der Hauptgeschäftsführer des BDZV, Dietmar Wolff, in Berlin. „Freie Medien brauchen Informanten, die nicht ständig in der Angst leben müssen, bespitzelt zu werden, und Journalisten, die frei von Überwachung arbeiten können!“

Eine Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht sei vor dem Hintergrund der neuen Entscheidung nun entbehrlich, betonte Wolff.
Die deutschen Zeitungsverleger sprechen sich seit langem gegen den drohenden Wegfall des grundrechtlich gewährten Quellenschutzes aus, der in Folge der dauerhaften Speicherung von Verbindungsdaten aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung droht.

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) begrüßte das Urteil. „Das ist ein Sieg für den Informantenschutz und für die Achtung von Privatsphäre und Datenschutz“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Ohne gültige EU-Richtlinie gebe es für die Bundesregierung jetzt keinen Grund mehr, in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen.

Der DJV hatte wiederholt vor den Gefahren der Speicherung aller elektronischen Kommunikationsdaten ohne jeden Anlass gewarnt. Diese Überwachung der Verbindungsdaten verletze das Redaktionsgeheimnis und den Schutz der journalistischen Quellen. Für Ermittlungsbehörden seien so zum Beispiel die Kontakte von Journalistinnen und Journalisten zu ihren Informanten nachvollziehbar. Einzelne Rechercheschritte könnten überprüft werden, das Redaktionsgeheimnis sei ausgehöhlt.

„Der DJV hat sich daher von Anfang an gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und gemeinsam mit anderen Organisationen vor den Grundrechtsverletzungen gewarnt, die damit verbunden sind,“ sagte der DJV-Vorsitzende. Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland hatten sich hingegen auf die Notwendigkeit berufen, die EU-Richtlinie zu Zwecken der Strafverfolgung in nationales Recht umzusetzen. „Das hat sich jetzt erübrigt“, sagte Konken.

Der Mindener Bundestagsabgeordnete Achim Post (SPD) äußerte sich zweimal über Twitter zum Urteil. Kurz nach der Bekanntgabe teilte er mit: “Der #EuGH hat das Gesetz zur #VDS gekippt. Das ist ein guter Tag für die Bürgerrechte in Europa. Warten wir die Reaktion aus Brüssel ab.” Nur wenig später wies er darauf hin, dass dies allerdings kein endgültiges Aus für eine deutsche Regelung sein müsse: ” #EuGH nimmt ähnliche Haltung wie Karlsruhe ein: #VDS unter höheren Hürden erlaubt, in der aktuellen Gestaltung ein Verstoß gegen die Charta”

Quellen: DPA, BDZV, DJV

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