Daily Archives: 11. August 2018

Über den Tod lässt sich reden (#200in365, No. 36)

Helmut Dörmann hat ein Death Café ins Leben gerufen, ein Todescafé in dem die Teilnehmer zwanglos über Themen rund um das Sterben reden.
MT- (© Foto: Piel)

Der Tod ist noch immer nicht das Lieblingsthema der Deutschen. Doch Helmut Dörmann, Geschäftsführer des Mindener Hospizkreises, nimmt einen gegenläufigen Trend bei gar nicht so wenigen Menschen wahr. Einigen sei es sehr wohl ein Anliegen, über das Sterben zu sprechen. Deshalb hat Dörmann das Death Café (zu Deutsch: Todescafé) in Minden gegründet. Ein paar Mal im Jahr kommen Menschen zusammen, um in lockerer Runde über das Thema zu reden. Zur Premiere kamen 50 Leute, anschließend jeweils um die 30. Mit dieser Quote ist Dörmann sehr zufrieden: „In Hamburg haben sie weniger Besucher.“ Bei den Treffen geht es um Themen wie die eigene Beerdigung oder um die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Dörmann meint, das wäre noch vor zehn Jahren kein Erfolgsformat gewesen. Aber: „Inzwischen gibt es viele Menschen, die sich mit Sinnfragen beschäftigen wollen.“

Das habe auch dazu beigetragen, dass die vor Jahrzehnten noch umstrittene Hospizbewegung Zulauf bekommen habe: „Wir haben unsere Arbeit gemacht, die Bevölkerung ist mitgegangen.“ Das habe auch zu einer wesentlich besseren Vernetzung zwischen Allgemeinärzten, Palliativmedizinern, Pflegern und Menschen aus dem Sozialsektor geführt.

Die Anzahl der 50 Sterbe- und Trauerbegleiter, die Menschen auf deren Weg begleiten, ist in Minden seit Langem stabil: „Das läuft gut, wir haben keinen Mangel.“ Trotzdem kann der Hospizkreis den stetig steigenden Bedarf nicht decken. Bei Menschen zuhause, in Altenheimen, auf Palliativstationen sind die Ehrenamtlichen unterwegs. „Noch passen Angebot und Nachfrage halbwegs zusammen“, berichtet Dörmann, „wir haben aber auch schon Begleitungen absagen müssen.“ Auch insofern sei es gut, dass die Diakonie-Stiftung Salem ein stationäres Hospiz für zwölf Bewohner errichten wolle.

Die Bedeutung des Sterbens ist für viele Menschen ein Thema, über das sie nicht sprechen wollen. Doch mittlerweile hat ein Bewusstseinswandel eingesetzt. Foto: Swen Pförtner/dpa

Der Hospizkreis ist nicht nur für Sterbende, sondern auch für Trauernde da. Zehn Gruppen treffen sich einmal im Monat in den Räumlichkeiten am Simeonsplatz: fünf Trauergruppen – für trauernde Angehörige, trauernde Elten und für Angehörige nach Suizid – sowie fünf Supervisionsgruppen, die die Arbeit der Trauerbegleiter flankieren. Die Trauergruppen sind dialogisch aufgebaut. Es gebe kein Thema, das Gespräch entstehe durch die Situation. „Man weiß nicht so genau, wo es hingeht“, erläutert Dörmann, „aber gerade das ist gut, weil es dann oft in die Tiefe geht.“ Mitten in die Trauer hinein, statt nur um die Trauer herum, das sei der Weg. Der Geschäftsführer stellt immer wieder fest, dass Menschen erstaunlich große Ressourcen haben, mit ihrer Trauer umzugehen: „Sie müssen nur entdecken und nicht in Büchern suchen, was sie eigentlich in sich selbst finden könnten.“

Was aber motiviert Menschen, die das nicht tun müssten und auch kein Geld dafür bekommen, andere durchs Sterbens zu begleiten? „Viele haben jemanden verloren“, antwortet Dörmann, „und gemerkt, dass Trauer nicht nur etwas Schweres hat, sondern auch die Frage aufwirft: Was hilft mir und was baut mich auf?“ Nicht nur auf die Trauer schauen und nicht nur wegschauen – diese beiden Aspekte seien wichtig. Die Begleiter nehmen sich zurück, die Sterbenden und Trauernden geben den Weg vor. An sich selbst hat Dörmann eine Entwicklung festgestellt: Viele Dinge würden ihn heute mehr berühren als noch vor zehn Jahren. Er sei inzwischen „nicht mehr so sehr Herr Dörmann, sondern im positiven Sinne Helmut“, sei berührbarer.

Eine Veränderung bedeutet es auch, dass der 26 Jahre alte Hospizkreis ab dem Herbst einen Letzte-Hilfe-Kurs anbietet. Innerhalb von nur vier Stunden geht es dann um Themen wie Sterbephasen, Trauer oder die Patientenverfügung. Zuerst war Dörmann kritisch, ob es in Ordnung sei, das Thema so zu verknappen. Inzwischen hat er sich überzeugen lassen. Es entspreche dem Zeitgeist, sich zügig und mit kognitivem Zugang eine thematische Basis zu verschaffen.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

Drei Fragen an Alexander Brink vom Jugendrotkreuz: „Die Notfalldarsteller können viel lernen“ (#200in365, No. 35)

(© Benjamin Piel)

Das Jugendrotkreuz ist die Jungorganisation des Roten Kreuzes. Erst spielerisch, dann fachlich immer ausgefeilter führen die Mitarbeiter um Leiter Alexander Brink die Kinder und Jugendlichen an Themen wie Erste Hilfe, Sanitätsdienst und Notfalldarstellung heran.

Wie kommen Kinder und Jugendliche zum Jugendrotkreuz?

Meistens durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Außerdem präsentieren wir uns zum Beispiel beim Weltkindertag, einige sind auch die Kinder von DRK-Mitgliedern. Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche für die Arbeit im Ortsverein zu interessieren. Vielen Organisationen fehlt der Nachwuchs. Das ist bei uns nicht der Fall. Für Kinder aus sozial schwächeren Familien bieten wir einen Ort, an dem sie sich wohlfühlen und sich weiterbilden können.

Was für Gruppen gibt es ?

Es gibt eine Gruppe für Sechs- bis Zwölf- und eine für 13- bis 27-Jährige. Bei den Jüngeren geht es darum, sie spielerisch an Themen wie Erste Hilfe heranzuführen. Die Großen machen auch Sanitätsdienste mit oder nehmen an Übungen teil.

Was machen Notfalldarsteller?

Sie unterstützen Übungen, schminken Verletzungen wie großflächige Verbrennungen und bekommen diese Verletzungen selbst geschminkt. Das ist wichtig, um die Teilnehmer von Übungen auf Verletzungen und psychische Belastungen während ihrer Einsätze vorzubereiten. Sie sollen Sicherheit in solchen Situationen bekommen. Und die Notfalldarsteller lernen gleichzeitig viel durch die Teilnahme an den Übungen und das Zuschauen.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur