20 AUSGABE 7 / FRÜHJAHR 2019
Eine Reise in die Republik Moldau
MT-Volontär Ilja Regier recherchierte für eine Reportage im Osten Europas
tionsindex besonders hoch
ist, verfügt Plahotniuc über
ausreichend Mittel für
Schmiergelder. Er soll einer
der Hauptbeteiligten am Jahrhundertraub
gewesen sein, als
eine Milliarde Euro aus staatlichen
Banken verschwanden.
Doch nachweisen konnte ihm
angeblich niemand etwas. Gestalten
wie er sind unantastbar
und zu mächtig im Land.
Zweitens: Wer den Fernseher
anschaltet, erhält wie in
Russland die volle Dröhnung
Propaganda, weil die meisten
TV-Sender Plahotniuc oder anderen
Politikern gehören.
Auch Tageszeitungen gibt es
nicht mehr. Insgesamt existieren
nur wenige unabhängige
Medien – öffentliche Kritik an
der Politik bleibt damit aus.
Interessant war es in diesem
Zusammenhang für mich zu
erfahren, wie die Kollegen in
Moldau als Journalisten arbeiten
und welche Steine ihnen
in den Weg gelegt werden.
Skandale, die sie aufdecken,
haben selten eine Wirkung,
weil die meisten Politiker mit
ihren eigenen Medien dagegen
steuern.
Drittens: Den Nachwuchs
zieht es ins Ausland. Viele der
jungen, gebildeten Moldauer
besitzen auch einen rumänischen
Pass und arbeiten in
den EU-Staaten, weil sie dort
mehr verdienen. Die, die das
Land aufbauen könnten, wollen
wegen der schlechten Perspektive
nicht bleiben.
Viertens: Was will das Land?
Will Moldau Teil der EU werden
oder sich lieber wieder
Russland nähern? Mal so, mal
so lautet die Marschrichtung,
je nachdem wer gerade an der
Macht ist. Das Land benötigt
aber vor allem eins: endlich
Stabilität, sonst steht es auf
verlorenem Posten.
Diese Eindrücke entstanden,
weil ich mit vielen Experten,
Oppositionspolitikern und
NGOs sprechen durfte. Wichtig
war mir, aus der Hauptstadt
Chisinau herauszukommen,
um zu sehen, wie es den Men-
Von Ilja Regier
Zwischen Palmen und Kokosnüssen
leben digitale Nomaden
den Traum der ortsunabhängigen
Kreativen in Thailand
oder auf Bali: Sie arbeiten
dort, wo andere Urlaub machen.
Mir blühte im September
2018 eine andere Konstellation.
Ich arbeitete und recherchierte
mit anderen
Nachwuchsjournalisten eine
Woche dort, wo niemand (!)
Urlaub macht – in der Republik
Moldau, auch bekannt als
Moldawien.
Diese Republik gehört nicht
nur zu den ärmsten Ländern
Europas. Statistisch gesehen,
zieht sie auch die wenigsten
Touristen in Europa an. Trotz
eines „sehr gut“ beim Geografie
Test in der fünften Klasse
gebe ich offen zu: Vor der Reise
musste ich im Atlas sichergehen,
wo genau sich dieses
Fleckchen Erde befindet. Richtig,
im Osten Europas, ach ja,
zwischen Rumänien und der
Ukraine.
Vor Ort in der Republik Moldau
ergab sich folgendes Bild:
Die Jungen verlassen das sinkende
Schiff, die Alten gehen
mit ihm unter. Einst als Kornund
Weinkammer der Sowjetunion
betitelt, vegetiert die
Republik Moldau mittlerweile
trotz EU-Fördergeldern vor
sich hin. Kann der Zerfall aufgehalten
werden? Es sieht
nicht danach aus – und das
hat Gründe.
Erstens: Oligarchen mit dubiosen
Unternehmen wie Vladimir
Plahotniuc, Vorsitzender
der regierenden Partei,
mischen in der Politik mit
und vertreten eigene, wirtschaftliche
Interessen. In einem
Land, in dem der Korrup-
Die Republik Moldau gehört zu den ärmsten Ländern Europas.
Besucher bemerken das an vielen Stellen in der Hauptstadt.
Wer die Gemeinde Biesti ohne Grenzkontrolle erreichen will,
muss eine Fähre nehmen.
Mehrmals am Tag müssen die Dorfbewohner die Brunnen ansteuern.
Die Jungen verlassen das
sinkende Schiff.