16 Porta extra
Lebenswerk mit düsteren Facetten
Künstler mit Eisberger Wurzeln verarbeitet Kindheitserlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg.
Werner Hoppe
Möllenbeck/Eisbergen. Das
Sprichwort von der Blume,
die im Verborgenen blüht
und deshalb von vielen unentdeckt
bleibt, trifft ganz sicher
auf Dietrich Blome
(*6.1.1941 †18.04.2019) zu. Der
Kunstpädagoge und Künstler
mit vielen Talenten verbrachte
seine Kindheit und Jugend
in Eisbergen, wo er auch seinen
schöpferischen Ruhestand
nach seinem Berufsleben
verbrachte.
Hier verwirklichte er im
Haus seiner Mutter den
Wunsch nach einem eigenen
geräumigen Atelier. Bei einer
Retrospektive im Juli im Kloster
Möllenbeck auf der anderen
Weserseite gegenüber von
Eisbergen hatte die Öffentlichkeit
eine der wenigen Gelegenheiten,
sich einen Überblick
über das Lebenswerk des
eigenwilligen Multitalents zu
verschaffen.
Jochem Hatesaul aus Stadthagen,
Freund und Bewunderer
Blomes, hatte die Schau
zusammengestellt. Wegen der
Corona-Auflagen sei auf die
sonst übliche Vernissage verzichtet
worden, erklärte er bei
der Eröffnung der Ausstellung.
Mit 90 Skulpturen aus
Holz, Stein oder Bronze stellte
diese bildhauerische Fraktion
den größten Part der Schau.
Circa 60 ein- und mehrfarbige
Holzschnitte sowie eine
Reihe von Aquarellen zeigten
die Bandbreite des künstlerischen
Schaffens von Dietrich
Blome. Und besonders in seinen
Bildern lassen immer
wieder Szenen seine lebenslange
Verbundenheit mit der
Heimat erkennen.
Als Vierjähriger erlebte
Dietrich Blome die Kämpfe
um den Weserübergang und
die Sprengung der Eisberger
Brücke durch Soldaten der
deutschen Wehrmacht mit
und sah dabei auch, wie Soldaten
starben. Seine Erlebnisse
als Kind der Kriegsgeneration
prägten den Jungen und
drückten sich in seinen gesamten
Werken aus. Das Motiv
der Zurückgezogenheit
und düstere Impressionen
finden sich besonders in seinen
Holzschnitten. Sein Hang
ins Schwermütige sowie der
Ernst und die Zurückhaltung,
mit der er anderen Menschen
oft begegnete, haben künstlerischen
Niederschlag auch in
Bildern mit Szenen aus dem
Weserbergland gefunden. So
wie in den Aquarellen mit Impressionen
aus der Flusslandschaft.
Jochem Hatesaul hatte die
Ausstellung im Kloster organisiert.
Nach einer vorausgegangenen
Schau in Stadthagen
Schaumburg war die Retrospektive
die letzte Gelegenheit,
einen Großteil des
gesamten Lebenswerk des
Künstlers in einer konzentrierten
Ausstellung zu sehen.
Denn nach dem Tode ihres
Bruders hätten sich die beiden
Schwestern von Dietrich
Blome entschlossen, sämtliche
Exponate zum Verkauf zu
stellen. Der gesamte Erlös solle
einem gemeinnützigen
Zweck zufließen. Dietrich Blome
habe dagegen zu Lebzeiten
nie daran gedacht, seine
Werke zu veräußern – „nicht
für Geld und gute Worte“.
Aber gelegentlich habe er das
eine oder andere verschenkt.
„Kunstwerke sprechen für
sich, aber vieles versteht man
doch besser, wenn man den
Menschen kennt, der hinter
dem Werk steht“, zieht Jochem
Hatesaul die Verbindung
zwischen dem Künstler
und Eisbergen beziehungsweise
dem Weserbergland,
das immer wieder Blomes
Thema war. „Dietrich Blome
gehörte zur sogenannten
Kriegsgeneration. Er war
gegen Ende des 2. Weltkriegs
vier Jahre alt und weil er ein
sehr wacher Junge war, hat er
die Kampfhandlungen um
Eisbergen sehr bewusst miterlebt.
Er berichtete später erschreckend
genau von den
Soldaten, die vor seinen Augen
starben.“ Vielleicht erklärten
Blomes Kindheitserinnerungen
auch „seine Vorliebe
für das Torsomotiv“. Auffällig
sei dazu die häufige
Darstellung von Körperhaltungen
mit dem Ausdruck
von Trauer und Verschlossenheit.
Schon in jungen Jahren
habe Dietrich Blome „ständig
ein Schnitzmesser in der
Hand gehabt und kleine Gebrauchsgegenstände
sowie
Tierfiguren aus Holz und
Knochen hergestellt. Er
brauchte offensichtlich schon
früh den Widerstand des harten
Materials.“ Dazu habe er
klare Vorstellungen gehabt
über die Beschaffenheit einer
Skulptur. Man müsse sie
einen Berg hinunterrollen
können, ohne dass etwas abbräche.
Jede gestaltete Form
wäre nicht beliebig, sondern
müsse durch ein Kompositionsnetz
eine feste Struktur
bekommen.
Ganz in diesem Sinne hat
Dietrich Blome auch seine
beiden anderen künstlerischen
Paradedisziplinen gesehen
und nach Vermögen ausgeschöpft.
Das ließ sich in
den Aquarellen und Holzschnitten
erkennen. Letztere
hat er sogar für den Abdruck
mehrfarbig angelegt.
Weil seine Einstellung dem
damaligen Mainstream am
Kunstmarkt entgegengestanden
habe, hat Dietrich Blome
sich immer weiter zurückgezogen
und schließlich nur für
sich selbst und sein privates
Museum gearbeitet, meint
Hatesaul. „Seine Arbeiten
wurden ein so großer Teil seines
Lebens, dass er sich nicht
von ihnen trennen konnte.
Wenigstens hat er seiner Frau
Marga zugestanden, dass sie
nach seinem Tode seine Arbeiten
ausstellen könne. Leider
ist sie wenige Monate vor
ihm verstorben.“
Frauenkörper – häufig in Torso-Gestalt – sind ein wiederkehrendes
Thema bei Dietrich Blome.
Das Ehepaar Marga und Dietrich
Blome, im Jahr 2006 vor
einer Lok im neuen Hauptstadtbahnhof
in Berlin.
Repro: Werner Hoppe
Aufwendige Technik und Spezialität
des Künstlers: Dietrich
Blome hat sogar mehrfarbige
Bilder als Holzschnitte geschaffen.
Fotos: W. Hoppe