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Abraham Jacobis Spuren in New York
Zwei Leben als revolutionärer Demokrat und Vater der Kinderheilkunde
Von Dr. med. Michael Kruse
Hille/New York(mt). Abraham
Jacobi, geboren 1830 in Hartum,
gilt als Begründer der Kinderheilkunde
in den Vereinigten
Staaten von Amerika. Seine
medizinischen Erfolge erzielte
er in der Stadt New York. Dort
gründete Jacobi seine erste Praxis
im ehemaligen Bezirk
„Klein-Deutschland“, heute Teil
des „East Village“, einem
Trend-Viertel im südöstlichen
Teil Manhattans.
Die Menschen lebten hier zu
Zeiten Jacobis dicht gedrängt
auf engem Raum; die hygienischen
Verhältnisse waren katastrophal.
Jacobi erkannte,
dass diese Situation eine Gefahr
für das gesunde Gedeihen
von Säuglingen und Kindern
darstellte. Durch die Behandlung
seiner Patienten und neue
Vorsorgeempfehlungen erwarb
er sich schnell einen Ruf als exzellenter
Arzt.
Bei seinen Kollegen wurde
Jacobi in den folgenden Jahren
zunehmend als medizinische
Kapazität wahrgenommen. Anlässlich
seines 100. Todestages
am 10. Juli dieses Jahres wurden
seine Verdienste in seiner
ostwestfälischen Heimat gewürdigt.
Doch wie werden seine
Leistungen am Ort seines
ärztlichen Wirkens heute wahrgenommen?
Welche Spuren
sind von Abraham Jacobi im
heutigen New York noch sichtbar?
„Er ist immer noch sichtbar“,
sagt Arlene Shaner, Direktorin
der Bibliothek der „New York
Academy of Medicine“, mit
einem Lächeln und weist auf
ein Porträtgemälde Jacobis hin,
das den Eindruck eines erfahrenen
Gelehrten vermittelt. Die
„New York Academy of Medicine“
ist eine Gesellschaft, die
sich 1847 in Zeiten wandelnder
Vorstellungen von Medizin hin
zu einer wissenschaftlich fundierten
Disziplin gründete und
sich der öffentlichen Gesundheitsfürsorge
und medizinischen
Beratung der Bevölkerung
in der Stadt New York
widmete. Diesen Zielen hat
sich die Gesellschaft auch heute
noch verschrieben.
Die „Academy“, wie die Gesellschaft
hier salopp genannt
wird, befindet sich in einem repräsentativen
Gebäude im romanischen
Baustil an der Ecke
Fifth Avenue/103. Straße,
gleich gegenüber dem Central
Park. Hier sind Verwaltung, Tagungsräume
und eine geräumige
Bibliothek mit historischen
Büchern und Dokumenten
untergebracht. In dem
Gang zur Bibliothek befinden
sich an den Wänden Gemälde
von früheren Präsidenten der
„Academy“ und anderen verdienten
Persönlichkeiten.
Hier hängt ein weiteres Porträt
Jacobis. „Dieses gefällt mir
eigentlich viel besser“, bemerkt
Shaner. Auf diesem Bild erkennt
man mehr den fürsorglichen
Kinderarzt als den honorigen
Professor. Jacobi war Präsident
der „Academy“ von 1885
bis 1888. „Wir haben Dokumente
von Abraham Jacobi archiviert.
Einige davon sind in
deutscher Sprache“, so Shaner
weiter. Sie zeigt eine große
Mappe, in der Originalurkunden
aufbewahrt werden, die
die Ehrenmitgliedschaft oder
die Aufnahme als auswärtiges
oder korrespondierendes Mitglied
medizinischer Gesellschaften
Jacobis u. a. in Kiew,
Berlin oder Boston belegen.
Aber auch Dokumente, die
„Abraham Jacobi aus Hartum“
als Studenten deutscher Universitäten
ausweisen.
Shaner zeigt ein Exemplar
der Festschrift zu seinem 70.
Geburtstag. Diese enthält zahlreiche
Grußworte, aber auch
medizinische Fachbeiträge in
englischer und deutscher Sprache.
In einer Broschüre aus
dem Jahre 2017, die die Projekte
der letzten zehn Jahre der
„Academy“ vorstellt, widmet
sich ein Kapitel der seit der
Gründung bis heute prägendsten
Mitglieder. Unter den insgesamt
14 Personen wird Abraham
Jacobi für seine Verdienste
um die Kinderheilkunde erwähnt.
Zwei Straßen weiter südlich
der „New York Academy of Medicine“
befindet sich das Universitätskrankenhaus
„The
Mount Sinai Hospital“, das 1852
als jüdisches Krankenhaus gegründet
wurde. Abraham Jacobi
war diesem seit 1860 zugehörig
und der erste Präsident
des „Medical Boards“, der medizinischen
Fachkommission.
Hier wird jedes Jahr einmal an
ihn erinnert, wenn die Mount
Sinai Alumni Gesellschaft die
nach ihm benannte Jacobi-Medaille
für herausragende medizinische
Leistungen oder für
besondere Verdienste um die
Universität verleiht.
„Diese Medaille ist nicht mit
einem Geldpreis verbunden,
sondern versteht sich als Auszeichnung“,
berichtet Barbara
Niss, Direktorin des Mount Sinai
Archivs. „Manchmal bekommen
wir von einem Preisträger
die Medaille für das
Archiv geschenkt“, sagt sie weiter
und hält eine vergoldete
Bronzemedaille, die auf der
Vorderseite ein Profil von Jacobi
und auf der Rückseite die
historische Eingangstür zum
Mount Sinai Hospital mit dem
Namen der ausgezeichneten
Person zeigt, in Händen. Zum
ersten Mal wurde die Jacobi-
Medaille 1952 anlässlich des
hundertjährigen Bestehens des
Portrait Abraham Jacobis in der „New York Academy of Medicine“,
angefertigt von dem amerikanischen Maler Joseph Smutny.
„Deutsches Dispensary“ ist heute noch über dem Eingang dieses Gebäudes
im „East Village“ im südöstlichen Teil Manhattans zu lesen.