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Zeichen des Aufbruchs MUT 03 // 41 Mit mehr als 190 Millionen Menschen ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Bekannt für große Ölvorkommen im Nigerdelta, mit negativen Begleiterscheinungen wie Korruption und Ausbeutung. Im Nordosten herrscht die islamistische Terrororganisation Boko Haram, was übersetzt heißt: Westliche Bildung verboten. sich in Elvira, heute seine Ehefrau und Mutter der drei Kinder. Doch Komo, Sprössling einer nigerianischen Königsfamilie und Sohn eines Medizinmannes, kehrte Mitte der Achtziger in seine Heimat zurück. „In Nigeria brauchen die Menschen mein Wissen nötiger als in Deutschland.“ Statt in die Entwicklung der Landwirtschaft zu investieren, hatte sich die nigerianische Regierung über Jahrzehnte auf die Förderung von Öl im Süden des Landes konzentriert. Nigeria wurde zum größten Erdölproduzenten des Kontinents, von den Einnahmen kam bei der Bevölkerung aber kaum etwas an, sie wanderten in die Taschen korrupter Politiker und Ölproduzenten. In Komos Heimat fehlte es an sauberem Wasser, Strom, Nahrung und gut ausgebildeten Bauern. Viele hatten die traditionellen Anbaumethoden vergessen, pflanzten Jahr für Jahr dieselben Sorten an. Monokulturen laugten die Böden aus, ein Unwetter genügte und die Ernte war verloren. In der Folge wanderten vor allem junge Leute in Städte oder ins Ausland ab. Revolution von unten In Ajue, einem Dorf im Bundesstaat Ondo, gründete Komo mit sechs Freunden das Village Pioneer Project (VPP). Sie lehrten Jungbauern, Mais und Maniok, Melonen, Kochbananen und Zitronen zu kultivieren, brachten ihnen bei, ertragreiche Schweinerassen zu züchten, zeigten, wie man Seife aus Palmöl gewinnt, und förderten das Handwerk, Baumwollstoffe zu weben. Komo ließ Brunnen bohren und Wasserfilter einsetzen, gewann Strom aus einer Biogasanlage und gründete ein Ausbildungszentrum für Landwirte. Mehr als 4.000 Menschen wurden bisher geschult. „Das war mein Traum. Eine Revolution von unten“, sagt er. „Nur eine moderne Landwirtschaft kann unser Land unabhängig von Importen machen.“ Doch Komo war zu aufmüpfig: Er protestierte gegen die Militärregierung, die ihn 1987 zwei Tage lang ins Gefängnis steckte. Als die schwangere Elvira, die ihn zunächst nach Nigeria begleitet hatte, auch noch an Malaria erkrankte, zog sie mit den Kindern ins baden-württembergische Waiblingen. Seither wirbt sie mit einem Kreis von Helfern um Spenden, die Komos Team unterstützen. Etwa um neue Traktoren oder eine Trockenanlage für Korn und Kräuter zu kaufen. Die Kosten für den Lohn von fast 100 Mitarbeitern und die Wartung von Maschinen und Gebäuden erwirtschaften die Projektmitarbeiter größtenteils selbst – der Umsatz des VPP Nigeria 4 Baumwolle wird gepflückt, gesäubert und gewebt. lag im Jahr 2016 bei mehr als 790.000 Euro. In Nigeria pendelt Komo zwischen den vier Standorten seines Projekts. Im Gepäck: Notizen, seine Handys und der „Buba“, ein langes, farbenprächtiges Hemd, das er zu offiziellen Terminen überwirft, zum Beispiel wenn er eine der sechs Schulen besucht, die seine Organisation finanziell unterstützt. Fährt er durch Ajue, springen Frauen aus den Stühlen vor ihren Häusern auf, Männer verbeugen sich, einige fallen vor ihm auf die Knie. Er hat nicht nur Geld und Baumaterial aufgetrieben, sondern mit den Menschen gearbeitet, gefeiert und vor allem: Er gehört zu den wenigen, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Dafür verehren sie ihn. Mehr als 30 Jahre lang hat er die Landflucht eingedämmt. Jetzt will er Landwirtschaftsminister des Bundesstaates Eketi werden. Im Juli 2018 gewann der Kandidat seiner Partei das Gouverneursamt von Eketi. Komo hatte im Wahlkampf für ihn geworben, jetzt kann er hoffen, als Landwirtschaftsminister seine Visionen langfristig zu realisieren. Aufstand gegen Monsanto Als Minister will er in Traktoren und Maschinen investieren, eine Agrarschule gründen und den Anbau von Nutzbäumen, wie Zitronen- oder Kolabäumen, subventionieren – über Jahrzehnte könnten Bauern mit ihren Früchten einen Teil ihrer Rente sichern. Sein Coup aber wäre eine Saatgutbank, in der nigerianische und afrikanische Samen lagern, das Agrar-Kulturerbe des Kontinents. „Afrika muss aufstehen gegen Firmen wie Monsanto“, wettert Komo. Der Konzern verdränge viele Pflanzenarten mit seinen Herbiziden und genmanipuliertem Saatgut. „Sie versprechen, unsere Landwirtschaft zu retten, aber am Ende machen sie uns alle abhängig. Dabei ist Afrika so reich an heimischen Pflanzen, von denen wir leben können.“ Es ist spät geworden. Komo sitzt in einem kleinen Konferenzraum, der Ventilator neben ihm verwirbelt heiße Luft. Inzwischen hat er fast alle der 17 Anrufer, die er auf dem Feld abgeblockt hatte, zurückgerufen. Jetzt wirkt er nachdenklich. „Was passiert mit dem Projekt, wenn ich nicht mehr bin?“ Unter den Mitarbeitern gäbe es mögliche Nachfolger, vielleicht habe eines seiner drei Kinder Freude daran, sein Lebenswerk in Nigeria fortzuführen. Er weiß es nicht. Der Generator stottert, säuft ab, es wird stockdunkel im Raum. Der Akku seines Handys ist seit ein paar Minuten leer. Komo kann ein paar Stunden schlafen.


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