Page 3

20180703.KAISER_WILHELM

Dienstag, 3. Juli 2018 Der Kaiser Mindener Tageblatt 3 Idylle und Politikum Im nationenweiten Wettbewerb darum, wo das Denkmal für den Kaiser stehen sollte, machten sich Ende des 19. Jahrhunderts die Mindener Bürger stark. Sie sammelten eifrig Geld – und holten sich das Monument. Von Ursula Koch Porta Westfalica (mt). Segnend hält der bronzene Kaiser Wilhelm I die Hand über das Land. Die Geste wird heute oft missverstanden. Ein guter Grund für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Eigentümer des Denkmals in der Porta Westfalica, es mit der notwendigen Sanierung nicht nur bei einer touristischen Aufwertung zu belassen, sondern ihm auch ein Infozentrum als Basis unter die Füße zu stellen. Knapp 16 Millionen Euro hat der Verband in das Monument im Wittekindsberg investiert, viele Tonnen Beton und Mikropfähle in den Berg getrieben, um die Standfestigkeit zu sichern. Das war eigentlich schon seit Jahrzehnten überfällig. Denn die Britische Militärregierung hatte 1946 die Stollen im Berg sprengen lassen, in denen die Nationalsozialisten von KZHäftlingen Rüstungsgüter hatten produzieren lassen. Damals waren nicht nur die Zugänge zu den Stollen verschüttet worden, sondern auch ein Teil der Ringterrasse des Denkmals abgerutscht. In den vergangenen Jahrzehnten war darum ein Teil der unteren Terrasse stets durch ein Geländer abgesperrt. Es war der Anfang des schleichenden Verfalls Die Gaststätte schloss 2011, später öffnete auch das Toilettenhäuschen nicht mehr. Der Ort bot, abgesehen von einer spektakulären Aussicht in die Landschaft, wenig Einladendes. Weil die äußere Ringterrasse weiter abzurutschen drohte, entschied der Landschaftsverband, als Nachfolger der westfälischen Provinzialregierung Eigentümer, 2013 die Sanierung anzugehen. Nicht nur die Ringterrasse sollte wiederhergestellt, sondern auch eine neue Gaststätte gebaut werden. Der Siegerentwurf des Büros Bastian Architekten aus Münster schlug vor, die Gastronomie nicht wieder am Parkplatz zu errichten, sondern sie als Panoramarestaurant direkt hinter der äußeren Ringmauer in der Terrasse unterzubringen. Die bislang zugemauerten Rundbögen verwandelten sich in Panoramafenster. Im Verlauf der Planungen fügte der LWL dem Restaurant ein Infozentrum hinzu, um die Besucher darüber zu informieren, welche historische Figur hier weithin sichtbar in die Landschaft grüßt. Auf knapp 300 Quadratmetern Fläche wird nun von der Geschichte des Denkmals, der deutschen Monarchie, den Folgen des Nationalismus, Hoch auf dem Wittekindsberg zieht das Monument die Blicke der Vorbeifahrenden von weit her auf sich. MT-Foto: Alexander Lehn aber auch der Geologie und der bis in die vorchristlichen Zeit zurückreichende Geschichte des Wittekindsbergs erzählt. Sie beginnt mit der Wittekindsburg, einer vorchristlichen Wallanlage, die den Bauern bei Gefahr Schutz bot. In der konfliktreichen Zeit des Mittelalters wurde die alte Wallanlage mit Palisaden noch einmal ausgebaut. Aber auch die Römer haben zu Füßen des Berges ihre Spuren hinterlassen. Seit Jahrhunderten wird das Sommerlager des Varus, dessen Legionen von den Germanen möglicherweise bei Kalkriese vernichtet wurden, an der Weser vermutet. 2008 wurden in einem Neubaugebiet römische Münzen, Bleilote, Gewandnadeln, Mühlsteine – und Zeltheringe gefunden. Was nicht ausgemacht werden konnte, waren Graben und Palisaden, die üblicherweise die Lager der römischen Legionen umschlossen. Daher gehen die Archäologen davon aus, dass es sich in Barkhausen „lediglich“ um ein Marschlager handelte. Einige Jahrhunderte später zog eine fromme Einsiedlerin in den Wittekindsberg – Thetwif, die dort mit anderen Nonnen nach den Regeln des heiligen Benedikt gelebt haben soll. Mindens Bischof Milo soll dort im zehnten Jahrhundert ein Kloster gegründet haben, als dessen Überbleibsel die Margarethenkapelle gilt, die im 12. Jahrhundert in schriftlichen Quellen auftaucht. Der schlichte, einschiffige Bau aus Sandstein hat die Jahrhunderte bis heute überdauert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mittlerweile im Besitz der staatlich-preußischen Forstverwaltung, wurde das kleine Gotteshaus zu einem beliebten Ziel für Ausflügler. Befördert wurde das durch die Sage, dass Wittekind, der Heerführer der Sachsen, an diesem Ort die Taufe empfangen haben soll. Mit dem Herzog verbindet sich noch eine weitere Sage: Sein Pferd soll in diesem Berg mit dem Huf gescharrt und eine Quelle freigelegt haben – die Wittekindsquelle. Seit 1938 sprudelt dort kein Wasser mehr hervor, vermutlich als Folge von Bergbauarbeiten. Es gibt aber gute Gründe für die Vermutung, dass diese Quelle überhaupt die Voraussetzung dafür war, dass hier erst die Burg und später das Kloster errichtet wurden. Bereits zwei Jahrhunderte vor der Margarethenkapelle war im zehnten Jahrhundert nur wenige Meter entfernt die „Kreuzkirche“ errichtet worden, deren Grundmauernerst in jüngster Vergangenheit, 1996/97, ausgegraben wurden. Allein die Form ist außergewöhnlich: Ein vollkommen symmetrisches Kreuz. Aus der selben Zeit sind in Europa überhaupt nur vier vergleichbare Bauten bekannt – in Prag, Krakau, Schuttern und Trier. Erhalten ist einzig die dortige Heiligkreuz-Kapelle, die allerdings in späteren Jahrhunderten umgebaut wurde. In der Romantik wuchs die Sehnsucht nach der Natur. Die Menschen suchten das Ursprüngliche und fanden in den beiden „wilden“ Bergen rechts und links der Weser einen Ort, der sie inspirierte. Bei der Margarethenkapelle bauten Gastwirte ihre Stände auf, um die Ausflügler zu erfrischen. Der Bückeburger Hofmaler Otto Quante stellte die Szenerie in unzähligen Stichen dar. Andere Künstler verwendeten seine Bilder als Anregung. Die Stiche fanden weite Verbreitung in den Wohnstuben und brachten wieder neue Touristen an die Weser. Die Nation war noch jung. Das geeinte Deutschland suchte seine Identität darzustellen. Dem Gründer sollte ein Denkmal gesetzt werden. Dafür machte sich die westfälische Provinzialregierung stark. Die Mindener waren überzeugt, den idealen Standort dafür zu haben. Sie sammelten eifrig Geld und stachen damit etliche Konkurrenten aus. 1889 fiel die Entscheidung, ein Denkmal für Kaiser Wilhelm I in der Porta Westfalica zu errichten. Der Berliner Bruno Schmitz gewann den Architekten-Wettbewerb mit einer monumentalen Sandstein Haube, die eine Bronze-Statue beherbergt. 1896 wurde das Denkmal im Wittekindsberg mit viel Pomp durch den Enkel, Kaiser Wilhelm II und Gemahlin Auguste-Viktoria feierlich eingeweiht. Mehr als 20 000 Menschen sollen damals die Straßen vom Bahnhof Minden bis zum Denkmal gesäumt haben. Soldaten, Schulklassen und Schützenvereine wurden abgeordnet Fähnchen zu schwenken. Aber auch später, in den 1970er Jahren, erzählen Mindener, erstreckten sich sonntags die Blechkolonnen, die zum Denkmal wollten, bis in das acht Kilometer entfernte Mindener Glacis. Und auch heute noch zieht das Denkmal aus vielen Kilometern Entfernung die Blicke auf sich. Die bislang zugemauerten Rundbögen verwandelten sich in Panoramafenster. Stiche des Hofmalers Otto Quante hingen bald in vielen Wohnstuben.


20180703.KAISER_WILHELM
To see the actual publication please follow the link above