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Zeichen des Aufbruchs Die Einsteins In einem Institut in Kapstadt wächst Afrikas Mathe-Elite heran. Zu seinen größten Talenten gehört Vincent Langat aus Kenia. Der Raum ist praktisch und schmucklos: 34 // MUT 03 Tische, Stühle, an der Tafel ein paar verwischte Formeln. Ein Mann mit weißem Haar und weinrotem Pullover überm Karohemd steht vor einem Dutzend junger Frauen und Männer. Ein Student im Schlabberpulli erhebt sich: „Im Namen aller: Danke Juerg, dass du 10.000 Kilometer hergereist bist! Wir würden dich gern auf Dauer hier behalten.“ Juerg Weber lächelt. „Ich hoffe, ihr habt bei mir was gelernt.“ Die Studenten nicken dem Professor für Makro-Ökonomie lachend zu. Er hat mit ihnen durchgespielt, wie man Versicherungsrisiken berechnet. Mit Studenten seiner Universität in Perth braucht er für solche komplizierten Kalkulationen ein Semester, den klugen Köpfen in Kapstadt reichen drei Wochen. Denn er unterrichtet am „African Institute for Mathematical Sciences“, dem AIMS, dessen Studenten zu den Mathetalenten des Kontinents gehören, ausgewählt aus Tausenden Bewerbungen. 37 Männer und 19 Frauen machen derzeit am AIMS ihren Master. Sie kommen aus dem Kongo, Madagaskar, dem Sudan, Südafrika, Ghana, Botswana und einem Dutzend anderer Länder Afrikas. Webers Kurs war typisch für den praxisnahen Unterricht des Instituts. Er hat ihnen gezeigt, dass sie mit dem, was sie in ihren Heimatländern in Mathe gelernt haben, bereits viele reale Probleme lösen können. „Als wir uns kürzlich um Praktika in Unternehmen beworben haben, fiel es leicht zu erklären, was ein Mathematiker für sie leisten kann“, sagt Ylaney Ramlall, eine indischstämmige Südafrikanerin. „Ohne ihn hätten wir das nicht drauf gehabt.“ Auch dass sie Dozenten mit Vornamen anreden dürfen, dass sie in der Mensa am selben Tisch sitzen und Fragen nicht nur erlaubt, sondern erwünscht sind, ist für viele ungewöhnlich. „Wir haben uns innerhalb weniger Monate verändert“, sagt Ramlall. Während sie sich im Erdgeschoss von Dozent Weber verabschiedet, brüten Studenten in Bibliothek, Computerraum und Wohnräumen über ihren Masterarbeiten. Das Haus ist ein ockerfarbener Zweckbau, nur einen Straßenzug vom Strand entfernt, der unter Surfern sehr beliebt ist. Offenbar auch unter den Mathematikern, denen ein Schild am Eingang verbietet, in Surfmontur das Institut zu betreten. Vincent Langat aus Kenia ist einer von ihnen. Der 28-Jährige tüftelt an einem Algorithmus, mit dem sich verschiedene Energiequellen wie Sonne und Wind optimal aufeinander abstimmen lassen. „Anwendung ist mir am liebsten“, sagt er. „Ich möchte mit meinen Fachkenntnissen außerhalb des Instituts Probleme lösen.“ Langat gehört zum Volk der Kalenjin, einem Stamm, der für seine guten Läufer bekannt ist. Er hat die sehnige Statur eines Sprinters, auch wenn er nicht sehr „Mathe habe ich schon immer gemocht. Es ist als entschlüssele man Geheimnisse.“ VINCENT LANGAT Student aus Kenia Text Christoph Borgans // Foto Uli Reinhardt


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