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64 MENSCHEN · MACHER · MÄRKTE Sophia Hodemann, stellvertretende Stationsleiterin der Notaufnahme am JWK, muss stets den Überblick behalten. Foto: pr Lebensretter im Einsatz Eine Nacht in der Notaufnahme des Johannes Wesling Klinikums Minden. In der Notaufnahme wird Leben gerettet. 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Rund um die Uhr leisten Ärzte und Pflegefachpersonal ihren nicht immer einfachen Dienst. Es ist 20.30 Uhr, Sophia Hodemann, stellvertretende Stationsleiterin der Notaufnahme am Johannes Wesling Klinikum (JWK), bespricht mit dem Team der Spätschicht bei der Übergabe alles Wichtige. Wie fast täglich hatte auch die Spätschicht alle Hände voll zu tun. Ein Herzinfarkt war dabei, ein Schlaganfall, eine Reanimation. Der erste Einsatz für diese Nacht steht an: Zwei Kollegen wuchten eine korpulente ältere Frau von der Trage auf ein Bett. Der Notfallsanitäter des Rettungsdienstes erklärt den Ablauf: „Die Dame ist in einem Supermarkt aus ihrem Rollstuhl gerutscht und auf dem Boden aufgeschlagen. Verdacht auf Knochenbruch.“ Schnell wird klar: bei der Dame spielt sich ein persönliches Drama ab. Sie ist schwer krank und kann nur über einen Luftröhrenschnitt atmen. Sprechen kann sie nicht. Luft zu bekommen, fällt ihr schwer. Aber Sophia Hodemann erkennt die Not der Frau sofort. Sie saugt lästigen Schleim direkt aus der Lunge ab. Eine unangenehme so die Auskunft. Als Maximalversorger deckt das Johannes Wesling Klinikum nahezu alle Behandlungsbereiche ab. Das Einzugsgebiet ist entsprechend groß. Während sich einer der Notärzte um den Epilepsie-Patienten kümmert, sitzt in der Anmeldung eine Familie mit ihrem Sohn, der sich den Fuß verletzt hat. Die Röntgenuntersuchung zeigt die Diagnose: Bruch des Mittelfußknochens. Das heißt Gips – für den jungen Sportler erst mal ein kleiner Schock. Die Eltern sind dagegen erleichtert, weil der glatte Bruch ohne Operation verheilen wird. Krankenpfleger Roger Papke versteht es, dem Jungen die Ängste zu nehmen. Er erklärt dem Neunjährigen, dass die Verletzung der angestrebten Karriere als Fußballprofi nicht im Wege stehen werde – vorausgesetzt natürlich, er hält sich an die Anweisung des Arztes und schont seinen Fuß. Es geht Schlag auf Schlag, Zeit für einen Kaffee bleibt nicht: Nierenkolik, unklare Herzbeschwerden, Sturz von der Treppe, Platzwunde… Wer zimperlich oder empfindlich ist, ist als Prozedur, die aber schnell zu einer deutlichen Verbesserung führt. Die Dame kann wieder befreit atmen. Nebenan warten die nächsten Patienten. Fast jeder Stuhl im Wartezimmer ist besetzt. Wer als Nächstes behandelt wird, richtet sich nicht nach der Reihenfolge der Ankunft. Die meisten Notaufnahmen arbeiten nach dem Triage-System, einem weltweit angewandten System der Ersteinschätzung von Patienten. Danach werden Patienten in fünf Kategorien eingeteilt von „Schwerste Fälle mit unmittelbarer Lebensgefahr“ bis hin zu „Nicht dringliche Fälle“. Wer wie lange warten muss, richtet sich ausschließlich nach der Dringlichkeit. Das kann dazu führen, dass ein Patient sehr lange warten muss, weil im Nebenraum ein Mensch mit dem Tod ringt und alle Mitarbeiter dort eingesetzt sind. Ein Rettungswagen aus Sulingen kündigt sich an. Der Patient habe epileptische Anfälle, Mitarbeiter in der Notaufnahme fehl am Platz. Trotzdem ist der Job hier für die meisten Mitarbeiter ein Traumjob. „Wir arbeiten an der Hauptschlagader des Lebens. Jede Entscheidung hat unmittelbare Folgen. Wir erleben tiefste Dankbarkeit, wir retten Leben und manchmal müssen wir leider auch Leben loslassen. Unsere Arbeit ist in jeder Art und Weise existenziell“, sagt Jens Krümpelbeck, Pflegerischer Leiter der Notaufnahme im JWK. Der Nachtdienst geht hektisch weiter: Eine Dame ist kopfüber von einer Treppe gestürzt, ein älterer Mann hat sich beim nächtlichen Toilettengang die Schulter gebrochen und ein junger, ziemlich alkoholisierter Mann ist beim Tanzen in einer Disco mit dem Kopf an die Boxen gestoßen. Mehr als 60 Patienten hat das Team der Notaufnahme in knapp neun Stunden versorgt. „Tödliche Verletzungen waren bislang nicht dabei“, sagt Sophia Hodemann. Aber bis zur letzten Minute müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Notaufnahme konzentriert bleiben. „Wir wissen nie, was im nächsten Moment passiert. Jede Schicht, jede Stunde, jede Minute unserer Arbeit birgt Überraschungen. So wie das Leben.“ (pr/hmf) So wie das Leben: Jede Minute in der Schicht hält neue Überraschungen be-


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