Donnerstag, 12. September 2019 · Nr. 212 Eine Stadt für alle Mindener Tageblatt 35
„Wer rastet, der rostet“
Sport für Senioren stärkt die Beweglichkeit und das Selbstwertgefühl.
Von Heike von Schulz
Hille (hvs). Sport – das ist in jungen Jahren
Ausgleich vom Stress im Beruf, für
viele auch mit sportlichen Ambitionen
in Vereinen und bei Wettkämpfen
verbunden. Sport ist Lifestyle mit
Trendsportarten wie Pilates oder Yoga
und intensives Work-out für den
ganzen Körper. Im Alter ist Sport eine
Form der Prävention, um gesundheitliche
Beschwerden zu verhindern oder
zu lindern. Sport bringt Lebensfreude,
Energie und Kontakte zu Mitmenschen.
„Wer rastet, der rostet“ heißt es
so treffend. Wer sich im Alter fit hält,
kann damit seine eigene Selbstständigkeit
länger erhalten.
Es ist nie zu spät, mit Sport zu beginnen.
Um aktiv und vital zu bleiben,
um Schmerzen in den Gelenken
und Rücken zu bekämpfen, ist Bewegung
und Beanspruchung der Muskeln
förderlich. Der Herzmuskel, das
Herz-Kreislaufsystem und die Durchblutung
werden gestärkt. Die Gelenke
werden stabilisiert. Auch für die Psyche
ist Sport gerade im Alter positiv,
denn er gibt Selbstwertgefühl und
kann Ängsten und Depressionen entgegenwirken.
Bei Gymnastik, Schwimmen,
Nordic Walking, Radfahren oder
Wandern geht es nicht um Leistung,
sondern um Spaß und Geselligkeit in
der Gruppe.
In der Gemeinde Hille ist das sportliche
Angebot für Senioren groß. Siegfried
Paasche ist seit zehn Jahren Vorsitzender
des Seniorenbeirates in Hille.
Er ist 79 Jahre alt und spielt jeden
Freitag in seinem „Altherrenclub“, wie
er ihn nennt, zwei Stunden Tischtennis.
„Mobil bleiben ist so wichtig. Wir
möchten möglichst viele Senioren
wachrütteln und sie für körperliche
Bewegung begeistern“, sagt er. Deshalb
hat der Seniorenbeirat der Gemeinde
im Frühjahr die Idee umgesetzt,
das sportliche Angebot für Senioren
in Hille zusammenzufassen
und in Kooperation mit dem Gemeindesportverband
Hille auf der
Internetseite „Wir in Hille“ (www.wirin
hille.de/vereine-in-hille/sportvereine
hille/seniorensport) zu veröffentlichen.
Junggebliebene finden
hier zahlreiche Angebote zu sportlicher
Aktivität in Gruppen und Vereinen
der Gemeinde.
Eine, für die Sport ganz oben auf
der Agenda steht, ist Gisela Möllmann.
Vor zwei Jahren hat sie eine
Gymnastikgruppe ins Leben gerufen,
die aus dem Seniorenclub der
Ortsgruppe Rothenuffeln-Haddenhausen
des DRK (Deutsches Rotes
Kreuz) entstanden ist. „Es ist gar nicht
so leicht, die Seniorinnen vom Kaffeetisch
wegzulocken“, hat die
Übungsleiterin festgestellt.
Sie hat sich stets im
Gesundheitssport engagiert
und fortgebildet, bis
sie vor sieben Jahren wegen
Problemen mit den
Herzkranzgefäßen aufgehört
hat. Jetzt turnt die
vitale 80-Jährige wieder
mit gutem Beispiel voran.
Immer montags, außer in den
Schulferien, treffen sich rund 15 ältere
Damen und zwei Herren in der
Turnhalle in Rothenuffeln, um sich
fit zu halten. „Jeder ist zum Mitmachen
eingeladen“, so Gisela Möllmann.
Zum Takt von flotter Musik
werde der Körper aufgewärmt. Loslösen
vom Alltag ist das Stichwort.
Dann stehen Übungen zur Auflockerung
mit Gymnastikbällen, Bändern
oder Ringen auf dem Programm. „Und
wenn jemand nach den Entspannungsübungen
auf der Matte nicht
mehr hochkommt, wird ihm geholfen.
Denn hinlegen können wir uns alle
noch, aber mit dem Hochkommen
ist das schwieriger“, so Möllmann.
Auch Pilates und Autogenes Training
stehe auf ihrem Übungsplan.
Die Gymnastikgruppen für Damen,
die Marlene Nelles aus dem Hiller
Ortsteil Mindenerwald leitet, sind
ein weiteres leuchtendes Beispiel für
Seniorinnen, die sich durch Bewegung
fit halten. „Die älteste Dame bei
uns ist fast 90“, berichtet die 56-Jährige.
Seit 25 Jahren engagiert sie sich
als Übungsleiterin. In der Turnhalle
der Förderschule Mindenerwald betreut
sie unter dem Dach des Rasensportvereins
(RSV) „Westfalia“ Mindenerwald
die Montags- und die
Dienstagsgruppe. Nach dem Aufwärmen
zu Musik leitet Marlene Nelles
zu Übungen zum Muskelaufbau, Beckenbodentraining
und zur Koordination
an. Es kommen Therabänder
und Pezzi-Bälle zum Einsatz. „Wir machen
Gymnastik im Stehen und sitzend
auf dem Hocker. Die Übungen
im Einbeinstand sind meine Lieblingsübungen,
die stärken das Gleichgewicht“,
sagt sie.
Helga Opitz sieht man ihre 82 Jahre
nicht an. Gelenkig hebt sie Beine
und Arme, obwohl sie in jungen Jahren
an der Bandscheibe und dem Knie
operiert wurde. „Einige von uns haben
bereits Ersatzteile“, meint Helga
Zawierucha (74) mit Humor. Sie fühlt
sich in der Gruppe gut aufgehoben
und ist trotz zwei neuer Hüftgelenke
beweglich. Karin Wessel (73) ist seit
der Gründung der Gymnastikgruppe
dabei, seit rund 50 Jahren. Eine Stunde
dauert das Training. Am Ende steht
Cooldown und Dehnen. Ganz wichtig
ist den rüstigen Damen die Gemeinschaft.
Die Dienstagsgruppe
unternimmt in der Sommerpause
Radtouren mit Picknick. Wenn jemand
fehlt, werde sich erkundigt, was
der Grund seien könnte. Denn Sport
in der Gruppe fördert nicht nur die Beweglichkeit,
er kann auch ein Weg aus
der Einsamkeit im Alter sein.
Stärkt die Oberschenkelmuskulatur: Margret Zwiener hat Spaß an der Übung mit dem Pezziball.
Marlene Nelles (l.) leitet hier Übungen für den Muskelaufbau.
Sport als eine Form der Prävention –
oder um Beschwerden zu lindern
Fitness im Alter verlängert
die Selbstständigkeit.
Gelenkig bleiben: Die Damen der Dienstags-Gymnastikgruppe beim RSV Mindenerwald halten sich fit. Fotos: Heike von Schulz