24 Mindener Tageblatt Eine Stadt für alle Nr. 212 · Donnerstag, 12. September 2019
Schnippelparty im Kochzelt: Beim Theaterprojekt „Das neue Wir“ im Februar 2017 im Stadttheater haben Menschen vieler Nationen zusammen geschnippelt
und gemeinsam gegessen. Foto: Paul Olfermann / Stadt Minden
Minden ist Vielfalt
Hier geht es multikulturell von Mensch zu Mensch zu.
Von Heike von Schulz
Minden (hvs). Minden ist eine „Stadt
für alle“ – eine multikulturelle Stadt.
Nach den Zahlen des Bereiches Bürgerdienste
sind mit Stand vom Januar
dieses Jahres 9.834 Menschen mit
einer anderen Staatsangehörigkeit als
Deutsch aus 121 Nationen in der Stadt
vertreten. Die größte Gruppe seien die
Menschen aus Syrien (2.071), von
denen viele freiwillig nach Minden gezogen
sind, aber auch als Asylbewerber
zugewiesen wurden, erläutert Daniel
Schollmeyer, der den Bereich Bürgerdienste
leitet. Die am zweithäufigsten
vertretene, ausländische
Staatsbürgerschaft ist die des Irak
(804 Menschen), gefolgt von Polen
(656), der Türkei (557), Italien (480),
der Russischen Föderation (370) und
Portugal (346). Auch 83 staatenlose
Menschen sind dabei, die wie die ungeklärten
Fälle (111) als eigene „Staatsbürgerschaft“
geführt werden. „Die
Staatenlosen sind meist Personen, die
von ihrem Herkunftsland als Bürger
nicht anerkannt werden und die von
dort keine Papiere erhalten“, so
Schollmeyer. Insgesamt wohnten
zum Stichtag 31. Dezember 2018
83.963 Menschen in Minden.
Hinten den Zahlen stehen Schicksale
und Biografien von Menschen,
die aus Kriegs- und Krisengebieten
nach Deutschland geflüchtet sind und
in Minden eine Zufluchtsstätte gefunden
haben. Gisela Posch als Koordinatorin
der Flüchtlingsunterstützung
der Stadt Minden und die Integrationsbeauftragte
der Stadt Minden,
Selvi Arslan-Dolma, wissen nur
zu gut, wie wichtig die Einbindung der
Menschen in die Stadtgesellschaft ist.
Habe zunächst der Schutz durch
Unterbringung im Vordergrund gestanden,
stelle die Integration geflüchteter
Menschen die Gesellschaft
jetzt vor große Herausforderungen.
„Gleichermaßen können wir
von der Vielfalt profitieren und diese
als Bereicherung sehen“, sagt Gisela
Posch. Erfolgreiche Integration –
das sei ein „Geben und Nehmen“, Begegnungen
von Mensch zu Mensch
als Helfer, Wegbereiter, als Unterstützer
und Brückenbauer für ein friedliches
und vielfältiges Miteinander.
Die Aktivitäten für die Integration
von Flüchtlingen in Minden sind äußerst
vielfältig. „Das Engagement der
Ehrenamtlichen und professionellen
Beratungsstellen ist enorm“, so Gisela
Posch. Es würden viele Personen im
Stillen helfen – als Übersetzer bei Arztbesuchen,
als nachbarschaftliche Helfer,
private Deutschlehrer oder Betreuer.
Das sei ein wichtiger und wertvoller
Gewinn für die Gesellschaft.
Minden ist ein Ort der Vielfalt. Vielfalt
– das sei hier nicht nur die kurdische
Community, die stark angewachsen
sei durch Menschen aus Syrien
und dem Irak, so Posch. „Nicht
zu vergessen sind die vielen Türken,
Spätaussiedler, die Roma, Portugiesen,
Italiener, Griechen, Albaner, Engländer,
Polen, Afghanen, Afrikaner,
die hier schon viele Jahre leben und
arbeiten“, erklärt sie. Auf der Webseite
www.helferboerse-minden.de,
die von Gisela Posch betreut wird,
gibt es hilfreiche Tipps, Infos und
eine Helferbörse.
Die Aktivitäten für die Integration
von Flüchtlingen im Bereich Sport,
Kultur, Begegnung haben in der Stadt
Minden eine umfassende Bandbreite.
Gisela Posch nennt Sportvereine
und Kulturvereine wie das BÜZ, das
Stadttheater mit „Das neue Wir“, die
Stadtbücherei, die Diakonie und das
Arbeitslosenzentrum ALZ. Nicht fehlen
dürfen auch der Jugendring der
AWO mit Treffpunkten wie dem Café
der Kulturen, Sprachcafé, Kochclub,
Frauenfrühstück, Frauentreffs in den
Stadtteilen und Gartenprojekte wie
der interkulturelle Garten Bärenkämpen
und der Gemeinschaftsgarten
„Tausendschön“, die ebenfalls mitwirken.
Viel Engagement gebe es bei
den Kirchen, der Caritas, der Diakonie.
Ehrenamtliche Betreuung und Beratung
leisten zum Beispiel Vereine
wie „Ameise Kulturhügel“, „Hope hilft
e. V.“ oder die Flüchtlingsinitiative Hafenschule,
um nur einige zu nennen.
In Minden gebe es eine sehr gut funktionierende
ehrenamtliche Arbeit.
Vertreten werden die Interessen der
in Minden lebenden Menschen mit
Zuwanderungsgeschichte von dem
Integrationsrat der Stadt Minden.
Minden habe eine alte Tradition der
Friedenskultur, ist Sitz des deutschen
Zweiges des Internationalen
Versöhnungsbundes und des Bundes
für Soziale Verteidigung (BSV), so
Gisela Posch.
„Integration ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“
Das stellte Bürgermeister
Michael Jäcke bei der Auftaktkonferenz
für das Integrationskonzept
imMai heraus. „Es ist viel passiert
und es läuft auch schon etliches,
aber da geht noch was“, ist er
sich sicher. Aus diesem Grund wolle
die Stadt ein Konzept für die Integration
in Minden erstellen, das
Grundlage für alle Einwohner sein
soll. Zur Auftaktveranstaltung kamen
mehr als 200 Mindener aller Generationen
und vieler Kulturen, darunter
Stadtverordnete, Mitglieder des
Integrationsrates, Ehrenamtliche und
Aktive, Mitarbeiter von Migrantenselbsthilfeorganisationen,
karitativen
und kirchlichen Einrichtungen
sowie der Wirtschaft. Ende September
soll es die nächsten Workshops geben,
so Susann Lewerenz von der Pressestelle
der Stadt Minden.
Workshop im Gemeinschaftsgarten „Tausendschön“: Der Garten soll ein Ort des Miteinander aller Altersgruppen
und Kulturen sein, so der Verein „GreenFairPlanet“ aus Minden. Fotos: Stadt Minden
Flüchtlinge helfen Flüchtlingen: Bei diesem Projekt geben Integrationslotsen Orientierung und unterstützen Geflüchtete.
Im Dezember 2017 erhielten acht Mindener nach zweiwöchiger Qualifikation ihre Zertifikate.
Hinter jeder Zahl stehen
Biografien und Schicksale.
Ehrenamtliche Arbeit
funktioniert gut in Minden.
Das Integrationsprojekt „I.Qu.I“
Für die Vermittlung von Arbeit und
Ausbildung steht auch das Integrations
Projekt „I.Qu.I.“ (Identifizieren,
Qualifizieren, Integrieren) der
Stadt Minden.
Angeboten werden unter anderem
Deutschkurse, Beratung und Unterstützung
bezogen auf Arbeits- oder
Ausbildungssuche. Das Angebot
richte sich in erste Linie an Geflüchtete
mit guter Vorbildung oder
einem Studium aus Ländern, für
die das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) keine
Sprachkurse finanziere. „Das sind
im Prinzip alle, die sich im laufenden
Asylverfahren befinden und
keinen sicheren Anspruch auf ein
Bleiberecht haben“, so Natalie
Egert. Sie ist als Mitarbeiterin der
Stadtverwaltung zuständig für das
Projekt.