16 Mindener Tageblatt Eine Stadt für alle Nr. 212 · Donnerstag, 12. September 2019
„Es gibt keinen Aus-Knopf“
Wenn ein strukturierter Tagesablauf das A und O ist: Dr. Meike Bentz kümmert sich um Schreikinder und deren Eltern.
Von Sonja Töbing
Minden (soni). Pausenloses Geschrei
ohne erkennbaren Grund, schlaflose
Nächte, zermürbende Tage und die
immer im Raum stehende Frage „Was
mache ich falsch?“ – Eltern von Schreikindern
kommen schon nach wenigen
Wochen an ihre persönliche Belastungsgrenze.
„Viele meinen, sie
müssten alles alleine bewältigen und
ertragen, doch das funktioniert auf
Dauer nicht“, betont Dr. Meike Bentz.
Sie betreibt seit sechs Jahren die
Schreiambulanz und Elternberatung
„Brüllaffen“ in Minden und hat während
dieser Zeit bereits vielen Müttern
und Vätern helfen können.
Babys und Kleinkinder weinen und
schreien, sobald sie müde sind, wenn
sie Hunger oder Schmerzen haben –
das ist normal und kein Grund zur Sorge.
Doch ab wann gilt mein Kind als
Schreikind? „Hier wird die sogenannte
Dreierregel angewendet. Wenn
mein Kinder mindestens drei Stunden
täglich an mindestens drei Tagen
pro Woche mindestens drei Wochen
lang schreit, spricht man von exzessivem
Schreien“, erklärt Meike
Bentz, die vor zehn Jahre der Liebe wegen
nach Minden zog und als Mutter
von zwei Söhnen die Sorgen, Ängste
und Verzweiflung ihrer Klienten bestens
nachvollziehen kann.
„Bei Schreikindern ist die Fähigkeit
zur Selbstregulation gestört. Das bedeutet:
Diese Babys und Kleinkinder
haben keinen Zugang zu ihren inneren
Zuständen. Sie spüren viel zu spät,
dass sie müde sind oder Hunger haben.
Hinzu kommen dann noch die
äußeren Reize, die sie kaum oder gar
nicht verarbeiten können und dadurch
noch überforderter mit sich
und ihrer Situation sind“, erklärt die
42-jährige Diplom-Psychologin. In einigen
Fällen könne sich diese Störung
bis ins Grundschulalter bemerkbar
machen, etwa durch chronische
Unruhe, exzessives Trotzen, aber auch
überängstliches-anklammerndes
Verhalten oder Spielunlust. Dies könne
man ab dem Grundschulalter testen.
Keinesfalls habe ein Schreibaby
automatisch ADHS, dies gelte nur für
einen kleinen Teil.
Die Eltern, die zu Meike Bentz in deren
Privatpraxis im zweiten Stock des
Preußen-Museums kommen, sind verzweifelt,
erschöpft, müde, aber
manchmal auch wütend und aggressiv.
„Die Belastung, der sie ausgesetzt
sind, ist enorm. Ich habe schon Eltern
hier sitzen gehabt, die mir anvertrauten,
dass sie zwischenzeitlich mit dem
Gedanken gespielt haben, ihr Kind zu
nehmen und zu schütteln, weil sie das
Geschrei nicht mehr ertragen können.“
Solche Gedankengänge seien natürlich
erschreckend, das sei auch den
Betroffenen bewusst. „Die Eltern für
ihre Gefühle zu verurteilen, ist jedoch
falsch. Ich habe wirklich Hochachtung
vor allen, die mit diesem Problem
konfrontiert werden und es mit
professioneller Unterstützung lösen
möchten.“
Grundsätzlich gelte: Einen Aus-
Knopf, der die ersehnte Erlösung bringe,
gebe es nicht. „Ich bitte die betroffenen
Eltern, über mehrere Tage Protokoll
zu führen. Wann schläft das
Kind, wann isst es? Natürlich schaue
ich mir auch die jeweiligen Lebensumstände
und das Umfeld an, denn jeder
Fall ist anders, da gibt es kein Patentrezept“,
betont Meike Bentz. Sie gebe
den Eltern immer einen Notfallplan
an die Hand. „Wenn die Situation
daheim zu eskalieren droht, rate
ich allen Betroffenen, den Raum zu
verlassen, sich selbst aus der Situation
herauszuziehen und gegebenenfalls
um Hilfe zu bitten, sei es beimKinderarzt,
bei einer Beratungsstelle, bei
Familie und Freunden.“ Niemand
müsse in einer solchen Extremsituation
ein schlechtes Gewissen haben.
„Es ist wichtig, nach innen zu schauen
undsichselbstklarzumachen: Auch
ich habe meine Grenzen.“
Für die Schreikinder sei es enorm
wichtig, einen geregelten Tagesablauf
mit festen Zeiten und einem für
sie passenden Schlafrhythmus zu haben.
Weiterhin sollten nicht zu viele
Reize von außen einwirken. „Es ist wissenschaftlich
erwiesen, dass Schreikinder
sehr sensibel auf Reizüberflutung
reagieren, ihr Filter ist eher großporig“,
sagt die Diplom-Psychologin.
Eltern sollten ihren kleinen Schatz
während dieser unruhigen Phasen
einfach in den Arm nehmen, für ihn
da sein. „Sie sollten sich den Druck
nehmen, ihr Kind durch die x-te Maßnahme
schnell beruhigen zu müssen.
Beruhigen kommt von Ruhe.
Meist machen Eltern nicht zu wenig,
sondern zu viel.“
Gegebenenfalls sei es möglich, den
Prozess mit natürlichen Mitteln zu
unterstützen. „Lavendelöl hat eine beruhigende
Wirkung. Einfach ein paar
Tropfen davon auf die Matratze geben.
Das Kind verbindet bald schon
den Duft von Lavendel mit Schlafengehen“,
sagt Meike Bentz. Auch ein
von der Mama getragenes T-Shirt gebe
den Kleinen ein Gefühl von Sicherheit
und Geborgenheit. Wenn das
Baby positiv darauf reagiere, seien
auch Babymassagen oder abendliches
Baden eine Möglichkeit.
„Wenn alle Stricke reißen, gibt es
noch die Option, das Kind im Schlaflabor
untersuchen zu lassen, um organische
Ursachen für das Schreien
auszuschließen.“ Im Normalfall lasse
sich jedoch eine Besserung nach sechs
bis acht Wochen alleine durch die
Schaffung eines strukturierten Tagesablaufs
sowie durch die Einführung regelmäßiger
Ruhepausen und die Vermeidung
von Überreizung und Überstimulation
besonders in Unruhephasen
erzielen.
Meike Bentz hat einen Wunsch auf
dem Herzen: „Ich wünsche mir von allen
mehr Respekt und Verständnis im
Umgang mit Schreikinder-Eltern. Ein
aufmunterndes Lächeln und ein paar
liebevolle Worte sind besser als der
x-te gut gemeinte Ratschlag.“ Weiterhin
wünsche sie den betroffenen
Eltern mehr Vertrauen in sich selbst.
„Wir haben in unserer Kultur leider
verlernt, auf unser Bauchgefühl zu hören.
Eltern sollten nicht zu sehr im
Außen nach Antworten suchen, sondern
vielmehr ihrer eigenen Intuition
vertrauen“, sagt die 42-Jährige.
Die Schreiambulanz und Elternberatung
„Brüllaffen“ ist nur nach Vereinbarung
geöffnet. Dr. Meike Bentz
ist erreichbar unter den Telefonnummern
(05 71) 38 76 06 46 und (01 76)
80 68 57 81 sowie per Mail unter
info@bruellaffen-minden.de
■ Weitere Informationen gibt es auf
der Homepage www.bruellaffenminden.
de
Dr. Meike Bentz ist Diplom-Psychologin und berät in ihrer Schreiambulanz
„Brüllaffen“ Eltern mit Schreikindern. Foto: Sonja Töbing
Zur Person
Dr. Meike Bentz hat in Hamburg
und Berlin Psychologie studiert
und promovierte an der renommierten
Humboldt-Universität Berlin.
Nach der Geburt ihrer beiden
Söhne entschied sie sich dafür, sich
auf das Thema Selbstregulation
und auf die Behandlung von
Schreikindern zu spezialisieren. Die
42-Jährige bildet neben ihrer Praxistätigkeit
auch Tagesmütter und
-väter beim Kinderschutzbund aus.
Weiterhin hält sie regelmäßig Vorträge
und leitet Seminare.
Respekt und Verständnis für
Eltern von Schreikindern
Wenn die Fähigkeit zur
Selbstregulation gestört ist
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