Natürliche Entdeckungen statt Unterricht
Ein Blick auf die Nachkriegszeit und den Ausfall von Schulfächern
PADAbschleppdienst
Rüdiger Brauns
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Von Robert Kauffeld
Porta Westfalica-Barkhausen
(rkm). Damals, nach Ende des
Krieges war der Begriff Nachhaltigkeit
noch nicht erfunden.
Satt werden lautete die
Devise, doch die Kinder interessierten
sich auch für die Natur.
Biologieunterricht war besonders
bei den Jungen beliebt,
aber den gab es nach
Kriegende mehrere Monate
genau so wenig wie Unterricht
in anderen Fächern.
Selbst forschen war angesagt,
und da schien das Leben in
der Weser interessant zu sein.
„Die gehen doch tot!“ Diese
kritische Bemerkung unter
Kindern, wenn das Einmachglas
mit einem Deckel verschlossen
war und sich darin
die soeben in der Weser gefangenen
Fischlein befanden,
die ein noch einzurichtendes
Aquarium bevölkern sollten.
Und tatsächlich, am nächsten
Tag waren sie „tot gegangen“,
nicht wegen des verschlossenen
Glases, sondern
weil alle anderen Voraussetzungen
für ein Gedeihen fehlten.
Unter erheblichen Verlusten
an schwimmendem Material
lernten die Barkhauser
Jungen dazu. Wasserpflanzen
müssen rein. Doch kleine
Hechte, Barben, Grimpen und
Rotfedern reagieren mimosenhaft
auf Freiheitsentzug.
Die Ära der Stichlinge begann.
Und die haben einiges
zu bieten. Die bauen sogar ein
Nest: auf dem Boden, wenn es
dreistachlige Stichlinge sind,
in den Pflanzen, wenn ihre
Rückenflosse aus neun Stacheln
besteht. Die Bäche in
der Umgebung wurden abgesucht,
und die kleinen
„Schwimmlinge“ auch in
einem Bach in Hausberge entdeckt.
Wie fängt man sie
nun? Ganz einfach: kleinen
Regenwurm an Faden binden,
Wurm ins Wasser halten.
Stichling schnappt
Wurm. Angel hochziehen.
Ehe der erstaunte Stichling
losgelassen hat, liegt er schon
im Gras und dann im Glas.
Zur Ausstattung des Fischasyls
wurden jetzt Wasserpflanzen
der Natur entnommen,
Wasserpest zum Beispiel,
die trotz ihres Namens
keine Krankheit verkörpert.
Doch Vorsicht: keine Süßwasserpolypen
oder Gelbrandkäfer
einschleppen, die lieben
Fischbrut.
Nächste Stufe auf dem Weg
zum Luxus: Lebendfutter.
Ameiseneier, die – das hatten
wir gelernt – eigentlich
Puppen waren, waren
schnell „out“ und Mückenlarven
aus der Regentonne
bald verfüttert. Wasserflöhe
und Hüpferlinge könnten
mit einem feinmaschigen
Netz gefangen werden,
aber wo? Ein sorgsam
gehüteter Tipp waren
die ehemaligen Forellenteiche
beim Gut Wedigenstein,
unmittelbar
von der B 61 zu erreichen,
zwar auf dem Grundstück,
doch der Zaun hatte ja
schon ein Loch.
Im Schlamm eines Teiches
entdeckten wir kleine
rote Würmer, die sich ständig
bewegten. Tubifex, hatten
wir gelernt. Diese
Schlammröhrenwürmer
galten als Leckerbissen für
Fische. Geheimtipp: Der
verschlammte kleine Teich
beim Bauernhof auf dem
Erbe. Wie rote kleine Würmer
sitzen die Tierchen im
Schlamm, und mit diesem
schmierigen schwarzen
Schlamm mussten sie
auch ausgegraben werden.
Eimer voll, dann ging es
nach Hause.
Wie kann man die Kameraden
nun aus dem Schlamm
locken und zur Selbstreinigung
zwingen? Man müsste
es patentieren lassen: Ein-zentimeterdicke
Schicht aus
sauberem Sand über den
Dreck, zwei Zentimeter Wasser
drüber. Dann auf die warme
Herdplatte – natürlich im
Keller, sonst gab es Mackes
von Mutter. So warm liebt es
Tubifex nun auch wieder
nicht, schlängelt sich durch
den Sand und verbindet sich
in höchster Reinheit mit seinen
früheren Nachbarn zu
einem dicken roten Knäuel,
zur Ernte bereit.
Stichling, Wasserfloh, Hüpferling,
Wasserpolyp, Gelbrandkäfer,
Tubifex: Auch ohne
Biologieunterricht hat
man damals vieles aus der
Natur gelernt. Die Unterwasserwelt
im Aquarium verlor
für manchen mit der Zeit
ihren Reiz, sie trug ja auch
nicht zur Sättigung bei, was
damals an erster Stelle
menschlicher Bedürfnisse lag.
So rückte man dann den großen
Fischen in der Weser zu
Leibe – mit besonderen Fangmethoden.
Angelschein? Wer
sollte kontrollieren? Aber das
ist ein anderes Thema.
Sie heißt Kanandische Wasserpest, wächst
aber auch in hiesigen Bächen (Wikipedia).
Auch ohne Haken kann ein
Stichling gefangen werden. Der
freut sich auch über einen nackten
Wurm – zu früh.
Zeichnung: Robert Kauffeld
Porta extra 27