Page 54

mut_kw42

Reportage 54 // MUT 03 starb sein bester Freund. „Sie haben ihm den Schädel eingeschlagen, er verblutete. Ich stand daneben.“ Ubale flüchtete vor der Polizei und der gegnerischen Bande. „Ich ließ mich vor meinem Haus fallen“, erinnert er sich. „Hab da gesessen, bis die Wirkung der Drogen nachließ und ich wieder klar denken konnte: So will ich nicht mehr leben!“ „Wenn du aussteigst, jagen sie dich“ „Plötzlich war er viel zuhause und sah sehr traurig aus“, sagt Ai und blickt lächelnd auf die drei Nachbarskinder, die immer wieder durch den Innenhof jagen, an einem kleinen Kabuff vorbei, in dem sich Stoffbahnen, Papier und Boxhandschuhe stapeln. In dieser dunklen Rumpelkammer, grad groß genug für eine schmale Matratze, hatte sich Ubale damals verkrochen. Er wusste, seine Freunde waren von jetzt an seine Feinde: „Wenn du aus der Gang aussteigst, jagen sie dich, um dich zurückzuholen. Oder um dich zu verletzten, dich fertig zu machen. Nur das Haus deiner Familie respektieren sie.“ Mitten in Kano erhebt sich Dalla Hill aus einem ockerfarbenen Häusermeer. Mit 534 Metern ist der rote Sandsteinhügel höchster Punkt der Stadt. Die Savanne um Kano lässt sich von hier nur ahnen. Flache Lehm- und Backsteinhäuser drängen sich aneinander, verschwimmen mit dem Horizont. Durchbrochen wird das Bild von Minaretten der Moscheen. In und vor der größten, der Kano Central Mosque, beten freitagmittags mehr als 50.000 Gläubige. In Brigade tönt die Stimme des Muezzins über die Mauer zur Boxschule herüber, er ruft zu einem weniger schmucken Ort: Auf einem kleinen Hof nebenan knien Männer im Staub. Vor wenigen Tagen hat der Ramadan begonnen, Essen und Trinken ist erst nach Sonnenuntergang erlaubt. Mehr als 90 Prozent der Bewohner Kanos sind Muslime, Christen machen weniger als zehn Prozent der Bevölkerung aus. Die meisten von ihnen wohnen in Sabon Gari, einem Viertel direkt neben Brigade. Nur hier stehen ihre Gotteshäuser, nur hier dürfen sie beten. Seit 2000 gilt im Bundesstaat Kano – wie in elf der 36 nigerianischen Bundesstaaten – die Sharia, die islamische Rechtsprechung. Schon im Stadtbild wird sie sichtbar, wenn muslimische Mädchen in die Schule laufen und ihre hüftlangen Hijabs durch die Straßen wehen oder wenn sich Frauen und Männer kaum zusammen in der „Schon als Kind konnte Shehu nicht stillsitzen“, sagt die Großmutter, bei der der Boxtrainer aufgewachsen ist.


mut_kw42
To see the actual publication please follow the link above