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Zeichen des Aufbruchs MUT 03 // 37 gibt mir die Hand und sagt leise: „Kein Mensch weiß, wer sich von uns unter welcher Verkleidung verbirgt, wenn wir draußen sind, nicht einmal Freunde und Familie.“ Ende der siebziger Jahre kommt er in einem Dorf im Norden Ghanas zur Welt, vor ihm liegt ein ärmliches Leben. Als sein Vater einen Job beim Militär bekommt, zieht die Familie nach Accra, in einen Slum. Trotzdem schafft er es, Jura zu studieren. Doch statt in die aufstrebende Mittelschicht, zieht es ihn in den Kampf um Gerechtigkeit. „Korruption macht Arme noch ärmer. Sie werden von der Polizei abkassiert und Gauner in der Verwaltung verlangen Gebühren für Leistungen, die ihnen kostenlos zustehen.“ Anas nimmt das nicht hin. Sein bislang größter Coup traf korrupte Richter. Als er 2015 in einem Gefängnis über unmenschliche Haftbedingungen recherchierte, traf er Menschen, die unschuldig in Zellen saßen, weil sie kein Geld hatten, ihren Richter zu bestechen. Er notierte sich Namen von Richtern auf Prozessankündigungen, gab sich als Bruder eines Angeklagten aus und filmte heimlich, wie diese Richter von ihm Geld, Ziegen oder einen Sack Yam-Wurzeln entgegennahmen. Alle 35 Richter wurden verurteilt. „Korruption macht Arme noch ärmer“ In seinem Büro zeigt er mir sein Werkzeug: winzige Kameras in Kugelschreibern, Wasserflaschen und Armbanduhren. Eine passt sogar in ein Knopfloch. Er kennt die Kritik an seinen Methoden. Ein Journalist dürfe sich nicht zum Ermittler aufschwingen, lautet ein Argument. „Das hier ist Afrika“, entgegnet er. „Ich muss Verbrecher in Fallen locken und filmen, sonst winden sie sich heraus.“ Die Filme stellt er auf Youtube, Zeitungen in Ghana veröffentlichen seine Recherchen, ebenso Fernsehsender wie Al Jazeera und BBC. Beide unterstützen seine Recherchen finanziell. Außerdem verdient er Geld mit seiner Detektei, die auch Aufträge von Unternehmen annimmt. Manchmal bucht ihn sogar die Regierung. Wie in seinem aktuellen Fall der illegalen Goldschürfer. Normalerweise bekommen nur ghanaische Bürger Lizenzen zum Goldschürfen. Doch ein König in der Ashanti-Region verpachtet sein Land an chinesische Geschäftsleute, die dort graben lassen und das Edelmetall an Steuer und Staat vorbei verkaufen. Im demokratischen Ghana besitzen regionale Stammesführer noch Macht, bilden Clans eine Parallelstruktur zur staatlichen Verwaltung. „Jeder weiß von den Goldgeschäften“, sagt Anas, „aber Politiker und Polizei lassen sich schmieren.“ Ein Mitarbeiter von Anas, der sich als Desmond vorstellt, soll vor Ort recherchieren. Die Stadt liegt zwei Autostunden nordöstlich von Accra und ist ein Goldgräberzentrum. Desmond ist Anfang 30 und nicht einmal seine Freundin weiß, dass er für Anas arbeitet. Ich darf ihn begleiten. Wie man einen König entführt Von Weitem betrachtet ist die Landschaft idyllisch: Flüsschen schlängeln sich durch saftiges Grün, eine Bergkette erhebt sich in der Ferne. Kommt man näher, erinnert die Gegend an eine riesige Baustelle. Mit trübem Wasser gefüllte Erdlöcher, von schweren Maschinen zerfurchte Wiesen, aufgeworfene Erdhügel. „Das Schlimmste sieht man nicht“, erklärt Desmond. Er meint Cyanid und Quecksilber. Die Schürfer verwenden es, um das Gold aus dem Gestein zu lösen, und vergiften auf diese Weise große Landstriche. Wir fahren zum Palast des Königs. „Ihr müsst erst zwei Flaschen Schnaps kaufen“, sagt der Wächter. Ohne Geschenk keine Audienz. Drei Stunden später taucht des Königs Sekretär auf, kassiert den Schnaps und sagt: „Der König hat keine Zeit und weiß nichts von illegaler Goldsuche.“ Allerdings: Alles könne man nicht kontrollieren. Schließlich hätten die Leute keine Arbeit, kein Geld und stünden gleichzeitig bei jedem Schritt auf Goldnuggets. „Sollten sie die etwa im Boden lassen?“, fragt der Sekretär. Stunden später, in der Detektei, erklärt Anas seinen Plan: „Um den König zu überführen, brauche ich ein teures Auto, zwei Chinesen, die als Käufer auftreten, und ein Bündel Geld.“ Anas rechnet mit etwa 12.000 Dollar Gesamtkosten. Doch sein größtes Problem ist ein anderes. Er zeigt auf das Organigramm auf dem Clipboard neben seinem Schreibtisch. Darauf stehen Namen von Leuten, die am Gold verdienen. Drei Namen sind noch nicht ermittelt. „Es könnten Leute ganz oben in der Regierung sein.“ Die eigenen Auftraggeber? „Möglich“, sagt Anas. Er werde trotzdem zuschlagen. Schließlich sei sein Motto: „Name, shame and jail“ – Name, Schande und Gefängnis. 2 Ghana befreite sich 1957 als erstes Land Afrikas von der Kolonialmacht Großbritannien. 1992 wurde das Einparteiensystem abgeschafft, das Land gilt heute als relativ stabil demokratisch und prosperiert wirtschaftlich.


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