Editorial MUT 03 // 3 Einen neuen Blick wagen Liebe Leserin, lieber Leser, als Albert Einstein an seinem 72. Geburtstag von Fotografen aufgefordert wurde, endlich in die Kamera zu lächeln, streckte er die Zunge raus. Er wollte ihren Erwartungen nicht gerecht werden. Das Bild gefiel ihm später so gut, dass er sich Abzüge kommen ließ und an Freunde verschickte. Bis heute spricht uns seine freche, selbstbewusste Haltung an. Sonst wäre das Foto nicht so berühmt geworden. Unser Titelmodell Thandiwe Princess Njephe grüßt ihr großes Vorbild mit dessen Geste. Wir haben sie nicht zufällig ausgewählt: Sie studiert am AIMS, einem Institut in Kapstadt, das Mathe-Talente aus ganz Afrika fördert. Der Leiter sagt: „Der nächste Einstein kommt aus Afrika!“ (Seite 32). Auch diese Haltung ist frech und selbstbewusst – und widerspricht so ganz dem gängigen Afrika-Bild, das wir Europäer pflegen. Afrika ist für uns der Kontinent der Krisen, Kriege und Katastrophen, der hungernden Kinder und fiesen Diktatoren. Deshalb spenden viele von uns und das ist gut so. Okay, ein wenig Safari darf es auch sein. Aber wann erfahren wir von afrikanischen Unternehmern, die Arbeitsplätze schaffen, von findigen Bauern und Streitschlichtern, Designern und Wissenschaftlern? Sie verändern ihren Kontinent messbar. Der Ökonom Max Roser beweist mit Karten und Grafiken, dass sich Afrika überraschend positiv entwickelt (Seite 20). Das gilt auch für den Teil südlich der Sahara, dem dieses Heft gewidmet ist. Fotografen dort blicken ganz anders auf ihr Land und ihre Leute. Auf dem Instagram-Account „Everyday Africa“ dokumentieren sie ihren Alltag. Ohne Katastrophen, ohne Safaris. Aber mit vielen Überraschungen. Wir haben aus über 4000 Fotos eine Auswahl getroffen (Seite 8). Ein neuer Blick auf Afrika lohnt sich! Für mich ergibt sich eine ermutigende Erkenntnis: Es sind nicht länger wir Europäer, die unseren Nachbarkontinent verändern – sondern die Afrikaner selbst. Lassen Sie sich überraschen, Ihr ALBERT EINSTEIN Der legendäre Wissenschaftler schickte dieses Foto gern an Freunde. Ein so selbstbewusstes und freches Signal wollte auch unsere Titelfigur Thandiwe Princess Njephe geben. TILMAN WÖRTZ Chefredakteur Foto: Rainer Kwiotek (1), picturealliance / akgimages (1)
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