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Rubrik MUT 03 // 27 zu sich auf die Bänke ein: Eine Frau mit Halluzinationen ist dabei, in deren Kopf jede Nacht Motoren dröhnen. Ein junger Mann, der sich mit codeinhaltigem Hustensaft berauscht. Die junge Mutter mit ihrem Baby, deren Vater seinen Lohn und die Sorgen in Maisbier ertränkt, statt ihre Schulgebühren zu bezahlen. Die Großmütter hören Geschichten von Gewalt in der Ehe und sexuellem Missbrauch, von Armut, Angst, Einsamkeit. Und immer wieder von HIV. Chibanda schult die Frauen in Problemlösungstherapie, mit Rollenspielen. Sie nutzen dafür eine eigene vertraute Sprache. Die erste Stufe: kuvhura pfungwa, den Geist öffnen, die zweite kusimudzira, sich aufrichten. Der nächste Schritt: kusimbisa, stärker werden. Ein Sprichwort in Simbabwe besagt: Es gibt nur einen Weg, einen Elefanten zu essen: einen Bissen nach dem anderen. Die Großmütter helfen ihren Patienten, ihre Probleme zu erkennen und kleiner zu machen, selbst Wege zu finden, mit ihren Sorgen umzugehen. Für jede Sitzung setzen sie Ziele. „Nur eines mussten wir uns abgewöhnen“, sagen die Gogos von Mbare. „Zu viele Ratschläge zu geben. Tu dies, mach das.“ Chibanda arbeitet ehrenamtlich Nach einer Stunde schrillt Chibandas Handywecker, Signal zum Aufbruch. „Pressekonferenz mit Lokaljournalisten“, sagt er. „In wenigen Tagen fliege ich nach London und erzähle auf einer Konferenz von euch.“ Er wirbt um Unterstützung, neue Partner. Chibanda arbeitet mit Psychiatern und Psychologen aus Großbritannien zusammen, mit Ärzte ohne Grenzen, die Organisation Grand Challenges aus Kanada finanzierte die Freundschaftsbänke mit. Chibanda arbeitet ehrenamtlich, die anderen Mitarbeiter in seinem Team sind angestellt. Constance Makokowa umarmt ihn zum Abschied und knufft ihn. „Wann nimmst du uns endlich einmal mit?“ Nur fünf Gehminuten von der Poliklinik entfernt, sitzt Rudo Chinhoyi vor ihrem Häuschen – und sehnt sich zurück auf ihre Freundschaftsbank. Die 82-Jährige wirkt zerbrechlich, die Arme sind dünn, ein schmutzig-weißer Verband schützt ihr gebrochenes Handgelenk. Vor wenigen Tagen stürzte sie aus einem Minibus, jemand hatte sie gestoßen. Wie ihre Kolleginnen verdient sie 122 Dollar im Monat. Allein ihre Miete verschlingt 90 Dollar. „Es reicht nicht“, sagt sie. Chibanda hat ihr Schmerztabletten vorbeigebracht. Es ist nicht nur das bisschen Geld, weshalb sie sich auf die Bank setzt, nicht nur ein Freundschaftsdienst. „Ich fühle mich gebraucht. Es macht mich stolz, so vielen Menschen zu helfen.“ Sie hat längst aufgehört, sie zu zählen. Nun braucht sie selbst Hilfe. Chinhoyi erhebt sich mit verzerrtem Gesicht, geht in das kleine Wohn- und Schlafzimmer, wo sie mit zwölf ihrer Familienmitglieder lebt. „Jede Nacht liege ich wach und weiß nicht, wie es weitergeht.“ Für eine


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