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Rubrik MUT 03 // 25 ein durchtrainierter Mann in Lederjacke, er hat den schwarzen Gürtel in Karate. Wenn er lächelt, entblößt er eine kleine Zahnlücke. In seiner feinen Praxis empfängt er vermögende Patienten. „Zu mir kommen Menschen, die in Depressionen verfallen, weil ihr Haustier gestorben ist.“ Er kennt auch die andere Seite. „Wir sind ein traumatisiertes Volk.“ Er spricht von der Armut, die in den Townships grassiert, von Säuberungsaktionen der Regierung, die Hunderttausende obdachlos zurückließen, von den 80 Prozent seiner Landsleute, die arbeitslos sind. Chibanda gehört zu den Privilegierten. Er studierte mit einem Stipendium in der Tschechoslowakei, wollte ursprünglich als Kinder- oder Hautarzt praktizieren. Dann brachte sich einer seiner Freunde um. „Ich war entsetzt, dass ich seine schwere Depression nicht erkannt hatte.“ Anfang der neunziger Jahre kehrte er zurück nach Simbabwe und arbeitete in der Psychiatrie, eigentlich nicht mehr als eine Pflichtstation. „Doch was ich dort erlebte, erinnerte mich an den Film ‚Einer flog übers Kuckucksnest‘. Menschen, die wie Zombies durch die Gänge wandeln, gefesselte Patienten, falsch eingesetzte Elektroschocks“. Chibanda reiste durch Afrika: nach Ghana, in den Benin, Malawi, Sambia. Er traf auf Voodoo Zauberer, Exorzisten, Hexer und andere selbsternannte Propheten, die „Verrückte“ heilen wollten. Doch nichts prägte ihn so wie diese Sommernacht 2005. Er war zu Hause, als ihn ein befreundeter Arzt anrief. „Eine ehemalige Patientin von dir ist mit einer Überdosis Medikamenten eingeliefert worden“, sagte der Kollege. Es war Nacht und die Notfallambulanz des Kollegen mehr als 20 Kilometer entfernt. Also erklärte er per Telefon, welche Antidepressiva die junge Frau brauche, dass sie überwacht werden und direkt nach ihrer Entlassung zu ihm kommen müsse. Es vergingen Tage, eine Woche. Erica kam nicht. Eines Tages rief ihre Mutter an. Ihre Tochter hatte sich an einem Mangobaum erhängt. Als er noch unter Schock fragte, warum sie nicht zu ihm gekommen sei, sagte sie, dass sie die 15 Dollar für den Bus nicht aufbringen konnte. „Spätestens an diesem Punkt ERFAHRUNGSAUSTAUSCH Der Psychiater Dixon Chibanda ist der Mentor der GroßmutterBewegung. So oft er kann, lässt er sich von den alten Frauen ihre Erfahrungen schildern.


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