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Dienstag, 3. Juli 2018 Der Kaiser Mindener Tageblatt 23 Plaudern über alte Zeiten: Wenn Robert Kauffeld (links) und Fritz Wilhelm Franzmeyer sich treffen, ist Barkhausen immer ein Thema. Foto: Kerstin Rickert Die Geschichte(n)erzähler Als Kinder waren sie in zwei verschiedenen Barkhauser Banden. Als Senioren wurden sie Freunde. Inzwischen haben Robert Kauffeld und Fritz Wilhelm Franzmeyer mehrere Bücher über ihre Heimat geschrieben. Von Kerstin Rickert Porta Westfalica-Barkhausen (kr). Robert Kauffeld und Fritz Wilhelm Franzmeyer sind waschechte Barkhauser Jungs. Zu Füßen des Kaiser- Wilhelm-Denkmals sind sie geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Hier haben sie den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Mehr als ein halbes Jahrhundert später wurden sie Freunde –-und für den Ort an der Porta links der Weser zu wichtigen Chronisten der Heimatgeschichte in Wort und Bild. Ein bisschen half ihnen dabei der Zufall auf die Sprünge. Die Verbundenheit zu ihrem Heimatdorf brachte die beiden gebürtigen Barkhauser zusammen – wenngleich erst spät. „Wir waren in verschiedenen Banden“, blickt Robert Kauffeld, Jahrgang 1933, auf die Zeit ihrer Jugend mit nur wenigen Berührungspunkten zurück. „Robert gehörte zur Bergkette, ich zur Weserkette“, ergänzt Fritz Franzmeyer. „Und Robert war mir immer etwas voraus. Er ist ja ein Jahr älter.“ Freunde wurden die beiden Männer erst, als sie schon fast 70 waren. Und das kam so: „Der frühere Ortsheimatpfleger Hans Rösler sprach mich an, ob ich mir vorstellen könne, an einer Dorfchronik mitzuarbeiten“, erzählt Franzmeyer. Da er gerade in den Ruhestand gegangen war, passte der Zeitpunkt gut. Interesse an der Geschichte und Entwicklung Barkhausens brachte Franzmeyer ohnehin mit. Zwar hatte es ihn schon vor vielen Jahren nach Berlin gezogen, in seinem Heimatort verbrachte er aber nach wie vor seine Urlaube mit der Familie. Bis heute besitzt der mittlerweile 84-Jährige eine Wohnung in seinem Elternhaus. „Der Kontakt zu Barkhausen ist nie abgerissen.“ Röslers Idee damals sei gewesen, Ortsgeschichten in einem Arbeitskreis zusammenzutragen. Eine Reihe von Autoren habe er dafür angesprochen. „Die Zusammenarbeit in der Gruppe klappte aber nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte“, erinnert sich Franzmeyer. Daraufhin habe er zu Rösler gesagt: „Entweder ich mache das alleine oder ich bin raus.“ Er machte sich alleine an die Arbeit, recherchierte im Kommunalarchiv Minden, fuhr nach Detmold und nach Münster und ins Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin. „Im Mindener Tageblatt stieß ich immer wieder auf Artikel über Barkhausen von Robert Kauffeld.“ Die Chronik aus Franzmeyers Feder erschien 2002 mit dem Titel „Die Porta links der Weser –Überliefertes und Erlebtes aus einem geschichtsträchtigen Raum“. Schon bald darauf war die erste Auflage vergriffen. Aber es wurde auch ein wenig Kritik laut. „Die Bilder im Buch waren vielen Leuten zu klein“, sagt Robert Kauffeld. So sei die Idee entstanden, zusammen einen Bildband herauszugeben. „Ich übernahm die Bildbeschaffung und -bearbeitung, Fritz das Schreiben der Texte.“ Robert Kauffeld nahm Kontakt zu alten Schulkameraden auf, fragte überall im Ort nach Fotos von früher. Eine große Hilfe bei der Suche war für ihn Carlo Rüter. „Er war Polizist und kannte jeden“, erinnert sich Kauffeld. „Irgendwann hielt ich dann das 83. Bild von der Kettenbrücke über die Weser in den Händen. Das war auch schön, aber nicht das, was ich wollte“, erzählt er. „Wenn die Leute dann aber ihre Schuhkartons mit alten Aufnahmen hervorkramten, hatte ich schon gewonnen. Das waren die Bilder, die sie selbst nicht für wichtig erachteten, die aber viel über die Menschen und das Leben in Barkhausen erzählten.“ Und über die Fotos kam Robert Kauffeld auch mit den Menschen ins Gespräch. „Alle hatten etwas zu erzählen. Von der Schulzeit und davon, wie sie den Zweiten Weltkrieg erlebt hatten und auch ganz viele andere Geschichten.“ Jede Menge Anekdoten kamen so zusammen. „Darunter auch manche, die mir nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wurden“, sagt Robert Kauffeld und lacht. Dazu kamen schließlich 1700 Fotos. „Teilweise noch auf Glasplatten, Dias und Bilder im Format sechs mal sechs.“ Kauffeld scannte und bearbeitete sie alle und suchte dann 900 Motive für den 2003 erschienenen Bildband „Als unser Omma noch klein war“ aus. Die vielen Geschichten, die er gehört hatte und die im Bildband keinen Platz gefunden hatten, brachten ihn auf eine neue Idee. „Damit bekommen wir auch noch ein Buch voll.“ Die Erinnerungen der Zeitzeugen aus Barkhausen schrieb das Autoren-Duo auf und brachte sie 2005 als Sammlung kurzer Geschichten unter dem Titel „Und der Willem schaute gelassen zu“ heraus. Den Zweiten Weltkrieg hatten sie beide selbst erlebt „und vieles mitbekommen“. Franzmeyer: „Wir spielten als Kinder an der Fährstraße und dort kamen regelmäßig Kolonnen mit KZHäftlingen vorbei. Uns stockte der Atem beim Anblick der ausgemergelten Körper, aber als Kind macht man sich wohl nicht so viele Gedanken.“ Robert Kauffeld wohnte damals unweit des KZ-Lagers imKaiserhofundwar dadurch noch näher dran. „Ich habe vieles beobachtet und miterlebt“, sagt er und erinnert sich. „Mit der Straßenbahn fuhren wir nach Minden auf der Schülerplattform, wie wir das nannten. Es fuhren auch regelmäßig sechs bis acht Häftlinge vom Kaiserhof unter Aufsicht mit, die von Wärtern nach Minden gebracht wurden. Man hat sogar Körperkontakt gehabt.“ Darüber, wie die Menschen die Kriegs- und Nachkriegszeit unterhalb des Willem erlebt haben, hat Kauffeld ein weiteres Buch geschrieben und Vorträge vor bislang mehr als 1000 Zuhörern gehalten. Auch bei solchen Gelegenheiten kommt er immer wieder mit anderen Zeitzeugen ins Gespräch. „Die Leute erzählen Geschichten, über die sie früher nicht gesprochen haben. Sie haben die Ereignisse nicht totgeschwiegen, aber nach dem Krieg hatten sie die Schnauze voll. Zu schrecklich waren die Erlebnisse.“ Ohne Menschen wie Robert Kauffeld und Fritz Wilhelm Franzmeyer wäre über vieles vielleicht bis heute nicht gesprochen worden – und somit auch nicht an die jüngere Generation weitergegeben worden. Mit Mitte 80 wünschen sich beide aber nun sehnlichst Nachfolger, die in ihre Fußstapfen treten und die Geschichte ihrer Heimat auch für nachfolgende Generationen bewahren. Die Dorfkapelle aus dem 16. Jahrhundert war früher Mittelpunkt von Barkhausen. Sie ist wie das Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus Porta-Sandstein. Foto: Kerstin Rickert Lesetipps ■ Fritz W. Franzmeyer: Die Porta Westfalica links der Weser. Ortschronik des früheren Dorfes Barkhausen. 2. Auflage 2013. 624 Seiten, ISBN 978-3-7322-0890-6 ■ Robert Kauffeld, Fritz W. Franzmeyer, Hans Rösler: Als unser Omma noch klein war. Bildband Porta Westfalica Barkhausen. 2003. Großformat, 300 Seiten, 930 Bilder, erhältlich bei Robert Kauffeld ■ Fritz W. Franzmeyer, Robert Kauffeld: Und der Willem schaute gelassen zu. Berichte und Anekdoten aus dem bewegten Barkhauser Leben vergangener Tage. 2005. 252 Seiten, erhältlich bei Robert Kauffeld ■ Robert Kauffeld: Das Leben in unserer Heimat. 1939-1948 – Kriegsbeginn bis Währungsreform. Aus der Sicht eines Barkhauser Zeitzeugen. 2016. 87 Seiten, erhältlich bei Robert Kauffeld ■ Fritz W. Franzmeyer, Robert Kauffeld: Personen- und Frachtschifffahrt auf der Weser. Mit Schwerpunkt Minden/Porta Westfalica. 2013. 113 Seiten, ISBN 978-3-7322-8822-9 2002 erschien Franzmeyers Chronik. Schnell war die erste Auflage vergriffen.


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