DIE WIRTSCHAFT IN DER REGION 63
Welchen Platz hat die Landwirtschaft?
Rainer Meyer: Wenn ein Hof stirbt, stirbt mehr als ein Stück Tradition – ein Gastbeitrag.
Minden-Lübbecke. Das Arbeiten
in und mit der Natur, der
Kreislauf der Jahreszeiten, die
damit verbundenen Arbeitsabläufe,
die Aussaat, das Einbringen
der Ernte, ist den Landwirtsfamilien
seit Generationen
vertraut. „Gelebte Nachhaltigkeit,
seit Generationen“,
erklärt Rainer Meyer, Vorsitzender
des Landwirtschaftlichen
Kreisverbandes Minden-
Lübbecke. Was neu sei, seien
die ständig steigenden Anforderungen
– hinzu kämen Klimawandel,
Corona, Afrikanische
Schweinepest.
Die Zeiten für die Landwirtschaft
sind anspruchsvoll. Verschärfungen
der Nutztierhaltungsverordnung,
Ackerbauund
Nachhaltigkeitsstrategie,
Farm-to Fork, Green Deal und
anderes mehr – die heimischen
Bauern kommen längst
nicht mehr mit. „Immer
kommt noch eine Schippe
oben drauf“, erklärt Meyer.
Doch höhere Ansprüche bei
der Tierhaltung, bei Natur und
Ackerbau kosten mehr Geld“,
bringt es der Vorsitzende auf
den Punkt. Wenn der Großteil
der Lebensmittel künftig nicht
aus dem Ausland kommen solle,
müssten die Preise für
Milch, Fleisch, Getreide oder
Kartoffeln zum Aufwand passen,
den die hiesigen Landwirte
bei der Erzeugung haben.
Dies werde leider vom Verbraucher
an der Kasse kaum
zu erzielen sein. „Doch wir
müssen mit unseren Familien
von unseren Erzeugnissen, von
unserer Arbeit, leben können“,
verdeutlicht Meyer und untermauert:
Es brauche ein Einkommen
auf den Höfen, das
einen Fortbestand auch noch
für die nächste Generation ermögliche.
Der Vorsitzende erinnert
daran, wie die Corona-
Krise im Lockdown vor Augen
geführt habe, wie wichtig eine
krisenfeste, eigenständige,
wettbewerbsfähige und qualitativ
hochwertige Lebensmittelerzeugung
bei uns in
Deutschland sei.
„Einseitige Auflagen für die
deutschen Landwirte helfen
nicht weiter“, erläutert Junglandwirt
und stellvertretender
„Wir Landwirtinnen und Landwirte wollen die Tierhaltung auf unseren familiengeführten
Höfen halten, denn wir glauben, die Verantwortung für Tier und Natur liegt hier in guten
Händen“, sagt Stefanie Spiech. Foto: pr
Kreisverbandsvorsitzender Stefan
Schmidt. Sie führten zu
Wettbewerbsverzerrungen, der
Lebensmittelhandel kaufe
weltweit ein und die Kunden
würden nach wie vor hauptsächlich
auf den Preis schauen.
Eine von unterschiedlichen gesellschaftlichen
Instanzen geforderte
Transformation der
Landwirtschaft könne nicht
von den Bauern allein getragen
werden. Erforderlich seien
deshalb Zukunftskonzepte mit
langfristiger Planungs- und
Rechtssicherheit, die den Landwirten,
vor allem aber der
nächsten Generation, Mut
machten.
„Wir brauchen einen konstruktiven
Dialog und eine
Standortstrategie, die die Lebenswirklichkeit
und Marktrealitäten
berücksichtigt“, betont
Stefan Schmidt. Mehr
noch: „Wir brauchen das breite
gesellschaftliche Bewusstsein
und die Bereitschaft, etwas ändern
zu wollen und dann auch
noch gute Ideen für die Transformation.“
Das Bestreben
müsse doch sein, die Tierhaltung
in Deutschland zu halten,
Ställe nachhaltig umzubauen
und Bauern eine Perspektive
zu geben. Das sei immer besser
als Lebensmittel aus dem
Ausland zu importieren, wo
die gesetzlichen Standards
mitunter schlechter seien.
„Wir Bauern wollen die Tierhaltung
auf unseren familiengeführten
Höfen halten, denn
wir glauben, die Verantwortung
für Tier und Natur liegt
hier in guten Händen“, sagt
Meyer. Er fragt sich: „Ist der
bäuerliche Familienbetrieb
überhaupt noch gewünscht? Er
gibt zu bedenken: Sind es
nicht gerade sie – die seit Generationen
geführten Höfe –,
die verantwortungsbewusst
für Mensch, Tier und Natur
hochwertige Lebensmittel
hierzulande erzeugen, unsere
Kulturlandschaft und den
ländlichen Raum erhalten?“
Der von vielen Gruppen gewünschte
Umbau der Landwirtschaft
müsse doch so gestaltet
werden, dass die Höfe
diesen auch schaffen und
durchhalten würden. Denn:
„Immer wenn ein Hof stirbt,
stirbt weit mehr als nur ein
Stück Tradition auf dem Lande.
Ist dieses gesellschaftlich
und politisch gewollt?“ Nachhaltigkeit
beruhe eben nicht
nur auf der einen ökologischen
Säule. Damit Nachhaltigkeit
nicht aus dem Gleichgewicht
gerate, gehöre ebenfalls das Soziale
und die Ökonomie dazu.
„Die Verantwortung für das,
was wir in Zukunft essen, liegt
bei uns allen“, unterstreicht
der Vorsitzende. „Es geht nur
gemeinsam mit Landwirtschaft,
Gesellschaft und Politik!“
(pr/hmf)