DIE WIRTSCHAFT IN DER REGION 3
EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
A ls am 13. März das öffentliche Leben im
Mühlenkreis plötzlich stillsteht, ahnt sicher
kaum jemand, wie sich die folgenden Monate
entwickeln würden. Schulen schließen,
Sportvereine sagen ihren Trainings- und Wettkampfbetrieb
ab und auch andere Gruppen
können sich nicht mehr treffen. Die Menschen
müssen reagieren, ihren Alltag umkrempeln
– Beruf und Kinderbetreuung unter einen
Hut bringen und Schulkinder bei ihren Aufgaben
betreuen. Und als sich der erste ganz private
Schock ein wenig gesetzt hat, folgt gleich
der nächste: Was wird aus dem Job? Darf ich
morgen noch ins Büro? Auf die Baustelle? In
die Fabrik?
Immer wieder gibt es neue Lösungen – und jeder
Lösung folgt ein neues Problem. Die Kurzarbeit
sichert den Job, aber wie lange reichen die
Rücklagen, um auch mit einem geringeren Einkommen
alle Rechnungen zu bezahlen? Die Soforthilfe
sichert dem Soloselbstständigen zunächst
die Existenz, aber wofür darf das Geld eingesetzt
werden?
In vielen Fällen
liegt es auf der
hohen Kante,
weil die Antwort
darauf wie
so vieles offen
ist.
Und doch
zeigt sich in
dieser unsicheren
Zeit auch,
welche Chancen
in einer Krise stecken. Die Digitalisierung
macht aus der Not heraus praktisch über Nacht
einen nicht für möglich gehaltenen Satz in die
Zukunft. Von zu Hause arbeiten, Besprechungen
in Videokonferenzen, studieren in Online
Arbeitsgruppen, Schulunterricht auf dem
Laptop – und irgendwie funktioniert es am Ende
viel besser, als nach den ewigen Diskussionen
über Datensicherheit und Work-Life-Balance
zu erwarten gewesen wäre. Dabei sind
es nicht nur die Bürojobs, die ins Virtuelle verlagert
werden. Auch das Handwerk entdeckt
vermehrt die digitalen Möglichkeiten, Ausbildungsplätze
werden weiter angeboten und besetzt.
Auch Mindener Unternehmen investieren
Millionen in den Standort
Der Umgang mit der Pandemie könnte also
eine Erfolgsgeschichte sein. Doch nicht alle
können ihr Geschäft ins Netz verlagern. Der Besuch
des Lieblingsrestaurants, die Tour mit
Freunden durch Kneipen und Discos, Familienfeiern
und Urlaubsreisen lassen sich nicht digitalisieren.
Gerade das Gastgewerbe und die Tourismusbranche
leiden also weiterhin schwer
unter der Krise. Von den Hotels und Gaststätten
könnte nach der Krise gut ein Drittel verschwunden
sein, sagen Experten wie zuletzt der
Mindener Hotelier und Dehoga-Präsident in
NRW, Bernd Niemeier.
Und während Unternehmen und öffentliche
Hand nach Lösungen suchen, die Betriebe
(und damit die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen)
durch die Krise zu lotsen, wird gerade
am Freizeitverhalten deutlich, dass alle eine gemeinsameVerantwortunghaben.
Wenn die Missachtung
von Regeln zu Sperrstunden und Beherbergungsverboten
führt, ist der kurze Rausch
teuer erkauft.
Die Folgen der Corona-Pandemie sind, auch
ein halbes Jahr nachdem sie den Mühlenkreis
erreicht hat, nicht abzusehen – Wirtschaftsvertreter
erwarten noch mindestens
weitere sechs Monate Unsicherheit. Und dennoch
– oder gerade deshalb – arbeiten die Unternehmen
gemeinsam mit ihren Mitarbeitern an
der Zukunft. Wie sie das tun, darum geht es in
dieser Ausgabe von „Menschen Macher Märkte“.
Ich wünsche Ihnen eine interessante und
hintergründige Lektüre.
Henning Wandel
Lokalredaktion / Stv. Ressortleitung