10 MENSCHEN • MACHER • MÄRKTE
Handwerk trotzt Corona
Gastbeitrag von Dr. Jens Prager, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer OWL
Bielefeld. Die Corona-Pandemie
hat das Leben weltweit
verändert. Durch eine verlässliche
politische Führung ist es
in Deutschland gelungen, mit
„einem blauen Auge“ davonzukommen.
Die Maßnahmen
der öffentlichen Hand waren
an die dynamische Entwicklung
angepasst und bestanden
aus zum Teil starken Restriktionen
auf der einen und
vergleichsweise unbürokratischen
Unterstützungsangeboten
auf der anderen Seite. In
der Folge waren weder die
Fallzahlen noch die wirtschaftlichen
Auswirkungen so
massiv wie anderenorts.
Dennoch haben die Maßnahmen
zur Eindämmung
der Corona-Pandemie in einigen
Branchen des Handwerks
starke Einbußen verursacht.
Friseur- und Kosmetikstudios
mussten mehrere Wochen
schließen, die Messebauer leiden
unverändert unter der
Absage fast aller Präsenzveranstaltungen
und auch Zulieferbetriebe
verbuchen Verluste,
weil die Nachfrage auf dem
Weltmarkt fehlt. Weniger betroffen
von den Restriktionen
sind unter anderem die Bauund
Ausbaubranche. Einige
Unternehmen arbeiten ihre
Aufträge ab, andere verzeichnen
sogar eine gestiegene
Nachfrage. Ausgefallene
Urlaube und ein Mehr an Zeit
zu Hause motiviert eine beträchtliche
Zahl von Kundinnen
und Kunden, Renovierungsarbeiten
am eigenen
Heim durchführen zu lassen.
Eine Vielzahl von Betrieben
begegnet den neuen Herausforderungen
offensiv, indem
sie sich neue Geschäftsfelder
erschließen. Nach der ersten
Phase der Pandemie ist so etwas
wie eine neue Aufbruchsstimmung
zu spüren.
So haben viele Handwerksunternehmen
Das Handwerk erweist sich als systemrelevant und kann sichere Arbeits- und Ausbildungsplätze
bieten, heißt es von der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld. Fotos: pr
ihre Produktion
kurzfristig auf die neuen
Bedarfe umgestellt: Tischlerbetriebe
und Glasereien beispielsweise
fertigen professionelle
Vorrichtungen für den
Infektionsschutz mit Glasoder
Plexiglasscheiben. Ob im
Supermarkt, beim Arzt oder
am Kiosk,
transparente
Abtrennungen
schützen
Kunden
und
Bedienstete.
Maßschneidereien
nähen Gesichtsmasken,
die zweckmäßig
sind, aber auch nett anzusehen.
Der Kundenservice in vielen
Handwerksunternehmen
wird digitaler: In der Zeit der
Reise- und Kontaktbeschränkungen
finden Kundengespräche
vermehrt online statt.
Interessenten können auf den
Internetseiten des Fachbetriebes
Möbel, Räume und sogar
Bäder konfigurieren und
dann mit den Beratenden besprechen.
Konfigurierte Möbel können
immer häufiger direkt
online bestellt werden. Einige
Tischler bieten auch schon
fertige Möbel auf ihren Internetseiten
an, zumeist mit der
Option, sie individuell anzupassen.
Nicht nur Tischler
weiten ihren Onlinehandel
aus. Maßschneider bieten Accessoires
und Mode über das
Internet. Bei Konditoren können
Torten und Gebäck online
bestellt werden. Einige
Betriebe aus dem Lebensmittelhandwerk
haben ihren Lieferservice
ausgebaut. Das
kommt nicht nur den Personen
zugute, die während der
Pandemie nicht einkaufen gehen
können, sondern auch
viel beschäftigten Menschen,
die durch das Angebot Zeit
sparen.
Möglich werden viele Angebote
durch die Digitalisierung
der Produktion. Beispielsweise
können Unternehmen aus
dem Metall- und dem Maschinenbau
oder auch Tischlereien
flexibler auf Kundenanfragen
reagieren: Werkstücke,
seien es Maschinen, Fertigungsstraßen,
Möbel oder
ganze Einrichtungen, werden
über CAD-Programme entworfen,
laufen dann in die digitale
Arbeitsvorbereitung
und werden schließlich über
eine CNC-Schnittstelle für die
Fertigung programmiert.
Nicht nur kleine Änderungen,
sondern auch komplette Varianten
können schnell und
ohne großen Aufwand durchgeführt
werden.
Im Maschinenbau ist
Aufbruchstimmung: Viele Betriebe
erschließen sich neue Geschäftsfelder.