DIE WIRTSCHAFT IN DER REGION 5
Standort fit für die
Zukunft machen
Gastbeitrag von Ulrich Tepper, stellvertretender Geschäftsführer der Industrieund
Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK)
Bielefeld. Auf den ersten Blick
haben sie wenig gemein – der
Produzent von Stoffen, der
Hersteller von Spirituosen
oder der Zulieferer für die
Automobilindustrie. Und
doch eint alle, dass hinter diesen
Unternehmen eine Familie
steht. Ostwestfalen ist wie
kaum eine Region in Deutschland
geprägt durch eine große
Anzahl von familiengeführten
Unternehmen.
Unter den 30 ältesten Familienbetrieben
in Deutschland
sind allein drei ostwestfälische
Firmen zu finden: das
Textilunternehmen Delius,
die Möller Group und Kisker
Spirituosen. Alle drei sind bereits
zu Beginn oder im ersten
Drittel des 18. Jahrhunderts
gegründet worden. Derartige
inhabergeführte Unternehmen
weisen eine sehr lange
Tradition auf, schaffen neue
Arbeitsplätze, entwickeln innovative
Technologien und
halten in Krisenzeiten länger
zu ihren Beschäftigten als kapitalmarktorientierte
Konzerne.
Deshalb schätzen wir als
IHK Ostwestfalen diese Unternehmensstruktur
als sehr
glücklichen Umstand ein, der
unsere Region so besonders
macht.
Generell sollte das Thema
Unternehmenskultur für alle
Unternehmen, ganz gleich ob
familiengeführt oder konzerngebunden,
eine wichtige
Rolle spielen. Denn natürlich
haben sich im Laufe der zurückliegenden
Jahrhunderte
und Jahrzehnte die Themenschwerpunkte
verändert, was
eine jeweilige Neujustierung
notwendig und sinnvoll
macht.
Aktuell treibt die Betriebe
beispielsweise der Fachkräftemangel
und der Umgang mit
der digitalen Transformation
um. Aber auch globale, gesamtgesellschaftliche
Entwicklungen
wie der Klimawandel
und die Suche nach
passenden technologischen
Antworten und Instrumenten
stehen auf der unternehmerischen
Agenda. Im Ergebnis
handelt es sich um komplexe,
teilweise miteinander verwobene
Megatrends, deren Lösungen
keinen Aufschub dulden.
Dazu zählen auch die miteinander
im Zusammenhang
stehenden Themen Familienfreundlichkeit
und Vereinbarkeit
von Familie und Beruf,
die seit einigen Jahren Fahrt
aufnehmen. Im Wettbewerb
um betrieblichen Nachwuchs
und die besten Köpfe zur Behebung
des bereits angedeuteten
Fachkräftemangels
kommen die Unternehmen
nicht umhin, auf diesem Gebiet
aktiv zu werden.
Hier setzt der im laufenden
Jahr realisierte
Wettbewerb „Familienfreundliche
Unternehmen
in Ostwestfalen“
an. Federführend
koordiniert
vom Kompetenzzentrum
Frau und Beruf OWL und
unterstützt von zahlreichen
Partnern – darunter der IHK
Ostwestfalen – waren die ostwestfälischen
Unternehmen
im Frühjahr aufgerufen, sich
mit ihren Aktivitäten zu bewerben.
Davon wurde reichlich
Gebrauch gemacht. Vor
der Sommerpause wurden
nach einem umfangreichen
Bewerbungsverfahren und diversen
Jurysitzungen insgesamt
103 ostwestfälische
Unternehmen aus den Kreisen
Herford, Minden-Lübbecke
und Paderborn für ihre
vielfältigen Maßnahmen, die
einen familienfreundlichen
Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern
kennzeichnen, ausgezeichnet.
Die weiteren Landkreise in
Ostwestfalen und die Stadt
Bielefeld sind in dieser Richtung
ebenfalls aktiv, doch nur
in den genannten drei Kreisen
hat das Verfahren nach einem
einheitlichen und somit vergleichbaren
Standard stattgefunden.
Alle Ausgezeichneten halten
einen bunten Mix an Angeboten
vor, um Beruf und
Familienpflichten miteinander
zu vereinbaren. Darunter
sind Regelungen zur Flexibilisierung
von Arbeitszeit und
Arbeitsort, Belegplätze für Beschäftigtenkinder
in Kitas
oder sogar eigene Kitas, finanzielle
Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten,
besonders
geschulte Ansprechpartnerinnen
und Ansprechpartner
zum Thema Pflege von Angehörigen,
Fahrradleasingangebote/„
Jobrad“, Mitnahme von
Essen aus der Betriebskantine,
Physiotherapie- beziehungsweise
Massage-Angebote, Ferienspiele
in den Sommerferien
und eine Verankerung
dieses Themas in den Unternehmensleitlinien
zur Etablierung
der Unternehmenskultur.
Letztendlich wird durch das
breit gefächerte und anerkennenswerte
Engagement nicht
nur die jeweilige betriebliche
Situation der Unternehmen
verbessert, sondern auch der
Wirtschaftsstandort Ostwestfalen
als Ganzes für die Zukunft
gestärkt. (pr/hmf)
Tepper spricht sich für Unternehmenskultur aus Foto: IHK OWL
Drei der ältesten Familienbetriebe
kommen aus Ostwestfalen.