DIE WIRTSCHAFT IN DER REGION 7
Eine Chance für das Handwerk
Gastbeitrag von Dr. Jens Prager, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer
Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld
Bielefeld. Die digitale Transformation
verändert Wirtschaft
und Gesellschaft. Geschäftsmodelle
wandeln sich,
der gesamte Markt befindet
sich im Umbruch. Die Digitalisierung
führt zu außerordentlich
großen Veränderungen
des gesamten produzierenden
Handwerks – in ihren
Auswirkungen vergleichbar
mit der Einführung elektrisch
betriebener Bearbeitungsmaschinen
im ausgehenden 19.
Jahrhundert. Die Digitalisierung
betrifft die gesamte
Wertschöpfungskette der Betriebe:
von der Kundenkommunikation
über die Leistungserstellung
und den Vertrieb
bis hin zu internen Prozessen
wie Personalführung,
Buchhaltung oder Einkauf.
Die Kundenerwartungen
wandeln sich ebenfalls. Der
Trend zur Individualisierung
wird sich weiter verstärken.
Aus den Veränderungen ergeben
sich neue Geschäftsmodelle
für den Wirtschaftszweig
Handwerk.
Beispiele für eine gewinnbringende
Digitalisierung finden
sich im Bauhandwerk.
Die Bauhandwerker halten alle
baurelevanten Informationen
wie Baupläne, Lieferprotokolle,
Fotos und Schriftwechsel
in einem digitalen
Bautagebuch fest. Die Daten
stehen in Echtzeit mobil zur
Verfügung. Das nachträgliche
Einpflegen im Büro entfällt.
Wenn das Bauvorhaben zusätzlich
als 3-D-Modell mit allen
notwendigen Informationen
im Computer hinterlegt
wird, ist das gemeinsame
Arbeiten für alle Beteiligten
transparent. Das Verfahren,
Building Information Modeling
(BIM), fasst allmählich
Fuß in der Region.
Das Kompetenzzentrum
„Intelligente Gebäudetechnologien“
der Handwerkskammer
Ostwestfalen-Lippe zu
Bielefeld bietet passgenaue
Fortbildungen
für Fachleute.
Handwerkerinnen
und Handwerker
lernen
nicht nur die aktuellen
digitalen
Techniken kennen,
sondern
auch gewerkeübergreifend zu
arbeiten. Bei Neubauten ist es
heutzutage Standard eine intelligente
Gebäudesteuerung
einzubauen, nicht nur um
Energie zu sparen, sondern
auch um den Alltag komfortabel
zu gestalten. Ältere Gebäude
können energieeffizient
nachgerüstet werden,
über Funkverbindungen kann
eine intelligente Gebäudesteuerung
problemlos nachträglich
installiert werden.
3D-Druckverfahren werden
nicht nur das Zuliefererhandwerk,
den Werkzeugbau und
den Maschinenbau
massiv verändern.
Für viele
Gewerke bieten
sich ganz
neue Möglichkeiten:
Tischler
drucken
Schrankgriffe
aus, Konditoren Pralinen und
Zahntechniker den Zahnersatz.
Einige Betriebe haben
die Zeichen der Zeit erkannt
und sind schon große Schritte
in Richtung Digitalisierung
gegangen. Alle anderen
Unternehmen dürfen das Zukunftsthema
nicht aus den
Augen verlieren, auch wenn
die Wirtschafts- und Auftragslage
derzeit gut ist.
Generell rät die Handwerkskammer
allen Handwerksunternehmerinnen
und
-unternehmern, sich mit der
Digitalisierung in ihrem Betrieb
zu beschäftigen und
Prozesse nach und nach umzustellen.
Mit dem Projekt „Handwerk
Digital.NRW“ unterstützen
vier Handwerksorganisationen
in Nordrhein-Westfalen
die Handwerksbetriebe
bei der erfolgreichen Gestaltung
des digitalen Wandels.
Unter Federführung der
Handwerkskammer Ostwestfalen
Lippe zu Bielefeld erarbeiten
die Handwerkskammer
Dortmund sowie die
Fachverbände Tischler NRW
und Metall NRW maßgeschneiderte
Beratungsstrukturen,
Werkzeuge und Informationsmaterialien
für ihre
Mitgliedsbetriebe. Als „Lead-
Partner“ übernimmt die
Handwerkskammer OWL die
fachliche Koordination. Die
Arbeitsergebnisse der vier
Handwerksorganisationen
werden strukturiert aufbereitet
und sollen anschließend
auf das Gesamthandwerk in
Nordrhein-Westfalen übertragen
werden. Ziel ist es, die
Herausforderungen der Digitalisierung
in Chancen für
das Handwerk umzuwandeln.
Das Projekt ist Teil der Digitalisierungsoffensive
im
„Handwerk NRW“ und wird
vom Ministerium für Wirtschaft,
Innovation, Digitalisierung
und Energie des Landes
Nordrhein-Westfalen gefördert.
(pr)
Dr. Jens Prager. Foto: pr
Digitales Bautagebuch macht
manuelle Nachträge überflüssig
Digitalisierung betrifft gesamte
Wertschöpfungskette der Betriebe