Für die Umwelt naturnah gärtnern
Ist das Unkraut – und darf das bleiben? Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt.
Stella Franziska Bauer
Naturnahes Gärtnern der Umwelt
zuliebe kostet Überwindung.
Dazu gehören ein wenig
Kontrollverlust über das
Wachstum und eine gewisse
Unordnung. Denn Unkraut
sollte man zulassen.
Was ist schon Unkraut? Das
sagen Naturschützer. Was viele
Hobbygärtner als unerwünschtes
Grün in ihrem Rasen
und den Beeten empfinden,
sind oft für die Natur
sehr wertvolle Wildkräuter.
Gerade Insekten brauchen sie.
Das Problem für viele Gartenbesitzer:
Giersch, Vogelmiere,
Distel und Brennnessel
gedeihen in Massen, ohne gepflanzt
zu werden. Zumal
Wildkräuter an ihre Umgebung
optimal angepasst sind
und daher klimatische Stresszeiten
wie Trockenperioden
gut überstehen, während das
angepflanzte Kulturgrün eher
kaputtgeht. Auch sonst gehen
sie aus dem Kampf um Raum,
Licht, Wasser und Nährstoffe
oftmals als Gewinner hervor.
Doch aus Sicht der Naturschützer
überwiegen die Vorteile
der Unkräuter im Garten:
Nicht nur, dass viele der
Pflanzen Nektar- und Pollenlieferanten
sind. „In einem
funktionierenden Ökosystem
muss es auch Futterpflanzen
für Blattläuse und Raupen geben,
die wiederum Nahrungsquelle
für Vögel und andere
Insekten sind“, sagt die Buchautorin
und Geo-Ökologin
Sigrid Tinz.
Außerdem finden Insekten
zwischen Wildkräutern Ruheplätze
und Verstecke, Nistplätze
und Überwinterungsorte,
ergänzt Karla Paliege
vom Naturschutzbund (Nabu).
Und der negativ belegte
Begriff Unkraut lasse außer
Acht, dass dahinter auch eine
Nutz- oder gar Heilpflanze für
den Menschen stecken kann.
Auch zur Bodengesundheit
können Wildkräuter beitragen.
Sie bedecken kahle Stellen,
beschatten den Boden
und halten ihn besser feucht.
Überlässt man die wilden
Kräuter sich selbst, sterben
sie irgendwann ab – aber der
Kreislauf setzt sich fort. Denn
kleine und größere Bodenlebewesen
sowie Mikroorganismen
zersetzen das Pflanzenmaterial
und bauen es um
zu wertvollem nährstoffreichem
Boden, dem Humus. „In
der Natur gibt es keinen Abfall,
nur Kreisläufe“, erklärt
Tinz.
Naturschützer plädieren zu
mehr Gelassenheit und Unordnung.
Vor allem sollte
man auf Gift verzichten, auch
wenn für den Privatgarten
zahlreiche Herbizide synthetischen
und natürlichen Ursprungs
zugelassen und erhältlich
sind.
Doch für die Mittel gibt es
gerade in diesem Bereich aus
Sicht von Bernhard Rüb von
der Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen nicht
viele sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten.
„Nach dem Motto „viel hilft
viel“ kommt es häufig zu
Fehlanwendungen und damit
einhergehenden direkten Belastungen
von Gewässern und
Lebewesen“, erklärt der Experte.
Zumal die Unkrautvernichter
keinen Unterschied zwischen
Unkraut und Kulturpflanzen
machen. Die Gefahr,
bei engem Bewuchs auch gewünschte
Pflänzchen zu schädigen,
ist deshalb groß.
Auf befestigten oder versiegelten
Flächen ist der Einsatz
von Herbiziden sowieso verboten,
da die Mittel bei Regen
abgespült werden und in den
Wasserkreislauf gelangen.
Wer Unkraut entfernen will,
dem rät Rüb daher zur mechanischen
Entfernung mit
Fugenkratzer und -bürste.
Auch das Entfernen mit
Hochdruckreiniger und Abflammgerät
habe sich bewährt.
Im Garten selbst ist die frühe
Entfernung entscheidend.
Hobbygärtner sollten Unkraut
regelmäßig hacken und
zupfen, um eine flächige Ausbreitung
zu verhindern. Der
beste Zeitpunkt, um mit
Grubber, Grabegabel, Spaten
und Hacke ins Feld zu ziehen,
ist kurz nach einem Regenguss,
wenn der Boden aufgeweicht
und locker ist.
Gut zu wissen ist auch, wie
sich bestimmte Unkräuter
verbreiten, sagt Harald Nonn
von der Deutschen Rasengesellschaft.
Geht das über Samen,
sollte man die Blüten
vor der Samenbildung abschneiden.
Bei Wurzel-Wildkräutern
wie Giersch, Schachtelhalm
und Löwenzahn muss man
zusätzlich graben. Ihre langen
Wurzelausläufer müssen
komplett aus dem Boden geholt
werden, denn schon
kleinste zurückbleibende
Wurzelstücke treiben später
wieder neu aus. „Es hilft, ständig
hinterher zu sein und die
Pflanzen möglichst komplett
aus der Erde zu ziehen“, so
Nonn. (dpa-tmn)
Wer Unkraut entfernen will, sollte ihm mit Fugenkratzer und -bürste zu Leibe rücken.
Außerdem muss man es ständig jäten. Foto: Robert Günther/dpa-tmn
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