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12 Hille extra Weil Holz eine tiefe Seele hat Tischlermeisterin Bettina Fischer holt das „Innenleben“ aus ihrem Lieblingsmaterial ten. Dann zog die junge Frau nach Lübbecke und wechselte in einen reinen Handwerksbetrieb, wo es drei weitere Jahre vorrangig um Eichenmöbel ging. „Das war wie eine zweite Ausbildung“, erinnert sich Bettina Fischer und denkt gern an diese lehrreiche Zeit zurück. Schließlich führte es sie nach Berlin, als die Mauer noch stand: im September 1989. Den Fall dieses unseligen Bauwerks erlebte sie also hautnah mit, während sie in einer Firma tätig war, die sich um den Innenausbau kümmerte. Doch die Lehr- und Wanderjahre setzten sich fort. „Es wurde mir dann in der Stadt einfach zu voll“, erklärt sie ihren Wegzug aus der Metropole. In der Nähe von Uchte war ein nächster Ankerplatz, verbunden mit einer Tätigkeit in Warmsen. Büromöbel waren diesmal der Schwerpunkt. 1995 schloss Bettina Fischer ihre Meisterausbildung erfolgreich ab. Da hatte sie sich auch schon Richtung Minden entschieden, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte. 2001 fand die Hochzeit statt und beide kauften ein Haus in Hille. Durch Zufall entdeckte sie eines Tages die Anzeige vom Leo-Sympher-Berufskolleg, der Fachschule für Technik in Minden. „Werkstattlehrer gesucht“ hieß es dort, und die Tischlermeisterin beschloss, diese neue Herausforderung im Jahr 2000 anzupacken. „Eine enorme Umgewöhnung“, wie sie feststellt. Man war nicht mehr so frei wie bislang. Dafür war aber der Druck gewichen: Das muss morgen fertig werden! In ihrem Bereich der Berufsvorbereitung für Schüler ohne Abschluss ging und geht es nun neben den praktischen Fertigkeiten um so ganz alltägliche Dinge, wie pünktlich zur Schule kommen, Struktur lernen… Auch das muss ein Ausbilder vermitteln können. Seit einigen Jahren darüber hinaus in speziellen Flüchtlingsklassen mit jungen Leuten aus aller Herren Länder. „Die Arbeit mit den Jugendlichen macht unheimlich viel Spaß“, betont die Werkstattlehrerin. „Sie wollen etwas lernen!“ In dem Zusammenhang hat sie auch die Erfahrung gemacht, dass ein Handwerker abends durchaus weiß, was er geschafft hat, und ein Lehrer eben nicht. „Als Handwerkerseele muss man mit dieser Situation schon klarkommen“, lächelt Bettina Fischer. Und das Hobby? Vor der Geburt der Tochter (heute 12 Jahre) begann die Tischlermeisterin schon mit dem Drechseln, aber dann ließ das Familiäre für solche Ambitionen keine Freiräume. Der Sohn (heute 8 Jahre) stellte sich ebenfalls ein, und die Kinder hatten natürlich fortan den Vorrang in ihrem Leben. 2015 folgte der Umzug „schön zentral“ direkt nach Hille, wo sie die Lebensqualität sehr schätzt, die Wohnung ist ein echter Glücksgriff. Die Kinder können zu Fuß zur Verbundschule, Einkaufen geht völlig unproblematisch, und der Weg zu ihrer Arbeitsstätte ist überschaubar. „Erst 2016 habe ich mit meinem Hobby ganz leicht angefangen“, sagt Bettina Fischer, die einheimische Hölzer für ihre stimmungsvollen Skulpturen bevorzugt. „Ich nehme, was ich so kriegen kann. Schaue mich gern in Brennholzhaufen um.“ 2017 spielte die Gesundheit nicht mit. „Da habe ich Themen abgearbeitet“, erklärt Bettina Fischer. „Was will ich, und was will ich nicht!“ Lebensgefährtin Carmen Harlacher aus München unterstützt sie bei allem und hält ihr den Rücken frei, damit sie sich in ihrer Kreativität entfalten kann. Schule, Haushalt, Von Andrea Gerecke Hille. Als sich im Rathaus der Gemeinde für zwei Monate die Ausstellung „Hille ganz ARTig 2018“ präsentierte und Kreative aus der Gegend vereinte, da war im März und April dieses Jahres auch Bettina Fischer mit dabei. „Zum ersten Mal habe ich meine Arbeiten der Öffentlichkeit vorgestellt“, gesteht die Tischlermeisterin und kommt ins Erzählen. „Ich hatte den Aufruf dazu im MT gelesen, mir dann ein Herz gefasst und bei Sabine Tegeler angerufen. Das Gespräch war einfach super, und ich habe spontan zugesagt.“ Die Zusage stand, aber nun folgte die Qual der Wahl: Was möchte ich gern zeigen? Dann folgte die große Entscheidung: Acht Arbeiten gab es schließlich zu bewundern, hölzerne Wandbilder und Skulpturen. „Ich hatte natürlich mehr Exemplare im Gepäck, als es an den Aufbau ging. Vor Ort habe ich dann entschieden, welche Varianten am besten passen.“ Wobei auch das jeweilige Gewicht nicht unerheblich war. Nicht alles ließ sich so ohne Weiteres anbringen und manches musste einem leichteren Werk weichen. Für die in Frotheim geboren Bettina Fischer (Jahrgang 1966) gab es eine kleine berufliche Rundreise, nachdem die Entscheidung für das Metier Tischler gefallen war. Die klassische Ausbildung startete einst in Fiestel, in der industriellen Fertigung mit der Spezialrichtung Küchenfron- Eine ausdrucksvolle Wandskulptur mit eingebundenem Stein. Hier die fertige „Herzensangelegenheit“ von Bettina Fischer. Das Material wartet geduldig auf weitere Verarbeitung und das Freilegen seiner „Seele“. Carmen Harlacher (li.) unterstützt Bettina Fischer und geht aktuell bei ihr „in die Lehre“. Bettina Fischer hat mit dem Holz ihr Material gefunden. Hier entsteht ihr Herz am Arbeitsplatz im Freien. Fotos: Andrea Gerecke


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