8 Hille extra
„WieMo“ zurück in den Geschäften
Firmenporträt: Die Wiehengebirgs-Molkerei belebt die Märkte mit neuen Produkten
Von Carsten Korfesmeyer
Unterlübbe. Hanns-Ulf Hübel
spricht über die Zeit in den
frühen 2000er-Jahren, als seiner
Wiehengebirgs-Molkerei
das Wasser bis zum Halse
stand. „Wir waren beinahe insolvent“,
sagt er. Anderen Betrieben
seiner Branche sei es
nicht anders ergangen und
viele sind inzwischen vom
Markt verschwunden oder haben
fusioniert.
Der 56-Jährige ist überzeugt,
dass sich mit Milch
auch künftig nur schwer Geld
verdienen lässt. Eine Mitschuld
sieht der Unternehmer
bei der EU, die ihm und seinen
Kollegen das Leben mit
ihrer Politik schwer mache. Er
fordert angemessene Preise.
Und den rund 50 Landwirten,
die ihn aus der Region beliefern,
zahle er immer gerne ein
bisschen mehr.
Hübel ist ein Typ, der auch
wie ein Molkereichef aussieht.
Einer, der mit anpackt und
gut mit den Leuten kann. Er
hat die schweren Zeiten mit
seinem Betrieb überstanden
und ans Aufgeben nie ernsthaft
gedacht. Inzwischen befindet
sich sein Betrieb wieder
in ruhigem Fahrwasser und
Hübel sieht den Moment gekommen,
um eine unternehmerische
Entscheidung zurückzunehmen,
die er vor 15
Jahren traf. Seit Ende Oktober
2019 liegen wieder Quark-,
Schmand- und Käseprodukte
in den Verkaufsregalen einiger
Edeka-Märkte.Perspektivisch
soll das Sortiment aus
dem Hause „WieMo“ noch
weiter wachsen.
Hübel will vor allem auf die
alten Rezepte zurückgreifen
und ein bisschen an der Uhr
drehen, um wieder an die großen
Zeiten der Molkereien anzuknüpfen.
„Ich möchte es
schaffen, dass alles wieder so
wird wie früher“, sagt er. Er
weiß, dass es einen langen
Atem braucht. Nicht von heute
auf morgen werden die
Verbraucher regelmäßig nach
seinen Produkten greifen.
Überzeugen müssen er und
seine Mitarbeiter außerdem
die selbstständigen Partner
der Edeka, damit diese die
Nostalgischer Rückblick: Dieses Foto aus den 1950ern zeigt einen Traktor mit Milchwagen, der sich
von der Molkerei in Unterlübbe auf den Weg zu den Kunden macht. Foto: pr
Waren aufnehmen. Regalpflege
nennt Hübel das und besucht
die Chefs der Märkte in
Sachen Eigenwerbung.
Bis auf ihre Sahne war die
Wiehengebirgs-Molkerei zuletzt
ganz aus der Öffentlichkeit
verschwunden. Das Wort
„Comeback“ fällt, das so nicht
ganz passt. Denn Hübel und
seine 50 Mitarbeiter waren in
den vergangenen Jahren erfolgreich
in der Industrie
unterwegs. Milch in vielen
Fertigpizzen, Flammkuchen
oder Joghurts stammen aus
der Lübbecker Straße 221. Zu
den Großkunden zählt ebenfalls
eine weltweite Fastfood-
Kette, die WieMo-Milch für
die Herstellung ihres Kuchens
verwendet. „Wir bewegen viel
Geld“, sagt Hübel. Auf rund
20 Millionen Euro beziffert er
den Jahresumsatz.
Die Rückkehr in die Lebensmittelgeschäfte
hat der
Unternehmer zwei Jahre vorbereitet.
Musste er auch, denn
die alten Maschinen hatte er
nicht mehr. Mit etwas Glück
konnte er eine gebrauchte Anlage
erwerben, die allen Anforderungen
der Zeit entspricht.
Weitsicht bewies Hübel
auch bei der Wahl seiner
Verpackungen, die seinen
Worten zufolge möglichst
umweltbewusst sind.
Hübel setzt auf das Bodenständige
und ist überzeugt,
dass die Menschen vermehrt
auf regionale Produkt setzen.
Seine Milch sei frei von Gentechnik
und wenn er über die
90-jährige Geschichte seiner
Molkerei spricht, fällt mehrmals
das Wort Familie. In dritter
Generation führt er den
Betrieb, der bundesweit
neben der Firma Naamann
noch in privater Hand ist. Die
Hübels stammen aus Schlesien
und seine Großeltern haben
den Betrieb in Unterlübbe
im Jahr 1929 gegründet.
Mit eigenen Rezepten für
Schichtkäse und Schmand haben
sie ihre Firma auf Erfolgskurs
gebracht. Noch heute lebe
die Philosophie von Kurt
und Greta Hübel fort. „Wir
setzen auf die einfachen und
schlichten Molkereiprodukte.“
1989 stieg der heutige Chef
ein und führte bis 2006 gemeinsam
mit seinem Vater
die Geschäfte. Die Konzentration
auf die Milchfrischeprodukte
blieb bestehen und gemeinsam
meisterten Vater
und Sohn die schwierigen
1990er Jahre. Hübel verschweigt
nicht, dass gelegentlich
auch ein Generationenkonflikt
ausbrach, was er aber
für völlig normal hält.
90 Jahre besteht die Wiehengebirgs
Molkerei inzwischen.
Feiern werde das
Unternehmen dieses besondere
Ereignis nicht. Der guten
Stimmung im Betrieb tue das
keinen Abbruch. Hübel wirkt
zufrieden und zuversichtlich.
Er zeigt auf ein Bild aus den
1950er Jahren, das im Büro
hängt. Es zeigt das Gebäude,
aber auch einen Traktor mit
Milchwagen. „Früher zogen
wir durch die Orte“, sagt er.
Und es scheint, als vermisse
er diese Molkerei-Romantik.
Weil Produkte aus der
Region gefragt sind
Im Einsatz für Milchprodukte: Hanns-Ulf Hübel.
MT-Foto: Carsten Korfesmeyer