20 Hille extra
Früher schon ein Versammlungsplatz
Die Kapelle in Nordhemmern lädt zur inneren Einkehr ein.
Von Andrea Gerecke
Hille-Nordhemmern. Kirchmeister
Hartfried Esdorn hat
einen Lieblingsplatz in der
Kapelle von Nordhemmern:
„Ich sitze gern ganz hinten,
vor der Orgel, mit Blick auf
den Altar. Besonders in den
Morgenstunden genieße ich
den Lichteinfall. Das entschleunigt.“
Der Hügel, auf dem sich die
schöne Kapelle befindet,
stammt deutlich aus vorchristlicher
Zeit. Man geht davon
aus, dass er schon ein festes
Fundament für das Bauwerk
bildete. Es soll sich hier
der religiöse und politische
Mittelpunkt des Dorfes befunden
haben: die Thingstätte
mit ihrem zentralen Baum.
Wahrscheinlich ist in den Anfängen
der Bau einer Holzkirche
an dieser Stelle. Sie wich
im 14. Jahrhundert dem jetzigen
Objekt. Allem Anschein
nach etwa zeitgleich mit St.
Maria Magdalena, der Südhemmer
Schwesterkapelle,
die 1324 erbaut wurde.
Die grundlegenden Baukörper
von beiden Gebäuden ähneln
sich doch sehr. Auf der
runden Hügelform thront als
architektonische Figur der
rechteckige Kirchenbau, einer
römischen Basilika gleichend
– wie zumeist bei derartigen
christlichen Gotteshäusern.
Zusammengelegte Findlinge
und Feldsteine bilden das
Fundament. Sie sind teilweise
auch von außen zu sehen und
sorgen immer noch für die
nötige Stabilität!
Auf die einstige Funktion
als Wehrkirche weisen die
schmalen Fensternischen hin.
Sie konnten als Schießscharten
dienen und waren zunächst
die einzigen Fenster,
alle anderen, weitaus größeren
kamen erst viel später in
der Südwand und im Turm
hinzu. In diesem Gebäude
fanden die Bewohner bei
Überfällen oder kriegerischen
Ereignissen Schutz, zogen mit
der gesamten Familie und
ihren Tieren für die nötige
Zeit ein und verbarrikadierten
sich.
Im Zuge der Reformation
verschwand allerlei. Heiligenbücher
Wer sie nicht kennt, könnte sie für Rankgitter halten: die Sargtragen, die an der
Nordwand hängen. Fotos: Andrea Gerecke
wurden ausgeräumt
und landeten auf dem Dachboden.
Auch der Beichtstuhl
und die Piéta (Mutter-Jesu-
Darstellung) mussten weichen.
Letztere findet sich zumindest
heute noch in Minden,
in einer Mauernische an
der St.-Marien-Kirche.
Früher gab es im Inneren
noch eine fast rundum führende
Empore („Prieche“). Damit
konnte man möglichst
viele Gottesdienstbesucher
unterbringen. Für Großgewachsene
wurde es allerdings
sowohl im oberen als auch im
unteren Bereich knapp. Männer
Auch die Kanzel hat eine
lange Geschichte.
saßen damals in der Regel
oben und Frauen unten.
Gründlich saniert wurde
des Öfteren. Vor allem 1951
und 1972. Bei der zweiten größeren
Aktion ging es auch an
den Fußboden und ältere Gemeindeglieder
fanden sich bestätigt,
denn sie hatten ein
Grab in der Kapelle vermutet.
Die dazugehörige Platte, mit
einem Gewicht von zwei Tonnen,
erhielt einen neuen
Standort, innen an der Nordseite.
Ihre Inschrift verweist
auf Carol-Henrich Stammich
(1642 bis 1694), der hier beerdigt
wurde.
Alle 14 Tage wird in der Kapelle
zu Gottesdiensten eingeladen.
Konzerte, vor allem mit
dem hiesigen Gospelchor, erreichten
so einen Zulauf, dass
man in die größere Kapelle
von Holzhausen II auswich.
Konfirmationen hingegen
werden in der Hartumer Kirche
abgehalten.
Der Lieblingsplatz von Hartfried Esdorn ist
ganz hinten: mit Blick auf den Altar.
Schlicht und eindrucksvoll gestaltet:
das Taufbecken.
Klangvoll ertönt die Orgel
beim Einsatz.