24 Stunden in der Region Ein Tag in 24 Geschichten 29
Der Schockraum: Im Notfall kämpfen hier bis zu 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um das Leben eines Patienten. Fotos: pr
Traumjob Lebensretter
Eine Nacht in der Notaufnahme – und was sich hinter dem Triage-System verbirgt.
Minden. In der Notaufnahme
wird Leben gerettet. 24 Stunden,
7 Tage die Woche. Ärzte
und Pflegefachpersonal leisten
hier ihren nicht immer einfachen
Dienst. Es ist 23:00 Uhr,
Sophia Hodemann, stellvertretende
Stationsleiterin der Notaufnahme
am Johannes Wesling
Klinikum, bespricht mit
dem Team der Spätschicht bei
der Übergabe alles Wichtige.
Wie fast täglich hatte auch die
Spätschicht alle Hände voll zu
tun: Ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall,
eine Reanimation.
Der erste Einsatz für diese
Nacht steht an: Zwei Kollegen
hieven eine korpulente ältere
Frau von der Trage auf ein Bett.
Der Notfallsanitäter des Rettungsdienstes
erklärt den Ablauf:
„Die Dame ist in einem
Supermarkt aus ihrem Rollstuhl
gerutscht und auf dem
Boden aufgeschlagen. Verdacht
auf Knochenbruch.“
Schnell wird klar: bei der alten
Dame spielt sich ein Drama
ab. Sie ist schwer krank und
kann nur über einen Luftröhrenschnitt
atmen. Sprechen
kann sie nicht. Luft zu bekommen,
fällt ihr schwer. Aber Sophia
Hodemann erkennt die
Not der Frau sofort. Sie saugt
zähen Schleim direkt aus der
Lunge ab, was schnell zu einer
Verbesserung führt. Die Dame
kann wieder befreit atmen.
Nebenan warten die nächsten
Patienten. Fast jeder Stuhl
im Wartezimmer ist besetzt.
Wer als nächstes behandelt
wird, richtet sich nicht nach der
Reihenfolge der Ankunft. Die
meisten Notaufnahmen arbeiten
nach dem weltweit angewandten
Triage-System zur
Ersteinschätzung von Patienten.
Sie werden in fünf Kategorien
eingeteilt von „Schwerste
Fälle mit unmittelbarer Lebensgefahr“
bis hin zu „Nicht dringliche
Fälle“. Wer wie lange warten
muss, richtet sich ausschließlich
nach der Dringlichkeit.
Dass kann dazu führen,
dass Patienten länger warten
müssen, weil im Nebenraum
ein Mensch mit dem Tod ringt
und alle Mitarbeiter dort eingesetzt
sind.
Ein Rettungswagen aus Sulingen
kündigt sich an. Der Patient
habe epileptische Anfälle,
so die Auskunft. Als Maximalversorger
deckt das Johannes
Wesling Klinikum nahezu alle
Behandlungsbereiche ab. Das
Einzugsgebiet ist entsprechend
groß. Während sich einer der
Notärzte um den Epilepsie-Patienten
kümmert, sitzt in der
Anmeldung eine Familie mit
ihrem Sohn, der sich den Fuß
verletzt hat. Die Röntgenuntersuchung
zeigt: Bruch des Mittelfußknochens.
Das heißt Gips.
Für den jungen Sportler erstmal
ein kleiner Schock. Die Eltern
sind dagegen erleichtert,
weil der glatte Bruch ohne Operation
verheilen wird. Krankenpfleger
Roger Papke versteht es,
dem neunjährigen Jungen die
Sorgen und Ängste zu nehmen.
Er erklärt ihm, dass die Verletzung
der angestrebten Karriere
als Fußballprofi nicht im Wege
stehen werde – vorausgesetzt
natürlich, er hält sich an die
Anweisung des Arztes.
Es geht Schlag auf Schlag.
Zeit für einen Kaffee bleibt
nicht: Nierenkolik, unklare
Herzbeschwerden, Sturz von
der Treppe, Platzwunde … Wer
empfindlich ist, ist als Mitarbeiter
in der Notaufnahme fehl
am Platz. Traumjob Notaufnahme?
Für die meisten Mitarbeiter
schon. „Wir arbeiten an der
Hauptschlagader des Lebens. Jede
Entscheidung hat unmittelbare
Folgen. Wir erleben tiefste
Dankbarkeit, retten Leben, und
manchmal müssen wir leider
auch Leben loslassen. Unsere
Arbeit ist in jeder Art und Weise
existenziell“, sagt Jens Krümpelbeck,
Pflegerischer Leiter der
Notaufnahme im Johannes
Wesling Klinikum. – Jede
Schicht ist eine neue Herausforderung.
So wie das Leben.
Universitätsklinikum
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23:00