GWD persönlich HEIMSPIEL
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Mister 100 Prozent
Joscha Ritterbach ist ein Vollgas-Sportler /
Eigenes Trainings-Camp
Wenn Joscha Ritterbach
trifft, müssen die Emotionen
raus. Laut und wild
bejubelt er jeden seiner
Treffer. „Das ist nicht nur
im Spiel so. Der schreit
auch nach jedem Tor im
Training. Das macht doch
kein Mensch“, schüttelt
Savvas Savvas ungläubig
den Kopf über seinen besten
Kumpel.
„Ich kann nicht anders.“
Ritterbach kann darüber
nur müde lächeln:
„Ich kann nicht anders. So
bin ich einfach. Ich gebe
immer alles und dann muss
die Freude raus.“ Der Linksaußen
mag keine halben
Sachen. Er ist mit seinen
erst 25 Jahren schon ein
emotionaler Leader in der
Mannschaft. Gibt irgendwer
im Training nicht alles,
bekommt er von Ritterbach
einen Spruch. „Mich macht
das sonst einfach wahnsinnig.“
Er ist eben Mister 100
Prozent. Ganz oder gar
nicht. Dieser Mann ist hart
zu sich selbst – getrieben
von einem unbändigen
Ehrgeiz. „Das war schon
immer so. Schon als ich
fünf Jahre alt war wusste
ich, dass ich Profi werden
will. Handball ist mein
Leben. Dafür investiere ich
alles.“
Auf der anderen Seite
hat Ritterbach für Handball
auch auf viele Dinge
verzichtet: Klassenfahrten,
Partys oder Konzerte. Das
alles hat er sausen lassen
– für den Sport. „Ich
bereue das überhaupt
nicht. Ich bin eben extrem
ehrgeizig. Meine Freunde
sind genauso. Wahrscheinlich
sind sie deshalb meine
Freunde“, sagt er lachend.
Als Kind hat er jede
Ferien in einem Handball
Camp verbracht.
Einmal auch in Dormagen.
Am Ende der Trainingswoche
boten ihm die Trainer
einen Platz im Internat
an. Ritterbach war sofort
Feuer und Flamme und zog
im nächsten Sommer um.
„Ich dachte nur: Boah, wie
geil ist das denn!“
Das war es auch meistens.
Aber die Entfernung
zur Heimat im Münsterland
war manchmal auch
schwierig. Doch der Ehrgeiz
in Joscha Ritterbach
setzte sich durch. Er blieb
im Rheinland. Zwei Jahre
lang. Dann wollte ihn der
Trainer in die zweite A-Jugendmannschaft
stecken.
„Meine Antwort war,
dass ich sofort den Verein
wechsle. Aber ich wusste
gar nicht wohin. Das war
echt naiv“, sagt Ritterbach
rückblickend. Und gleichzeitig
war es sein größtes
Glück. Lemgo schnappte
sich den Linksaußen
und dort entwickelte er
sich unter Trainer Niels
Pfannenschmidt innerhalb
weniger Monate zum
Jugend-Nationalspieler.
„Niels war bisher sicher
mein wichtigster Trainer.
Wir haben noch immer
Kontakt. Ich bin ihm sehr
dankbar“, sagt Ritterbach.
In Lemgo durfte er schnell
in der 3. Liga mitspielen
und bei den Profis trainieren.
Nach drei Jahren beim
Zweitligist Hamm wagte
er 2017 den Schritt in die
Bundesliga nach Göppingen.
Das erste Jahr lief
super, Ritterbach lernte
gerade als Vorgezogener in
der 5:1-Deckung viel dazu.
Doch ein Trainerwechsel
stoppte den dynamischen
Außen. Plötzlich war sein
Stammplatz auf der Bank.
„Ich war sauer, aber mich
kann so schnell nix aus
der Bahn werfen“, sagt der
Kämpfertyp.
„Wie Lemgo in Grün“
Das Angebot aus Minden
kam zum perfekten Zeitpunkt.
„Das fühlt sich hier
an wie Heimat. Ich mag
diese ehrliche und freche
Art der Menschen in NRW.“
Ritterbach kannte den Verein
natürlich bestens aus
seiner Zeit im Lemgo: „Für
mich war GWD damals das
gleiche wie Lemgo – eben
nur in grün.“
In Minden genießt der
25-Jährige seine neue
Rolle. Er macht den Mund
auf, sagt seine Meinung
und rüttelt gerne auch mal
die Mitspieler wach, wenn
es sein muss. „Ich haue
immer alles raus. Das erwarte
ich von den anderen
auch.“
Richtige Hobbys hat
der Linksaußen nicht. Für
ihn gibt es nur Handball
und seine Ausbildung zum
Vermögensberater. Und
natürlich Schalke. „Meine
Mama kommt aus Gelsenkirchen
Buer. Schalke ist
eine Herzensangelegenheit.
Das verfolge ich sehr
genau“, sagt der S04-Fan.
Doch Handball hat
immer Vorrang. Die
schlimmste Zeit für Ritterbach
ist die Sommerpause.
Schon vor der eigentlichen
Vorbereitung hat er sein
eigenes Trainingscamp
gemacht. Zwei Wochen
lang. „Ich kann nicht
anders. Nach drei Tagen
ohne Training, muss ich
was machen.“
Auf dem Platz ist er ein
frecher und listiger Spieler,
der auch gerne mal dem
Gegner einen Ball klaut.
Und vorne zieht er einfach
durch. Körperkontakt
ist kein Problem für ihn,
Schmerzen auch nicht.
Für seine Karriere hat sich
Joscha Ritterbach keine
Grenzen gesetzt. „Ich will
alles erreichen. Nichts ist
unmöglich. Dazu gehören
aber Glück und harte Arbeit.“
Am eigenen Einsatz
wird es bei Mister 100
Prozent garantiert nicht
scheitert. Stefan Rüter