Warum das MT nicht ungefiltert aus der Häverstädter Notunterkunft berichten kann

Fotos wie dieses bekommt die MT-Redaktion von der Pressestelle der Stadt zur Verfügung gestellt (wofür wir gern danken).   MT-Mitarbeiter dürfen das Gelände nicht betreten. Foto: Stadt Minden

Fotos wie dieses bekommt die MT-Redaktion von der Pressestelle der Stadt zur Verfügung gestellt (wofür wir gern danken). MT-Mitarbeiter dürfen das Gelände nicht betreten. Foto: Stadt Minden

Seit Einrichtung der Notunterkunft in Häverstädt versucht das MT natürlich, sich seinem journalistischen Auftrag gemäß direkt vor Ort ein Bild zu machen. Natürlich würde die Lokalredaktion auch gern mit Flüchtlingen sprechen, ihre Geschichten erfahren und darüber berichten. So, wie es die MT-Redaktion derzeit immer wieder auch im überregionalen Teil tut, in der Regel mit Berichten und Fotos unserer Nachrichtenagenturen.

Doch der Zutritt zum Gelände wird der einzigen örtlichen Tageszeitung von der Stadt Minden mit Verweis auf das Hausrecht verweigert; in mehreren Gesprächsrunden mit Verantwortlichen der Stadtspitze hat diese sich mit ihrer ablehnenden Position – die sie u.a. mit dem Persönlichkeitsrecht der Flüchtlinge, dem erforderlichen Schutz von deren Privatsphäre sowie dem Gleichbehandlungsgebot allen Medien gegenüber begründet – nicht einen Millimeter bewegt (siehe auch Mail der Stadtverwaltung zum Thema Notunterkunft (auf Link klicken).

Chefredaktion, Ressortleiter und Mannschaft können diese Haltung der Stadt nicht nachvollziehen. Sie betrachten das als grobe Einschränkung ihres Rechts auf freie und unabhängige Berichterstattung. Die Chefredaktion erwägt mittlerweile ernsthaft, dieses Recht einzuklagen.

Bereits Ende August hatte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) in einer bundesweit verbreiteten Presseerklärung die auch von der MT-Redaktion geteilte Auffassung vertreten, dass Flüchtlings-Einrichtungen keine  journalistischen Tabuzonen sein dürften und die Betreiber aufgefordert, journalistische Vor-Ort-Recherche in den Heimen zu ermöglichen. Zuvor hatte eine Umfrage des Verbandes ergeben, dass es in mehreren Bundesländern Probleme für Journalistinnen und Journalisten gibt, die die Unterkünfte betreten und dort recherchieren wollten.

„Die Berichterstattung der Medien darf nicht auf Ereignisse außerhalb der Unterkünfte beschränkt werden, wie zuletzt etwa in Heidenau“, hieß es in der Erklärung des Verbandes. Die Öffentlichkeit wolle wissen, wie die Flüchtlinge untergebracht seien, wie sie lebten, welche Erlebnisse sie hätten. Das sei nur möglich, wenn Journalisten mit den Flüchtlingen sprechen und sie in ihrem Heimalltag beobachten könnten. Länder und Kommunen als Betreiber der Heime seien in der Pflicht, Berichterstattung zu ermöglichen, statt sie zu verhindern.

Dass die Redaktion bei Recherchen die Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre der Flüchtlinge achtet, niemanden mit Kameras “bedrängt”, gegen seinen Willen befragt oder zum Gegenstand der Berichterstattung macht, ist selbstverständlich. Ihr Gegenteiliges zu unterstellen, empfindet sie, gerade in Anbetracht der langjährigen Erfahrungen der Stadt mit der journalistischen Sorgfalt der MT-Redaktion, nicht nur als unberechtigten, sondern auch als fragwürdigen Vorwand für eine restriktive Kommunikationspolitik.

Diese, so die Überzeugung der Redaktion, steht nicht nur im Widerspruch zur – ja, jetzt fällt das große Wort – Pressefreiheit als der Möglichkeit, sich frei und ungehindert ein Bild von öffentlich relevanten Vorgängen machen zu können. Diese Kommunikationspolitik ist nach Auffassung der Redaktion auch nicht geeignet, das notwendige Verständnis der Bürgerschaft für die im Zusammenhang mit der aktuellen Situation zu bewältigenden Herausforderungen zu fördern.

Die Redaktion hat dieses Thema – in der Hoffnung, doch noch eine Einigung mit der Stadtverwaltung erzielen zu können – bislang nicht öffentlich gemacht. Diese Hoffnung haben sie derzeit nicht mehr. Dafür wird das Thema Tag für Tag drängender. Weswegen wir unseren Leserinnen und Lesern nun die längst fällige Erklärung dafür liefern, warum sie keine Geschichten und keine ungefilterten Informationen aus der Notunterkunft bekommen. Die dort tätigen Helfer, die der Redaktion auf deren Wunsch von der Stadt zu Gesprächen vermittelt werden und immer gern dafür zur Verfügung stehen, nehmen wir von dieser Beurteilung ausdrücklich aus.

6 thoughts on “Warum das MT nicht ungefiltert aus der Häverstädter Notunterkunft berichten kann

  1. Matthias Hasberg

    Lassen Sie denn ein fremdes Reporterteam IM Ihr Wohnzimmer? Erzählen Sie fremden Menschen Ihre Lebensgeschichte? Lassen Sie Ihre Kinder ablichten? Warum verlangen Sie das von Flüchtlingen? Ein Flüchtlingsheim ist eine Unterkunft für Menschen, und kein Zoo.

  2. Klaus D. Mueller

    Natürlich ist das kein “Zoo”, und diese Zeitung hier ist auch nicht die Blödzeitung. Aber was hier einmaliges passiert, diese Völkerwanderung, das verlangt schon einige Er- und Aufklärung (durch die Presse). Anzunehmen ist (ja: annehmen MUSS man), dass die zuständigen Behörden (und Politiker?) ANGST haben. Angst wovor? Meist ist es bei solcher Vertuschung die Angst vor Wahrheiten, die man nicht hören oder lesen möchte.

  3. Thomas R.

    Sie schreiben es doch selbst: Gleichbehandlungsgebot allen Medien gegenüber.
    Selbst, wenn sich jemand hinstellt und sagt “Die Leute vom Mindener Tageblatt sind ganz toll und erstklassige Journalisten, die können wir reinlassen.” Am nächsten Tag steht da dann die Bild.
    Dann haben sicher alle gewonnen.

    Meine Meinung: Dieser Text zeigt sehr deutlich, warum man Sie NICHT in ein Flüchtlingsheim lassen sollte. Journalistische Verantwortung bedeutet mehr als das laute Verkünden der eigenen Großartigkeit.

  4. Krtikerrr

    Seit wann hebt denn das Grundrecht Pressefreiheit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Unverletzlichkeit der Wohnung auf? Nur weil es ein Flüchtlingsheim ist darf der dortige Wohnraum nicht geschützt sein vor, und jetzt fällt das böse Wort, neugierigen Journalisten? Niemand hat ein Recht in den persönlichen Lebensraum eines Menschen einzudringen nur weil es ein vermeientliches öffentliches Interesse gäbe. Gerade das ist ein Ergebniss des Kachlemannprozesses gegen Springer. Sollte man als Journalist/Redaktion kennen.

  5. TomTom

    Hausrecht ?
    Wäre es nicht mal interessant zu klären, wer denn dort das Hausrecht überhaupt hat. Im Regelfall hat das ja der Eigentümer. Darüber hinaus kann ansonsten der Mieter das Hausrecht ausüben.
    Haben die dort untergebrachten Asylsuchenden nicht vielleicht ein ähnliches Recht wie ein Mieter ? Die haben ja keine andere Unterkunft, also ist das ja praktisch deren Wohnung. Dann können die ja auch in ihren Teil der Unterkunft Journalisten einladen.

    Dann hat man auch das Problem nicht, daß erst die MT dort ist und dann vielleicht die BILD. Sollen das eben die Bewohner entscheiden.

  6. Barbara

    Ich bin froh, dass es beim MT noch Journalisten gibt, die selbst recherchieren (wollen), statt nur vorgekaute Halb-? Viertel-?wahrheiten zu verbreiten. Ich hatte schon den Eindruck, die wären ausgestorben.

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