TEILHABE – ODER: Civiphobie

Die oft unverdient gescholtenen Mindener Stadtpolitiker leiden offenbar an einer bislang unerkannten Krankheit. Der Civiphobie – der Angst vor dem Bürger.

Eine tückische Krankheit, die plötzlich und unerwartet in öffentlichen Sitzungen ausbricht, wenn Zuhörer (außer der Presse) im Raum sind. Vor allen Dingen dann, wenn die Zuhörer nicht nur zuhören, sondern auch etwas sagen möchten.
Weil sie zum Beispiel betroffen sind von dem, was da am Tisch beraten und entschieden werden soll. Sie wollen ihre Interessen äußern, egoistisch wie sie nun mal sind. Und lösen damit den Civiphobie-Ausbruch aus. Sie bringen den Virus „Bürgerteilhabe“ mit in den Raum, allein wenn sie nur dasitzen und zuhören. Und je mehr solcher Virenträger da sind, vor allem in engen Räumen wie dem Sozialraum der Städtischen Betriebe oder in 1.36 im Rathaus, desto größer scheint die Phobie zu sein. Geradezu Angstschweiß treibend gefährlich wird es, wenn verschiedene Viren im Raum schwirren, der Dichtheitsprüfungsvirus, das Karinstraßenvirus, das Straßenreinigungsvirus.

Aber es gibt Abwehrmethoden. Eine ist, für die Fraktion Beratungsbedarf zu reklamieren. So lässt sich Zeit gewinnen. Vielleicht läuft der Virus sich ja tot. Die Virenträger kommen nicht wieder und man kann später in Ruhe und ungestört entscheiden.

Wenn man als Kommunalpolitiker aber den Bürgerteilhabe-Virus an sich herauskommen lassen muss, dann sollte man die Ansteckungschance möglichst kurz halten, sprich Sitzungsunterbrechung ja, aber „nur kurz“. Mindestens ist eine Zeitbegrenzung zu erlassen. Oder man versucht, den Angriff abzublocken. Als Rammbock dienen dann Hinweise auf Beratungen in anderen Gremien, „morgen in der Ortsvorsteherversammlung“ oder „muss sowieso noch in den Bauausschuss“.

Wenn alles nicht hilft, reicht der Hinweis auf die umfangreiche Tagesordnung. Trick: Wenn man den massiven Angriff der Bürgerviren ahnt, kann man die Sitzung schön vollpacken und das Kontroverse nach hinten oder gar nicht draufnehmen. Da wird dann jede Bürgeranhörung zu einem Gnadenakt.

Die Ausbrüche und Symptome dieser Erkrankung manch Mindener Kommunalpolitiker haben auch Kollegen und viele Bürger, die erwartungsvoll hinein und enttäuscht aus den Sitzungen gekommen sind, schon gemacht.

Auch ich bin, ich gestehe es, Virusträger, denn auch für mich gilt abgeleitet aus dem Römerspruch: Civis Mindensis sum. Ich bin ein Mindener Bürger.

In diesem Sinne: ein schönes Wochenende!

Hartmut Nolte, Lokalredaktion

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