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Zeitenwende 
für die journalistische Arbeit

Welche Herausforderungen der Ukrainekrieg an die MT-Redaktion stellt

Seit dem 24. Februar 2022 ist nichts mehr, wie es war. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dominiert seitdem die Berichterstattung in den überregionalen Medien. Aber auch in den Redaktionen der regionalen und lokalen Tageszeitungen müssen sich die Mitarbeiter verstärkt mit diesem Thema auseinandersetzen. MT-Chefredakteur Benjamin Piel erläutert, worin die besonderen Herausforderungen für die tägliche redaktionelle Arbeit bestehen.

Am 27. Februar sprach Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum Angriff Russlands auf die Ukraine von einer „Zeitenwende“. Für viele Menschen sei Krieg in Europa etwas, das man nur noch aus Erzählungen von Eltern und Großeltern kenne, für viele Jüngere sei es kaum fassbar. Das trifft sowohl auf die Leser des Mindener Tageblatts als auch auf die MT-Redaktion zu. Inwieweit erfährt auch die journalistische Arbeit durch den Krieg eine Zeitenwende?

Benjamin Piel: Seit Kriegsbeginn hat es laut einer Erhebung des International Press Institute (IPI) 356 Angriffe auf Journalisten in der Ukraine gegeben. Sieben Medienschaffende wurden von russischen Truppen in den besetzten Gebieten getötet. Das zeigt leidvoll, wie gefährlich unsere Arbeit sein kann. Darüber hinaus zeigt dieser Krieg, dass es unerlässlich ist, die journalistischen Standards hochzuhalten – und dass es oft schwierig ist, objektiv zu informieren, wenn der Wahrheitsgehalt der Informationen unklar ist. Ein weiteres wichtiges Thema: Der Umgang mit Bildmaterial, das die Gräuel des Krieges dokumentiert. Zeigt man Leichen oder nicht? Amerikanische Medien sind da deutlich kompromissloser. Das ist in großen Teilen der deutschen Medienlandschaft undenkbar.

Die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine spielt sich vorwiegend in den überregionalen Medien ab. Inwieweit kommt das Mindener Tageblatt im Lokalen damit in Berührung?

Viele Flüchtlinge aus der Ukraine haben in der Region Zuflucht gefunden. Ihre Unterbringung und Versorgung sowie Hilfs- und Spendenaktionen aus der Bevölkerung sind Themen, die für unsere Leser relevant sind. Darüber hinaus leben im Kreis Minden-Lübbecke sehr viele russischstämmige Menschen, die ebenfalls einen eigenen Standpunkt zum Krieg haben und im MT Gehör finden sollen.

Die Flüchtlinge aus der Ukraine bringen ihre persönlichen Erlebnisse mit nach Deutschland. Wie geht die MT-Redaktion damit um?

Das ist ebenfalls eine der besonderen Herausforderungen für uns Journalisten: Im Krieg gibt es keine oder eher selten unabhängige Quellen. Auch die Berichte der ukrainischen Flüchtlinge sind nicht objektiv, sondern persönliche, von Emotionen geprägte Erfahrungen. Hier müssen wir transparent bleiben und unseren Lesern deutlich machen, dass es sich um Augenzeugenberichte, aber nicht um unabhängige Informationen handelt.

Die Ukraine ist gut, Russland ist böse – warum ist das zu kurz gedacht?

Krieg ist immer schrecklich. Es spielen sich auf beiden Seiten unmenschliche Szenen ab. Das ist leider die menschenverachtende Natur des Krieges. Dabei gibt es keine ausnahmslos gute Seite – auch wenn wir das vielleicht gerne hätten, weil es leichter zu ertragen und einzuordnen wäre. Es deutet allerdings einiges darauf hin, dass die russische Seite Kriegsverbrechen als Strategie in ihre Kriegsführung einbindet. Das ist besonders perfide. Zentral wichtig ist, lieber ein bisschen langsamer und dafür richtig zu berichten, als Informationen unreflektiert weiterzuverbreiten. Das gilt für die MT-Berichterstattung, aber auch für die Redaktionsgemeinschaft der ostwestfälisch-lippischen Verlage, die unsere überregionale Berichterstattung betreut. Ich denke, dass wir da ein gutes Maß gefunden haben. Aber dieses Maß ist immer wieder neu zu erarbeiten und zu hinterfragen.

Verlage sammeln rund 1,6 Millionen Euro

  • Der Bundesverband der Zeitungsverleger und Digitalpublisher (BDZV) brachte Anfang März eine groß angelegte Spendenaktion für die Menschen in der Ukraine und Flüchtlinge auf den Weg.
  • Rund 100 Titel mit mehreren 100 Lokalausgaben veröffentlichten den Spendenaufruf in Print und digital. Bis Mitte April kamen bereits gut 1,6 Millionen Euro von knapp 10.000 Spendern zusammen.

Stefanie Dullweber und Benjamin Piel unter den besten Journalisten des Jahres 2019

Große Freude für das Mindener Tageblatt: Redakteurin Stefanie Dullweber und Chefredakteur Benjamin Piel gehören laut dem Fachmagazin Medium Magazin zu den besten Journalistinnen und Journalisten des Jahres 2019.

Ausgezeichnet werden solche Journalisten und Journalistinnen, die auf besonders nachdrückliche Weise Themen und Trends aufgegriffen sowie gesetzt haben und die mit Recherche, Tiefgang, Ausdruckskraft, Humor oder redaktionell-strategischer Leistung geglänzt haben, heißt es im Magazin. In Frage kommen dabei nicht nur Zeitungsredakteure, sondern Journalisten aller Mediengattungen (Print/Online/TV/Hörfunk).

Benjamin Piel wurde von der 100-köpfigen Jury auf den dritten Platz in der Kategorie „Beste Chefredakteure Regional“ gewählt. Die Begründung: Spätestens jetzt kennen und schätzen ihn die Mindener: 200 von ihnen hat Benjamin Piel seit seinem Antritt als Chefredakteur im Mai 2018 auf seiner Kennenlern-Tour porträtiert. Er fiel darüber hinaus gemeinsam mit seinem Team durch exklusive lokale Recherchen und einen guten Umgang im Crossmedialen auf. Beispielhaft: das Multimedia-Projekt „Hiller Morde“.

Stefanie Dullweber hat es in der Kategorie „Reportage Regional“ auf den 8. Platz geschafft. Vor allem ihre intensive Recherche rund um den Hiller Dreifachmord, überzeugte die Jury. Ihre Begründung: Der erste Anruf war anonym, die Sachlage völlig unklar: Sie begann trotzdem zu recherchieren, monatelang – es wurde zum Fall eines spektakulären Dreifachmordes. Und zum bravourösen True-Crime-Projekt „Hiller Morde“.

MT gewinnt mit Themen-Spezial „Hiller Morde“ Preis des Journalismuslabs NRW

Nadine Schwan, Stefanie Dullweber und Patrick Schwemling haben den Preis am Freitagabend in Düsseldorf bei der gemeinsamen Verleihung des NRW-Hörfunkpreies und des Journalismuslabs NRW in Empfang genommen. Ausgezeichnet wurde das MT für das Projekt “Hiller Morde”. Foto: pr

Mut, Kreativität und Experimentierfreude werden belohnt: Für das Themen-Spezial „Hiller Morde“ ist das MT am Freitagabend in Düsseldorf ausgezeichnet worden. Mit der Seite www.hiller-morde.de hat das Projektteam des Mindener Tageblatts in der Kategorie „Innovatives Format im Lokalen“ den Preis des Journalismus Labs NRW 2019 gewonnen und gezeigt, dass auch Lokalzeitungen große Projekte multimedial umsetzen können. Neben einer Trophäe gab es für das MT außerdem ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro.

Das Themen-Spezial „Hiller Morde“ ist ein lokaljournalistisches und multimediales True-Crime-Projekt, das den Dreifachmord in Neunbaum in Form eines seriellen Storytellings nacherzählt. True-Crime ist ein Medien-Genre, dass sich mit der Darstellung realer Kriminalfälle befasst. Eine der bekanntesten und gleichzeitig ältesten Fernsehsendungen des deutschsprachigen Raumes, die diesem Genre zuzuordnen sind, ist Aktenzeichen XY … ungelöst, aber auch neue Formate wie Podcasts, beschäftigen sich mit dem Themenspektrum der Kriminalität.

Themen-Spezial „Hiller Morde“ zeichnet die Ereignisse im März 2018 rund um das Verbrechen im Ortsteil Neuenbaum crossmedial mit Texten, Fotostrecken, Videos und einem Podcast auf einer eigenen Webseite umfangreich nach. Es werden auf unterschiedlichen Ebenen die mutmaßlichen Täter, Opfer und alle Hintergründe zu den Taten aufgezeigt. Nachbarn kommen zu Wort, ein Podcast beleuchtet die Hintergründe der Berichterstattung. Ein interaktiver Zeitstrahl liefert einen Überblick über das dramatische Geschehen.

„Im True-Crime-Trend liegen und gleichzeitig achtsam arbeiten – dass das geht, zeigt das crossmediale Themen-Spezial „Hiller-Morde“ des Mindener Tageblatts. Von der Tat bis zum Beginn des Prozesses wird hier nicht nur auf den Gänsehautfaktor gesetzt, sondern gezeigt, dass Verbrechen sich nicht lohnt, und die wie Polizei arbeitet“, heißt es in der Begründung der Jury, bestehend aus Sandra Weiß (Expertin für Virtual Reality, Augmented Reality und Mixed Reality), Michael Krechting (Digitaljournalist und Leiter der Zentralredaktion Digital der Neuen Osnabrücker Zeitung), Prof. Dr. Wiebke Möhring (Institut für Journalistik an der Technischen Universität Dortmund), Dennis Horn (Journalist und ARD-Digitalexperte) und Andrea Hansen (Freie Journalistin und ehrenamtliche stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Journalisten Verbandes NRW).


Die Seite www.hiller-morde.de ist ein lokaljournalistisches und multimediales True-Crime-Projekt des Mindener Tageblatts, das den Dreifachmord in Neunbaum in Form eines seriellen Storytellings nacherzählt.

Über die Auszeichnung freuen sich die MT-Projektmitglieder, darunter Stefanie Dullweber, Nina Könemann, Alex Lehn, Jan Henning Rogge, Nadine Schwan, Patrick Schwemling sowie die vielen weiteren Helfer aus des Abteilungen Redaktion, Digital Unit und Marketing, sehr. Monatelang haben sie an der Realisierung der Website gearbeitet, sämtliche Informationen, Videos und Fotos des Falls neu sortiert, einen Podcast aus der Sicht der Reporter aufgenommen und den Dreifachmord in Hille-Neunbaum in Form eines seriellen Storytellings nacherzählt. Besonders Stefanie Dullweber, die als Redakteurin für die Gemeinde Hille zuständig ist, befasste sich anderthalb Jahre fast täglich mit dem Fall, begleitete die Ermittlungen in Neuenbaum vor Ort und fuhr zu jeder Gerichtsverhandlung nach Bielefeld. Außerdem recherchierte sie mit Unterstützung der Kollegen intensiv im Umfeld von Täter und Opfer und beleuchtete den Dreifachmord von allen Facetten.

Ziel des Projektes war es, den immer komplexer werdenden Fall in Hille noch einmal gebündelt dazustellen und dabei die Dramatik des Dreifachmordes so nachzuerzählen, wie sie tatsächlich geschehen ist – Tag für Tag mit neuen Entwicklungen und schockierend bis ins Mark.

Hintergrund

Das Journalismuslab der Landesanstalt für Medien NRW setzt sich seit 2015 (ehemals als Stiftung Vor Ort NRW) für die Stärkung und Vielfalt des Lokaljournalismus in Nordrhein-Westfalen ein. Es fördert Journalistinnen, Journalisten und Organisationen bei der Entwicklung und Umsetzung von innovativen Projekten in Online-, Video- und Audio-Medien. Der Preis des Journalismuslabs wird jährlich in zwei Kategorien vergeben. In der zweiten Kategorie „Neue Stimme im Lokalen“ setzten sich dieses Jahr Martin Wosnitza und sein Team mit Blickfeld – die Campus-Zeitung für Wuppertal durch.