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Tour durch Stadtteile und Dörfer

MT-Verleger und Chefredakteur haben 72 Gespräche auf dem Plan

Abstände abbauen und die Nähe zwischen den Menschen in der Region nach der langen Phase der pandemiebedingten Einschränkungen wiederherzustellen – das haben sich MT-Verleger Sven Thomas und Chefredakteur Benjamin Piel für die kommenden rund eineinhalb Jahre vorgenommen.

Jede Woche sind sie in einem der Mindener Stadtteile oder einem der Ortsteile von Porta, Petershagen und Hille unterwegs. Sie treffen immer die Stadtteil- und Ortsbürgermeister und manchmal auch weitere Akteure vor Ort, die Auskunft geben können, weil sie sich besonders gut auskennen.

Was bewegt die Menschen vor Ort? Welche Herausforderungen stehen an? Welche Erfolge wurden gefeiert? Welche Projekte abgeschlossen? Und welche stehen an? Diese und ähnliche Fragen sind Teil der Gespräche in den 29 Ortsteilen von Petershagen, den 19 Mindener Stadtbezirken, den 15 Stadtteilen von Porta-Westfalica und den neun Ortsteilen von Hille. Insgesamt stehen also 72 Stationen und 72 Gespräche auf dem Plan.

MT-Verleger Sven Thomas besuchte Quartiersmanagerin Elke Ruhe-Hartmann und Stadtteil-Bürgermeister Günter Weßel in Bärenkämpens Stadtteilzentrum. MT-Foto: Benjamin Piel

Erstes Gespräch in Bärenkämpen

Start war im August im Mindener Stadtteil Bärenkämpen. Der hat eine harte Zeit hinter sich. Die Pandemie, ihre Auflagen und Folgen haben viele Menschen dort besonders getroffen, berichten Stadtteil-Bürgermeister Günter Weßel und Elke Ruhe-Hartmann, eine der Quartiersmanager in Bärenkämpen. Sie beschreibt „Unruhe“ als wesentlichen Effekt, den insbesondere die ersten Wochen und Monate der Pandemie mit sich gebracht haben: „Viele sind gerade während der Zeit des Lockdowns in eine Starre verfallen, manche sind wochenlang nicht mehr aus ihren Wohnungen gekommen.“ Angst, Verunsicherung und politische Desinformationskampagnen seien gerade für Menschen, die kein oder weniger gut Deutsch sprechen besonders bedrohlich.

Auch deshalb ist den Mitarbeitern des Stadtteilzentrums sehr wichtig, Vertrauen aufzubauen, feste Beziehungen entstehen zu lassen. Das große Ziel der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter: Die Menschen befähigen, Dinge selbst hinzubekommen, statt ihnen bloß alles abzunehmen.

Aber wie lässt sich Vertrauen gewinnen? „Am besten, wenn man gemeinsam etwas tut, erlebt und bewirkt“, antwortet Ruhe-Hartmann. Im Begegnungszentrum kochen und essen die Besucher verschiedener Nationen gemeinsam, es gibt ein offenes Café für Senioren, Sprachkurse, einige Männer bauen gemeinsam an Kanus, es gibt eine Fahrradwerkstatt. Natürlich erreicht so ein Zentrum nur einen Bruchteil der mehr als 6.000 Einwohner des Stadtteils, aber der Ortsbürgermeister und die Mitarbeiter sind zufrieden, wie sich die Dinge entwickelt haben, wie Beziehungen entstanden und das Vertrauen gewachsen ist. So spreche sich im Viertel herum, was im Stadtteilzentrum so los sei. Mit am wichtigsten: Offene Türen, die das Willkommensein symbolisieren.

Mehr als ein Hochhausviertel

Wer nach Minden kommt, hört schnell, dass Bärenkämpen das Problemviertel ist, der Soziale Brennpunkt. Innerhalb von Bärenkämpen spreche man so nicht, und empfinde es auch nicht so. „Ich erlebe viele, die hier gerne leben“, erzählt Weßel, der selbst in der Nordstadt wohnt. Der schlechte Ruf bestehe teilweise fort, aber es breche auch vieles auf: „Und das ist gut so.“ Die Lage am Kanal, das Melitta-Bad, die gute Infrastruktur, ein Eiscafé, sogar ein Hotel– es sei wichtig, immer wieder auf diese positiven Aspekte hinzuweisen und Bärenkämpen nicht nur als Hochhausviertel mit zahlreichen Herausforderungen wahrzunehmen.

Einen großen Bedarf sieht Hartmann-Ruhe aber in der Tat: Vor allem jungen Leuten die Vorzüge und die Bedeutung der Demokratie und der freien Gesellschaft zu vermitteln. Auch das hat etwas mit Vertrauen zu tun: Nur wer weiß, was wertvoll ist, kann es auch schützen.